Wird die City of London ihre Kronjuwelen verlieren?

LondWohin werden die fast eine Billion Euro pro Tag für Euro-Clearinggeschäfte fließen? Diese verwaltet derzeit noch das höchste „Gut“ der britischen Wirtschaft, die gigantische Finanzindustrie der City of London, deren Zukunft bei den bevorstehenden Verhandlungen über den Brexit einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte ist. Für die britische Premierministerin Theresa May geht es vor allem darum, die Geschäfte der City of London zu sichern, für die Unterhändler der Europäischen Union allerdings sind sie nicht nur ein wertvoller Vermögenswert, der Begehrlichkeiten weckt, sondern auch ein Druckmittel bei den Verhandlungen.

Ein Bereich der Aktivitäten, den die europäischen Behörden sowohl politisch als auch monetär um jeden Preis in die Hände bekommen möchten, sind die umfangreichen Clearinggeschäfte der City.

Das Vereinigte Königreich wickelt schätzungsweise 75 Prozent aller auf Euro lautenden Derivatgeschäfte ab, was einem Handelswert von 930 Milliarden Euro pro Tag entspricht; hinzu kommen etwa 90 Prozent der inländischen Zinsswaps für US-Dollar.

Für die City ist das Clearing ein bedeutender Geschäftsbereich, denn in ihr hat das weltgrößte Clearing-Unternehmen für Zinsswaps, LCH, seinen Sitz, das mehrheitlich im Besitz der London Stock Exchange Group (LSE) ist. Sie funktioniert als Vermittler, sammelt Kreditsicherheiten und steht zwischen Derivat- und Swap-Händlern, um zu verhindern, dass Zahlungsverzüge außer Kontrolle geraten und zu einer Abwärtsspirale führen. Wie Bloomberg berichtet, haben sich Clearing-Unternehmen wie LCH im Bereich des globalen Finanzsystems seit der Finanzkrise im Jahr 2008 und der unaufhaltsamen Expansion des Handels mit Derivaten immer stärker etabliert.

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die französische Regierung versuchen seit Jahren, die Kontrolle des Clearings von in Euro angegebenen Transaktionen von der City of London zu übernehmen. Ironischerweise war es der Europäische Gerichtshof – dasselbe Gericht, dessen Rechtsprechung sich die Regierung des Vereinigten Königreichs zu entziehen versucht –, der 2015 genau das unterbunden hat, indem er sich auf den Grundsatz berief, dass die EZB kein EU-Mitglied diskriminieren kann. Aber falls das Vereinigte Königreich die EU verlässt und sich dadurch der Rechtsprechung des EuGH entzieht, wird diese Regelung nicht mehr gelten.

Laut Manfred Weber, Abgeordneter im Europäischen Parlament und enger Verbündeter von Kanzlerin Angela Merkel, muss Großbritannien das Euro-Clearing aufgeben, wenn es die EU einmal verlassen hat. Dem stimmt der französische Finanzminister Michel Sapin zu, der in der britischen Financial Times sagte, dass „dies bis an die Grenzen der Belastbarkeit unserer [Finanzmarkt-]Regelungen und der Souveränität über unser Geld geht“. Sie haben nicht ganz Unrecht, denn letztlich ist es die EZB, die die Situation bereinigen muss, wenn eine Euro-Clearing-Bank scheitert.

Graham Bishop, ein Berater für die EU-Integration und ehemaliger Banker, sagte Bloomberg: „[Die EZB] wäre verrückt, wenn sie zulässt, dass diese enormen Transaktionsvolumen, die zu finanziellen Instabilitäten innerhalb der Eurozone führen können, auch in Zukunft nicht von ihr kontrolliert werden. Könnten Sie sich vorstellen, dass die Bank of England erlauben würde, gigantische Summen von Sterling in der Eurozone abzuwickeln? Nein.“

Die Europäische Kommission bereitet nun etwas vor, was die Financial Times als ein „legales Fait accompli“ beschreibt: Gesetzesvorschläge nämlich, die im kommenden Monat [Juni] veröffentlicht werden und die Londons Möglichkeiten, auf Euro lautenden Clearinggeschäfte durchzuführen, beschneiden sollen. Jedoch wird es wohl Jahre dauern, das Euro-Clearing von London auf den Kontinent zu ziehen und es dort zu implementieren, zudem würde es destabilisierend wirken und die Kosten der Unternehmen in der Region in die Höhe treiben.

Aber wohin werden die Arbeitsplätze verlagert? Nach Frankfurt? Nach Paris? Nach Luxemburg? Nach Dublin? Nach Amsterdam? Nach Madrid? Nach Mailand (dessen eigener Finanzsektor am seidenen Faden hängt)?

Alle diese Städte sind zum Äußersten entschlossen, sich ein Stück vom Londoner Kuchen abzuschneiden. Angesichts der Tatsache, dass die Nähe zu den wichtigsten Orten der politischen, gerichtlichen und gesetzgebenden Macht wesentliche Wettbewerbsvorteile für große Finanzinstitute darstellt, ist Frankfurt wohl am ehesten als Londons rechtmäßiger Erbe geeignet. Hier sitzt bereits die EZB und die Stadt hat sich auch darum beworben, der künftige Sitz der European Banking Authority zu werden, die noch in London beheimatet ist.

Einigen Stimmen zufolge jedoch – darunter die von Xavier Rolet, dem Geschäftsführer der LSE – ist die Stadt, die aus Londons potenziellem Niedergang als Clearing-Zentrum den größten Vorteil ziehen wird, keine der oben genannten. Tatsächlich wird es sogar keine europäische Stadt sein. Anstatt ihre Arbeitskräfte en masse über den Ärmelkanal zu senden, sind die Banken viel eher dabei, ganze Abteilungen, eingeschlossen derer, die sich mit global ausgerichteten Aufgabenstellungen im Zusammenhang mit Fusionsberatungen, Handel, Backoffice-Technologie und Finanzen beschäftigen, über den Atlantik zu schicken, da sie von fast jeder Zeitzone aus operieren können.

„Es gibt in der EU kein einziges Zentrum, das die Infrastruktur oder die Verwaltungsinfrastruktur aufweist, um es mit London aufzunehmen“, besonders auf dem Kapitalmarkt, sagte John Nelson, Vorsitzender von Lloyd’s in London. „Es gibt nur eine Stadt auf der Welt, die das kann, und das ist New York.“

Quelle: WolfStreet.com, 02.05.2017, http://tinyurl.com/lkgearj

Kommentare

12. Oktober 2017, 23:41 Uhr, permalink

Andy He

Huhu, gibt es einen geeigneten Leser hier, der mir diesen Artikel ins allgemein deutsche Übersetzen kann, so das ihn auch ein Leser versteht, welcher nicht BWL, Jura, oder Finanzpolitik studiert hat, verstehen kann?
Sorry, verstehe hier nur Bahnhof

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