WLAN: Ein unkontrolliertes Experiment

Jahrzehnte wissenschaftlicher Forschung über die schädlichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder legen nahe, einen vorsichtigeren Umgang mit mobilen Kommunikationstechnologien zu pflegen. Das gilt besonders für Kinder und Heranwachsende, da die gefährliche Strahlung tief ins Hirn eindringen kann.

Seit über einem halben Jahrhundert arbeitet eine Gruppe bedeutender Strategen und Richtliniengestalter – darunter auch Wissenschaftler – mit dem Begriff „SAR“. Die spezifische Absorptionsrate (SAR) wird in Watt pro Kilogramm (W / kg) oder Milliwatt pro Gramm (mW / g) angegeben. Sie ist ein Maß für die Energie, die von einem gegebenen Körpergewebe absorbiert wird. D. h., sie gibt die aufgenommene Strahlungsmenge an, nicht aber die von einem Gerät ausgesendete. Die Energie-Absorption erfolgt bei verschiedenen Menschen und Organen uneinheitlich und abhängig von der Sendefrequenz. Trotzdem wird der Begriff bis heute oft als Maß für die von einer EMF-Quelle abgegebene Energie benutzt. Wie soll ein technisches Gerät aber auf solche Weise charakterisiert werden? Noch einmal: Der SAR-Wert sagt aus, wie viel Energie von einem Gramm Körpergewebe aufgenommen wird.

Die unsachgemäße Verwendung des SAR-Begriffs spielt den Befürwortern der WLAN-Technologie in die Hände und ist für die Gerätehersteller von besonderem Vorteil. Stets bekräftigen sie, dass keine Erhitzung von Hirngewebe durch Hochfrequenz-EMF stattfinde und daher keine Gefahr für das menschliche Gehirn bestehe. Dabei vernachlässigen sie komplett, dass die meisten biologischen Auswirkungen nicht-thermisch sind. Wir sind davon überzeugt, dass die Sicherheitsrichtlinien unter Einbeziehung der Energieabsorption neu formuliert werden müssen.

WLAN und Mobiltelefone: Auswirkungen auf Kinder

Jeder – vom Baby bis zum Rentner – ist einer großen Zahl verschiedenartiger elektromagnetischer Felder ausgesetzt. Ein Großteil dieser Menschen ist an mobiler Kommunikation nicht interessiert. Besonders für Kinder sind die Strahlen gefährlich – viele von ihnen benutzen schon in sehr jungen Jahren Mobiltelefone ohne jede elterliche Kontrolle. Nachfolgend erläutern wir die Gefahren, die hochfrequente elektromagnetische Felder für den Teil der Bevölkerung mit sich bringen, der drahtlose Kommunikationsmittel am häufigsten verwendet: Kinder und junge Erwachsene.

wlanwirkungen

Quelle: „Humanity At The Brink“. Wi-Fi-Report von Barrie Trower. http://rense.com/general96/trower.html

Bei der Risikobewertung müssen wir uns in erster Linie auf das sensible Gehirn konzentrieren, das sich bei Kindern noch in der Entwicklung befindet. Durch die Verwendung von Mobiltelefonen sind Kinder täglich und über Jahre hinweg elektromagnetischen Feldern ausgesetzt. Das hat auch Auswirkungen auf die komplexen Nervenstrukturen im Innenohr, die für das Gehör verantwortlich sind und gleichzeitig das vestibuläre System (Gleichgewichtsorgan) bilden (vgl. Grigoriev, 2006a, 2006b, 2012b).

Zum ersten Mal in der Geschichte unserer Zivilisation werden kritisch wichtige Organe des menschlichen Körpers – das Gehirn und die Nervenstrukturen im Innenohr – komplexen EMF unbekannter Stärke ausgesetzt. Aus physiologischen Gründen nimmt das Gehirn eines Kindes mehr hochfrequente elektromagnetische Strahlung auf als das eines Erwachsenen. Davon sind auch Hirnregionen betroffen, die für die intellektuelle Entwicklung verantwortlich sind. Kürzlich wurden Daten über den schädlichen Einfluss elektromagnetischer Felder auf die kognitiven Funktionen des Gehirns veröffentlicht (vgl. Grigoriev, 2012b). Zusätzlich muss beachtet werden, dass Kinder – wie von Divan, Kheifets und Obel (2008) gezeigt – bereits während der embryonalen Entwicklung elektromagnetischen Einflüssen ausgesetzt sein können.

