Was geschieht, wenn Exosomen auf eine Empfängerzelle treffen?
Das wissen wir nicht genau. Exosomen, die Membranproteine oder den Inhalt der Endosomen in andere Zellen schleusen, werden entweder vollständig von der Plasmamembran der Empfängerzelle umschlossen oder verschmelzen mit derselben (Abb. 3). Um eine physiologische Wirkung zu erzielen, müssen Exosomen andererseits nicht von den Zielzellen aufgenommen werden: Beispielsweise tragen follikuläre dendritische Zellen auf ihrer Zelloberfläche Exosomen mit sich herum. Dadurch sind sie in der Lage, Immunzellen zu aktivieren, mit denen sie zusammenwirken.12
Abb. 3: Aufnahme von Exosomen durch eine Empfängerzelle. Nach der Verschmelzung von multivesikulären Endosomen mit der Zelloberfläche werden die intraluminalen Vesikel als Exosomen freigesetzt. Um eine Wirkung in der Empfängerzelle zu entfalten, verschmelzen Exosomen entweder mit der Plasmamembran (a) oder werden durch Endozytose als Ganzes aufgenommen (b). In der Folge muss das Exosom an das Zytosol weitergeleitet werden, beispielsweise durch „Rückfusion“ (c). Alternativ dazu können sich Exosomen auch an die Oberfläche einer Empfängerzelle heften, um dort eine Signalwirkung zu entfalten (d).
Für den Austausch von extrazellulären Vesikeln zwischen Zellen wurden verschiedene Formen der Phagozytose und Endozytose beschrieben. Welcher Mechanismus im Einzelnen zum Tragen kommt, könnte von der Größe der Vesikel abhängen, die wiederum mit dem Inhalt zusammenhängt. Damit das Material von der Empfängerzelle aufgenommen werden kann, müssen die Exosomen mit der Wirtszelle verschmelzen. Diese Verschmelzung kann entweder unmittelbar mit der Plasmamembran erfolgen oder in einem „Rückfusions“-Schritt im Anschluss an die Aufnahme des Exosoms, bei dem ein endozytotisches Organell der Empfängerzelle zum Einsatz kommt.
Ob Exosomen nun mit den Empfängerzellen verschmelzen oder durch Interaktionen mit Proteinen der Zelloberfläche wirken (oder beides), ist eine grundlegende Fragestellung der Zellbiologie, über die wir mehr in Erfahrung bringen müssen, wenn wir die normalen physiologischen Funktionen von Exosomen besser verstehen wollen.
Welche biologischen Funktionen konnten nachgewiesen werden?
Es existieren zahlreiche Ansichten über die Aufgaben von Exosomen, doch am besten abgesichert sind die Funktionen im Zusammenhang mit der Immunantwort. In frühen Versuchen13konnte nachgewiesen werden, dass aus B-Lymphozyten isolierte Exosomen, die MHC-Moleküle enthalten, T-Lymphozyten in vitro aktivieren, was dafür spricht, dass die Exosomen auf die gleiche Weise mit T-Lymphozyten kommunizieren wie die B-Zellen, aus denen sie stammen. In einer späteren Arbeit dieser Forschergruppe konnte nachgewiesen werden, dass Exosomen aus dendritischen Zellen, die darauf spezialisiert sind, T-Lymphozyten während der Einleitung einer Immunreaktion zu aktivieren, die antitumorale Immunantwort bei Mäusen stärken konnten.14Dadurch wurde das Interesse an einer möglichen praktischen Anwendung geweckt.
Exosomen könnten jedoch auch in Zellen Funktionen erfüllen, die nicht an der Immunantwort beteiligt sind, da verschiedene Nicht-Immunzellen Exosomen sezernieren. Die einzige physiologische Rolle, die bis jetzt bei Zellen nachgewiesen wurde, die nicht zum Immunsystem gehören, betrifft Exosomen aus Keratinozyten. Es konnte gezeigt werden, dass sie die Melaninsynthese regulieren, indem sie die Expression und Aktivität von Proteinen innerhalb der Melanosomen erhöhen, die mit der Pigmentierung der Haut betraut sind.15
Wie beeinflussen Exosomen die Empfängerzellen?
Exosomen beliefern die Empfängerzellen nicht nur mit Proteinen und Fetten, sondern auch mit Messenger-RNA (mRNA) und Mikro-RNA (miRNA); In-Vitro-Experimente haben gezeigt, dass sich diese RNAs auf die Funktion der Empfängerzellen auswirken. So lassen sich Exosomen von Mäusen in menschliche Zellen einschleusen, die daraufhin die übertragene mRNA in Mausprotein übersetzen.16Mikro-RNAs, doppelsträngige RNA-Moleküle, die bestimmte mRNAs (und damit die Proteinsynthese) regulieren können, beeinflussen die Funktion der Empfängerzellen in ähnlicher Weise.
In der Krebsforschung ist die biologische Funktion der Exosomen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. So konnte nachgewiesen werden, dass Exosomen aus Brustkrebszelllinien im Vergleich zu gesunden Brustzelllinien einen erhöhten Anteil an Mikro-RNAs besitzen.17Im Vergleich zu Kontrollgruppen ist außerdem die Vesikelkonzentration im Blutserum bei manchen Krebspatienten erhöht. Ob es sich dabei um Exosomen oder andere extrazelluläre Vesikel handelt (oder um eine Mischung), ist allerdings noch nicht restlos geklärt – auf dieses immer wiederkehrende Problem der Exosomenforschung habe ich bereits hingewiesen.
Exosomen können also auch zur Entstehung von Krankheiten beitragen?
