Zusammenfassung
Exosomen sind extrazelluläre Vesikel, die vor 30 Jahren erstmals beschrieben wurden und seither nicht nur mit der Kommunikation zwischen Zellen und der Ausbreitung von Krankheiten im Körper in Verbindung gebracht, sondern auch als Hilfsmittel bei der Entwicklung von Medikamenten erforscht werden. Grundlegende Fragen über ihre biologische Bedeutung sind allerdings bis zum heutigen Tag unbeantwortet. In diesem Beitrag erörtere ich, was Exosomen sind, beleuchte die Schwierigkeiten, die mit ihrer Erforschung zusammenhängen, erkläre die aktuelle Definition und gehe einigen offenen Fragen der Exosomenbiologie nach.
Wie lautet die aktuelle Definition von Exosomen?
Das ist eine sehr gute Frage. Seit der Erstbeschreibung der Exosomen vor mehr als 30 Jahren wird der Begriff recht unpräzise für die unterschiedlichsten extrazellulären Vesikel verwendet. Dies führt zu Verwirrung und trägt zu der Skepsis bei, mit der sich die einschlägige Forschung zuweilen konfrontiert sieht. Exosomen fasst man am besten als extrazelluläre Vesikel auf, die von Zellen freigesetzt werden, sobald intermediäre endozytotische Kompartimente – die sogenannten multivesikulären Endosomen (MVE, auch als multivesikuläre Körperchen bezeichnet) – mit der Zellmembran verschmelzen. Dabei werden intraluminale Vesikel (ILV) in das extrazelluläre Milieu abgegeben. Diese freigesetzten Vesikel bezeichnen wir als Exosomen (Abb. 1).
Abb. 1: Exosomen entsprechen intraluminalen Vesikeln, die sich in multivesikulären Endosomen (MVE) befinden. Auf dieser mithilfe eines Transmissionselektronenmikroskops angefertigten Aufnahme einer durch Epstein-Barr-Viren transformierten B-Zelle kann man Exosomen erkennen, die soeben von der Plasmamembran nach außen abgegeben worden sind. Rechts unten im Bild befinden sich die MVE, die ihren Inhalt entweder an Lysosomen liefern, damit sie ihn abbauen oder mit der Plasmamembran verschmelzen, um die intraluminalen Vesikel als Exosomen freizusetzen (Pfeile im oberen Bildteil).
Es gibt auch noch andere extrazelluläre Vesikel, beispielsweise apoptotische Körperchen und Ektosomen. Diese stammen von absterbenden Zellen bzw. werden von der Plasmamembran abgeschnürt. Obwohl apoptotische Körperchen, Ektosomen und Exosomen so manche Gemeinsamkeit aufweisen (zum Beispiel enthalten sie alle ein „Schlückchen“ Zytoplasma), handelt es sich um verschiedene Vesikelklassen. Es ist sehr wichtig, die Unterschiede zwischen ihnen zu verstehen, doch werden sie allzu häufig vernachlässigt.
Wie hat man Exosomen entdeckt?
Bereits vor 50 Jahren wurden membranumhüllte Vesikel außerhalb von Zellen nachgewiesen. Damals nahm man jedoch an, dass es sich um Strukturen zur Beseitigung von zellulärem Abfall handelte, die sich von der Plasmamembran ablösen. 1983 konnten bei Untersuchungen über den Verlust des Eisentransportproteins Transferrin Strukturen nachgewiesen werden, die wir heute als Exosomen bezeichnen.1 Indem man den Weg von mit kolloidalem Gold markiertem Transferrin durch das Endomembransystem verfolgte, konnte aufgezeigt werden, dass intraluminale Vesikel, die in multivesikulären Endosomen entstehen, mit der Plasmamembran verschmelzen2 und in den extrazellulären Raum freigesetzt werden; allerdings wurde der Begriff „Exosom“ für diese Vesikel erst 1987 geprägt.3
Doch wurden die Exosomen kaum beachtet, übergangen und – nicht zum ersten Mal – als Mechanismus zur Beseitigung von Abfall abgetan. Erst im vergangenen Jahrzehnt ist das Interesse an Exosomen explodiert – in diesem Zeitraum hat sich die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen nahezu verzehnfacht (von 115 Publikationen im Jahr 2006 auf 1.010 im Jahr 2015).
Worauf beruht das gesteigerte Interesse an Exosomen?
Dafür gibt es mindestens drei Gründe. Erstens wird angenommen, dass Exosomen für die interzelluläre Kommunikation und den Austausch von Makromolekülen zwischen Zellen von Bedeutung sind. Zweitens: Im vergangenen Jahrzehnt wurden Exosomen mit der Verteilung von Proteinen, Lipiden, mRNA, Mikro-RNA und DNA im Körper in Verbindung gebracht und als Faktor erkannt, der die Entwicklung verschiedener Krankheiten beeinflusst. Drittens: Exosomen wurden als zweckmäßiges Transportvehikel für Medikamente ins Spiel gebracht, weil sie nicht aus synthetischen Polymeren, sondern aus Membranmaterial bestehen und deshalb vom Empfänger besser vertragen werden. Exosomentherapien werden mittlerweile in klinischen Studien zur Behandlung von Krebs erforscht. In aktuellen Studien wird berichtet, dass für die Behandlung von krebskranken Mäusen mit Taxol ein Fünfzigstel der herkömmlichen Dosis ausreicht, wenn das Zytostatikum innerhalb von Exosomen verabreicht wird – mit dem zusätzlichen Vorteil, dass die Vesikel keine Abwehrreaktion auslösen.4
Trotz 20-jähriger Bemühungen steckt die Erforschung der Grundlagen der Exosomenbiologie noch in den Kinderschuhen, sodass wir nach wie vor nur wenig über die Funktion der Vesikel in gesunden Körperzellen wissen.
