Wer sich heute vegan ernähren möchte, hat es leicht wie nie zuvor: Onlineshops, Bio-Discounter, Reformhäuser und selbst normale Supermärkte bieten tierfreie Produkte aus allen Ecken der Welt an. Sollen Spargel, Senf und Walnuss noch dazu aus der Region kommen, gestaltet sich der Einkauf schon kniffeliger, doch auch hier schaffen Bauernlädchen und Wochenmärkte Abhilfe. Immer mehr naturverbundenen Menschen reicht aber auch das noch nicht: Sie möchten essen, was gerade jetzt in Wald, Garten und Wiese vor der Haustür wächst – im Frühjahr, Sommer und Herbst schon eine große Herausforderung für den unbedarften Homo aldiensis, im Winter aber sein sicherer Hungertod.
Damit niemand sterben muss, und obendrein bei Bodenfrost den Spaß und Appetit an einer pflanzlichen, dezentralen und jahreszeitlichen Ernährungsweise nicht verliert, gibt es Lisa Pfleger. Die Selbstversorgerin hat sich mit ihrem Kochbuch einen Jugendtraum verwirklicht und gleichzeitig eine Lücke in der Küchenliteratur geschlossen. Nach einer 20-seitigen Vorspeise aus Grundlagen, Erklärungen und Praxistipps frühstückt sich die Autorin in vier Buchteilen durch die Jahreszeiten – jeweils mit den Unterkapiteln „Suppen und Salate“, „Hauptgerichte“, „Brotzeit und Snacks“ und „Süßes“ – und endet mit einem kleinen Dessert aus Bezugsquellen und Literaturtipps für all jene, die woanders weiteressen möchten.
Meine Erfahrungen mit Pflegers Buch: insgesamt lecker und praktisch. Einige Rezepte sind verbesserungswürdig, hie und da ist ein bisschen Herumprobiererei gefragt, doch wer wie ich ohnehin am liebsten frei Schnauze kocht, wird damit keine Probleme haben.
Eines kommt mir in Pflegers Erstling allerdings zu kurz: Hinweise auf ernährungsphysiologische bzw. gesundheitliche Aspekte ihrer Gerichte und Zutaten. Wenn ich Halbblutkombüsianer im Rezept lese, ich solle mein Lieblingsöl verwenden, dann weiß ich, dass beim Backen, Braten und Kochen mein gutes kaltgepresstes Hanf- oder Leinöl nicht gemeint sein kann. Nur: Gerade Küchennovizen wissen das mitunter nicht – derartige Tauchgänge in die esoterischen Aspekte des Essenmachens sind im Buch leider rar gesät.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Mehl. Pfleger schreibt:
„Einige meiner Rezepte mit Teigen mögen nicht gerade gesund anmuten, weil ich fast immer weißes Mehl verwende. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich mit Vollkorn selbst noch experimentiere.“
Da ich kein weißes Mehl, ja, am liebsten nicht einmal irgendein Getreidemehl verwende, bleibt mir also –wie im Umgang mit den meisten Kochbüchern –nur der Selbstversuch. Löblich ist hier immerhin, dass die Autorin ihre Leser explizit ermutigt, auch links und rechts der üblichen Getreidesorten mit Buchweizen, Maisgrieß oder Emmer zu spielen und arbeiten.
Was gäbe es noch zu mäkeln? Ach, ich muss gestehen: Meine Ansprüche an Kochbücher sind ungewöhnlich hoch. Dennoch fällt es mir schwer, Pflegers Werk zu zerreden, denn die Autorin weist an mehreren Stellen in angenehm ehrlichem Ton daraufhin, dass auch für sie die Lernphase lange nicht abgeschlossen ist; dass sie dem Leser mit Inspirationen dienen will, nicht mit Diktaten; mit praktischen, alltagstauglichen, einfachen und leicht modifizierbaren Gerichten statt mit extravaganter Haute cuisine– und das ist ihr gelungen.
Unterm Strich hält Pflegers Buch, was es verspricht: Wer vegan, regional und saisonal speisen möchte, findet in ihrem Werk alle nötigen Informationen und viele Anstöße, um sofort loszulegen. Wer mehr will, muss wohl selbst zur Schreibmaschine greifen.
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