Seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte haben sich Medizinmänner und Ärzte den Kopf über die Ursachen von Krankheiten zerbrochen und sich insbesondere gefragt, was es mit der sogenannten Ansteckung auf sich hat. Viele Menschen entwickeln jeweils zur gleichen Zeit ähnliche Krankheitssymptome. Sind zornige Götter oder böse Geister für solche Ausbrüche verantwortlich? Atmosphärische Störungen? Ein Miasma? Stecken wir uns bei anderen Menschen an oder liegt es an anderen äußeren Einflüssen?
Als nach der Erfindung des Mikroskops in den 1670er-Jahren die Bakterien entdeckt wurden, hatten die Ärzte neue Kandidaten, denen sie die Schuld in die Schuhe schieben konnten: winzige Einzeller, die durch Kontakt und Atemluft von einem Menschen auf den anderen übertragen werden konnten. Aber erst zwei Jahrhunderte später sollte sich die Keimtheorie der Krankheitsentstehung wirklich etablieren, nämlich als der berühmte Wissenschaftler Louis Pasteur die Bühne betrat.
Die Keimtheorie
Es dauerte viele Jahrzehnte, bis Ernährungsdefizite als Ursache für Krankheiten wie Skorbut, Pellagra oder Beriberi anerkannt wurden, da die Keimtheorie als Erklärung für alles herhalten musste, was die menschliche Gesundheit beeinträchtigte. Robert R. Williams, einer der Entdecker von Thiamin (Vitamin B1), klagte:
„Allen diesen jungen Ärzten wurde die Vorstellung von Infektion als Krankheitsursache so tief eingepflanzt, dass sie fast axiomatisch davon ausgehen, dass Krankheit gar keine andere Ursache [als Mikroben] haben kann. Der voreingenommenen Einstellung der Ärzte hinsichtlich Infektion als Krankheitsursache ist es zweifellos zuzuschreiben, dass die Ernährung als kausale Ursache für Beriberi überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde.“1
Während der Spanischen Grippe von 1918, dem tödlichsten Beispiel für angebliche Ansteckung in der jüngsten Geschichte, hatten die Ärzte Mühe zu erklären, wie sich die Krankheit weltweit ausbreiten konnte. Circa 500 Millionen Menschen – etwa ein Drittel der Weltbevölkerung – erkrankten, und zwischen 20 und 50 Millionen Menschen starben. Die Krankheit, die spontan in verschiedenen Teilen der Welt aufzutreten schien, befiel auch junge und gesunde Menschen, darunter viele amerikanische Soldaten. Um der Ansteckung ein Ende zu setzen, schlossen einige Gemeinden Schulen, Geschäfte und Theater. Die Menschen mussten Masken tragen und durften sich nicht mehr die Hand schütteln.
Doch war die Krankheit wirklich ansteckend? Die Gesundheitsbehörden jener Zeit gingen davon aus, dass ein Mikroorganismus namens Pfeiffer-Bazillus die Spanische Grippe auslöste, und sie wollten herausfinden, wie sich dieser Organismus so rasch ausbreiten konnte. Zu diesem Zweck versuchten Ärzte des amerikanischen Gesundheitsdienstes 100 freiwillige Probanden im Alter zwischen 18 und 25 Jahren durch schleimige Absonderungen zu infizieren, die sie aus Nase, Rachen und oberen Atemwegen von Erkrankten entnommen hatten.2 Sie führten diese Sekrete den Probanden in Nase, Mund und Lungen ein, doch keiner erkrankte. Sie injizierten den Probanden Blut von Erkrankten, doch diese blieben hartnäckig gesund. Zu guter Letzt wiesen sie die Erkrankten an, die gesunden Probanden anzuatmen und anzuhusten, mit dem gleichen Ergebnis: Die Spanische Grippe war nicht ansteckend und die Ärzte konnten sie nicht dem verdächtigten Bakterium anlasten.
Pasteur glaubte, dass der menschliche Körper steril sei und nur dann erkranke, wenn Bakterien in ihn eindringen – eine Sichtweise, die die medizinische Praxis seit über einem Jahrhundert dominiert. Doch seit einigen Jahren erleben wir eine vollständige Umkehr des herrschenden medizinischen Paradigmas, wonach Bakterien uns angreifen und krank machen. Wir haben gelernt, dass der Verdauungstrakt eines gesunden Menschen über 2,5 Kilogramm Bakterien enthält, die viele nützliche Aufgaben erfüllen – sie schützen uns vor Toxinen, unterstützen das Immunsystem, helfen uns bei der Verdauung unserer Nahrung, bilden Vitamine und produzieren „Wohlfühlchemikalien“. Bakterien, die die Haut überziehen und den Vaginaltrakt auskleiden, dienen ebenfalls unserem Schutz.
Die Erfindung der Viren
Die entsprechenden Entdeckungen lassen viele aktuelle medizinische Praktiken – von Antibiotika bis Händewaschen – fragwürdig erscheinen. Tatsächlich werden die Forscher immer frustrierter, wenn sie zu beweisen versuchen, dass Bakterien uns krank machen können – außer vielleicht als Cofaktoren unter extrem unnatürlichen Bedingungen.
Doch schließlich betraten Viren die Bühne: Louis Pasteur fand kein Bakterium, das Tollwut verursachen konnte, also stellte er Spekulationen über ein Pathogen an, das zu winzig war, um mikroskopisch entdeckt werden zu können.
Erst nach der Erfindung des Elektronenmikroskops im Jahr 1931 konnten diese winzigen Partikel – von einem Tausendstel der Größe einer Zelle – zum ersten Mal bildlich erfasst werden. Diese Viren – abgeleitet von dem lateinischen Wortvirusfür „Gift“ – wurden sofort als gefährliche „infektiöse Erreger“ abgestempelt.
Ein Virus ist kein lebender Organismus, der sich eigenständig vermehren kann: Er besteht lediglich aus einer Ansammlung von Proteinen und DNA- oder RNA-Schnipseln, die von einer Membran umschlossen werden. Da man Viren in lebenden Zellen und deren Umgebung feststellte, gingen die Forscher davon aus, dass sich Viren nur innerhalb von lebenden Zellen eines Organismus vermehren können. Nach gängiger Meinung können diese allgegenwärtigen Viren „alle Arten von Lebensformen infizieren, von Tieren und Pflanzen bis hin zu Mikroorganismen wie Bakterien und Archaeen“.3
Kommentar schreiben