Ja, durchaus. Da sie mit der interzellulären Kommunikation betraut sind, tragen Exosomen mitunter auch zur Verbreitung schädlicher Informationen bei. Sie können nachweislich verschiedene Moleküle enthalten, die mit Krankheiten in Verbindung gebracht werden – nicht nur Mikro-RNA, wie das Krebsbeispiel illustriert hat. Hier sind bestimmte Proteine zu nennen, die bei neurodegenerativen Krankheiten eine Rolle spielen, beispielsweise Beta-Amyloid18bei Alzheimer, das Tau-Protein19(bei verschiedensten neurodegenerativen Erkrankungen), Prionen20(bei übertragbaren spongiformen Enzephalopathien), Alpha-Synuclein21(bei den sogenannten Synucleinopathien, zu denen Parkinson zählt), aber auch Superoxid-Dismutase-122 (bei der amyotrophen Lateralsklerose). Daher wird vermutet, dass Exosomen die Verbreitung neurodegenerativer Proteine unterstützen, auch wenn sich dieses Szenario für manche Inhalte deutlicher abzeichnet als für andere.
Man weiß noch immer wenig darüber, wie krankheitsauslösende Faktoren von einer Zelle in die andere gelangen, doch Exosomen wären ein mögliches Transportmittel. Dass bei Alzheimer exosomale Proteine wie Alix zusammen mit senilen Plaques auftreten, erhärtet die Vermutung, dass Exosomen bei der Verteilung eine Vermittlerrolle einnehmen. Unsere Hoffnung besteht darin, eine Methode zu entwickeln, mit deren Hilfe wir die Freisetzung und Verbreitung von Exosomen regulieren können, um wenigstens einen Teil der genannten Krankheiten zu bekämpfen – doch muss noch viel mehr über die biologischen Grundlagen in Erfahrung gebracht werden, bevor es so weit ist.
Ich bin schon völlig durcheinander: Wie wird festgelegt, was Exosomen enthalten?
Exosomen enthalten, was immer bei ihrer Entstehung (als intraluminale Vesikel) in sie hineinsortiert wird. Bei Membranproteinen geschieht dies mithilfe von Markierungen mit Ubiquitin, denn Ubiquitin ist die Voraussetzung dafür, dass die ESCRT-Maschinerie in Gang gesetzt wird und es zur Produktion von ESCRT-abhängigen intraluminalen Vesikeln kommt.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht bekannt, durch welchen Mechanismus zytosolische Moleküle angereichert werden. Vergleicht man beispielsweise die Menge an Mikro-RNAs in Exosomen und ihren Elternzellen, so wird deutlich, dass Mikro-RNAs nicht nach dem Zufallsprinzip von Exosomen aufgenommen, sondern offensichtlich angereichert werden. Trotzdem ist unklar, weshalb manche Mikro-RNAs stärker konzentriert sind als andere.
Weil es schwierig ist, Exosomen von anderen extrazellulären Vesikeln zu unterscheiden, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass einige der Inhalte, die angeblich in „Exosomen“ angereichert sind, in Wirklichkeit auf Kontamination durch andere Vesikel beruhen. Viele Forscher verhalten sich sehr pingelig, wenn es darum geht, die Etiketten „Exosomen“ und „extrazelluläre Vesikel“ korrekt zu gebrauchen, aber leider nicht alle. Dazu kommt, dass, wie ich weiter oben angemerkt habe, zytosolische Proteine wohl auch in Exosomenaufbereitungen angetroffen werden.
Kann man extrazelluläre Vesikel von Exosomen unterscheiden?
Diese interessante Frage erfordert eine komplexe Antwort. Im Idealfall lassen sich Zellkompartimente durch einen spezifischen biologischen Marker identifizieren. Dies ist zum Beispiel beim Golgi-Apparat, dem Zellkern oder den Mitochondrien der Fall, denn sie alle enthalten Proteine, die man in anderen Organellen nicht oder höchstens in viel geringerer Konzentration antrifft.
Ein Problem besteht darin, dass intraluminale Vesikel und damit Exosomen ein intermediäres Kompartiment darstellen, das sich in einem veränderlichen Organell befindet. Multivesikuläre Endosomen sind keine statischen Organellen, sondern in einem kontinuierlichen Reifeprozess begriffen. Dabei gewinnen sie bestimmte Proteine hinzu und verlieren andere. Einen Marker, der ausschließlich für Exosomen funktioniert, wird es nie geben, denn jede Fracht auf der Membran der intraluminalen Vesikel bzw. der Exosomen entstammt der Endosomenmembran, und alles, was in den Exosomen enthalten ist, kommt aus dem Zytosol. Eine bestimmte Fracht, die auf oder in intraluminalen Vesikeln bzw. Exosomen angereichert ist, kann auch an anderer Stelle vorhanden sein. CD63 könnte man als Pseudomarker für Exosomen ansehen. Mehrere derartige Tetraspanine treten in intraluminalen Vesikeln und Exosomen in erhöhter Konzentration auf, und meine Kollegen und ich haben nachgewiesen, dass CD63 für die ESCRT-unabhängige Bildung von ILV erforderlich ist.23
Kommentare
08. April 2022, 11:03 Uhr, permalink
Klaus Schönfeld
Nachdem ich mich in das Thema, danke für ihren Bericht, btw,
Sind exosome am "entgiften" von Zellen beteiligt.
Desweiteren sind sie, Nachdem von der Zelle freigesetzt als Warner für andere Zellen im Organismus unterwegs.
Sind sind Teil des Kommunikationsytem des Organismus. Es sind Botenstoffe die zeitnah dafür sorgen das eine genetische Anpassung auf veränderte Umweltbedingungen geschieht.
Eins sind sie nicht, Krankheiverbreiter.
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