Wissen wir, wie sich Exosomen bilden?
Ja und nein. Wir wissen, dass sie im Inneren von Endosomen als intraluminale Vesikel entstehen. Aber hier muss vorangestellt werden, dass sich nicht alle intraluminalen Vesikel zu Exosomen entwickeln und dass der Bildungsmechanismus noch nicht zur Gänze geklärt ist. Bei üblichen Abschnürungsvorgängen wird die Membran eines Organells in das Zytoplasma ausgestülpt, bei der Bildung von intraluminalen Vesikeln stülpt sich die Membran in das Endosom hinein, also weg vom Zytoplasma. Eine derart ungewöhnliche Abschnürung ist auf einen speziellen Mechanismus angewiesen; die Methode ist übrigens nicht auf die Bildung der Exosomen-Vorläufer beschränkt, sondern findet auch während der Einknospung von behüllten Viren aus dem Zytosol und während der Zellteilung statt.5
Intraluminale Vesikel, die späteren Exosomen also, können durch mindestens zwei Mechanismen gebildet werden: der eine ist auf die sogenannte ESCRT-Maschinerie (Endosomal Sorting Complexes Required for Transport) angewiesen, der andere ist ESCRT-unabhängig (Abb. 2).
Wovon hängt das Schicksal der intraluminalen Vesikel ab?
Die weitere Entwicklung der intraluminalen Vesikel hängt vom Schicksal der multivesikulären Endosomen ab, in denen sie sich befinden. Verwirrenderweise gibt es zusätzlich zu den verschiedenen Arten von intraluminalen Vesikeln auch unterschiedliche multivesikuläre Endosomen,6 und wovon das Schicksal dieser Endosomen abhängt, ist eine interessante Frage. Multivesikulären (also späten bzw. reifen) Endosomen stehen mehrere Möglichkeiten offen (Abb. 2): Sie verschmelzen entweder mit Lysosomen (wo ihr Inhalt abgebaut und wiederverwertet wird) oder mit der Plasmamembran (wo die intraluminalen Vesikel als Exosomen freigesetzt werden), wie ich bereits erwähnt habe. Darüber hinaus können sie auch zur Bildung von spezialisierten Organellen beitragen. Für die Entscheidung, welcher Weg eingeschlagen wird, scheint die Cholesterinkonzentration in der Membran der multivesikulären Endosomen eine Rolle zu spielen.7
Welcher Mechanismus darüber entscheidet, ob ein intraluminales Vesikel als Exosom freigesetzt wird oder nicht, bleibt vorerst ein Rätsel.
Setzen alle Zellen Exosomen frei?
Da nicht alle Zellen über ein Endomembransystem verfügen, lautet die Antwort auf diese Frage: Nein. Die meisten Zellen von Säugetieren besitzen allerdings Endomembranen und sind deshalb fähig, intraluminale Vesikel innerhalb von multivesikulären Endosomen zu erzeugen. Für die meisten Zelltypen gilt jedoch, dass über die Freisetzung von Exosomen herzlich wenig bekannt ist.
Abb. 2: Intraluminale Vesikel entstehen durch Einstülpungen der Endosomenmembran (oben links). Späte Endosomen, die in ihrem Lumen intraluminale Vesikel akkumulieren, haben drei Optionen: Sie können ihren Inhalt für die Biogenese von spezialisierten Organellen, die mit Lysosomen verwandt sind, zur Verfügung stellen, sie können mit Lysosomen verschmelzen oder aber mit der Plasmamembran, wo die nach außen freigesetzten intraluminalen Vesikel nun als „Exosomen" bezeichnet werden.
Einige Zellen, beispielsweise Immunzellen wie B-Lymphozyten, dendritische Zellen und Mastzellen, scheinen grundsätzlich Exosomen freizusetzen – deshalb ist es keine Überraschung, dass die meisten Informationen, die wir über diese extrazellulären Vesikel besitzen, von Immunzellen stammen. Abgesehen davon, dass Immunzellen eigenständig Exosomen sezernieren, können sie auch durch zelluläre Interaktionen zur Freisetzung animiert werden. Im Grunde genommen können alle Interaktionen zwischen Lymphozyten mit der Freisetzung von Exosomen einhergehen. Menschliche T-Lymphozyten (darunter primäre T-Zellen aus dem Blut, T-Zell-Klone und Jurkat-Zelllinien) geben Exosomen ab, sobald ihre Antigenrezeptoren aktiviert werden.8 B-Lymphozyten wiederum setzen mehr Exosomen frei, wenn sie auf antigenspezifische T-Helferzellen treffen.9
Andere Zelltypen können mithilfe von Calcium-Ionophoren oder anderen Stimuli10,11dazu veranlasst werden, Exosomen zu sezernieren. In welchem Ausmaß Nicht-Immunzellen im Rahmen ihrer normalen physiologischen Funktionen Exosomen abgeben, ist allerdings so gut wie nicht bekannt.
Kommentare
08. April 2022, 11:03 Uhr, permalink
Klaus Schönfeld
Nachdem ich mich in das Thema, danke für ihren Bericht, btw,
Sind exosome am "entgiften" von Zellen beteiligt.
Desweiteren sind sie, Nachdem von der Zelle freigesetzt als Warner für andere Zellen im Organismus unterwegs.
Sind sind Teil des Kommunikationsytem des Organismus. Es sind Botenstoffe die zeitnah dafür sorgen das eine genetische Anpassung auf veränderte Umweltbedingungen geschieht.
Eins sind sie nicht, Krankheiverbreiter.
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