An dieser Stelle ist es zweckmäßig, die Position der Weltgesundheitsorganisation WHO darzulegen:

„Kinder unterscheiden sich von Erwachsenen […]. Sie sind in besonderem Maße gefährdet. Während ihrer Wachstums- und Entwicklungsphase entstehen „Anfälligkeitsfenster“ – Phasen, in denen ihre Organe besonders empfindlich für bestimmte Umwelteinflüsse sein können.“ (vgl. WHO, 2003)

Leider stehen uns keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten zur Bewertung der Gefahren zur Verfügung, die von mobiler Kommunikation ausgehen. Niemand hat bisher umfassend untersucht, welche Schäden während der Entwicklungsphase am kindlichen Gehirn entstehen können (vgl. Markov, 2012). Studien zu langfristigen Schädigungen der Hirnfunktionen bei Kindern, die kontinuierlicher Bestrahlung durch hochfrequente EMF ausgesetzt sind, liegen überhaupt nicht vor. Deshalb sollten wir bei dem Thema bei Null beginnen. Leider reagieren die verantwortlichen internationalen Organisationen und Behörden nur langsam auf das rasche Technologiewachstum. Sie vernachlässigen im Prinzip vollständig die Gefahren, denen Kinder beim mobilen Telefonieren ausgesetzt sind (vgl. Grigoriev, 2008; Markov, 2012).

Vor über zehn Jahren bezeichnete einer der Teilnehmer der WHO-Konferenz zur Harmonisierung von Standards die Vernachlässigung der von hochfrequenten EMF ausgehenden Gefahren für Kinder als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (vgl. Markov, 2001).

Aufruf an Wissenschaftler und Ingenieure

Bei ionisierender Strahlung besteht in jedem Fall ein Zusammenhang zwischen der Strahlendosis und der Wirkung. Bei nicht-ionisierender Strahlung hingegen existiert grundsätzlich kein Schwellenwert, ab dem Auswirkungen zu beobachten sind. Zusätzlich benötigen die Effekte Zeit, um sich zu entwickeln, und werden eventuell durch verschiedene Faktoren abgeschwächt oder verstärkt (Grigoriev, 2006a, 2006b).

Unglücklicherweise haben Wissenschaftler, Politiker und Gesetzgeber die Langzeitwirkungen nicht-ionisierender Strahlung (oft aus mehreren Quellen gleichzeitig) bisher unterschätzt. Im Jahr 2003 veröffentlichte die IEEE eine Richtlinie, laut der nur der thermische Effekt biologische Auswirkungen nach sich zieht (Cho & D’Andrea, 2003). Keine Erwärmung – keine Wirkung. Die Richtlinie kommt der Industrie sehr gelegen, steht aber einer wissenschaftlichen Beurteilung der gesundheitlichen Aspekte im Weg. Wir meinen, dass die Wissenschaft stärker daran arbeiten muss, die potenziellen Gefahren zu erforschen, die dem menschlichen Organismus durch mobile Kommunikation drohen.

In dieser Hinsicht ist es wichtig, nochmals zu betonen, dass die IARC hochfrequente elektromagnetische Felder als möglicherweise krebserregend eingestuft hat (Gefahrenklasse 2B). Vor weniger als zwei Jahren änderte diese wichtige internationale Behörde ihre Einstufung von „keine schlüssigen Beweise für eine Gesundheitsgefährdung“ auf „möglicherweise krebserregend“. Die ICNIRP bekräftigt jedoch weiterhin:

„Die sich anhäufenden Belege sprechen tendenziell gegen die Hypothese, dass die Verwendung von Mobiltelefonen bei Erwachsenen Hirntumoren verursachen kann.“ (vgl. Boice & Tarone, 2011)

Damit stellt sich die Frage, warum die ICNIRP eine solche Haltung einnimmt. Wir möchten zwei verschiedene, sich letztlich ergänzende Antworten geben. Erstens: Der größte Teil der Finanzausstattung der ICNIRP kommt von der Industrie. Und zweitens (wichtiger): Die meisten Mitglieder der ICNIRP sind Ingenieure und Techniker, in deren Augen nur thermische Effekte relevant sind.

Es ist Zeit, dass Wissenschaftler – besonders Strahlenbiologen und Bioelektromagnetismus-Forscher – endlich ihre Stimme erheben. Es ist Zeit, die potenziellen Gefahren der immer stärker werdenden Hintergrundstrahlung für die menschliche Gesundheit zu erkennen und zu bewerten. Die Entwicklung der Nuklearmedizin und der Kernenergie hebt das Strahlungsniveau auf dem gesamten Planeten zusätzlich an, wobei die Auswirkungen der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima noch gar nicht eingerechnet sind (vgl. Akahane et al., 2012; Grigoriev, 2012c).

Kommentare

06. Januar 2014, 11:44 Uhr, permalink

Fritz Weber

Sie schreiben: "Seit über einem halben Jahrhundert arbeitet eine Gruppe [...] mit dem Begriff 'SAR'."
Haben Sie nähere, verbindliche Informationen darüber, wann konkret (und von wem) die SAR-Methode entwickelt wurde? Ich bin leider bisher nicht fündig geworden. Ihre Erwähnung ist für mich der erste Hinweis. Woher stammt er?

14. März 2014, 10:54 Uhr, permalink

Micaele Demandgovic

Hallo ich bin auch ein unkontrollierbares Experiment.

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