Wissenschaftliche Untersuchung des „Schädels der Verdammnis“
1936 untersuchten der bedeutende Anthropologe G. M. Morant und Adrian Digby, zukünftiger Direktor der Ethnologischen Abteilung im Britischen Museum, den Mitchell-Hedges-Schädel und stellten fest, dass er kein Erzeugnis moderner Handwerkskunst ist. Digby schrieb:
„[…] In keinem Fall [sie hatten auch den Schädel des Britischen Museums untersucht] gibt es eindeutig identifizierbare Werkzeugspuren, und ganz sicher wurde keines der Exemplare mit stählernen Werkzeugen hergestellt. An den Zähnen finden sich keine Spuren von den Werkzeugen eines Edelsteinschleifers, die eines oder auch beide Exemplare als verhältnismäßig neueren Ursprungs entlarven würden.“
In ihrem Artikel im Magazin Man (Vol. 36, Juli 1936) erläuterten sie, der abnehmbare Unterkiefer müsse seinen Schöpfer – wer auch immer er gewesen sein mag – viele hundert, wenn nicht tausende zusätzliche Arbeitsstunden gekostet haben und es müsse daher einen guten Grund dafür gegeben haben, dass der Unterkiefer abgenommen werden kann – abgesehen von ausschließlich künstlerischen Beweggründen.
1964 lieh Anna „Sammy“ Mitchell-Hedges, die Adoptivtochter des Abenteurers und Hüterin des „Schädels der Verdammnis“, den Schädel den bekannten Kunstexperten und Restauratoren Frank und Mabel Dorland. Dorland begann seine Analyse mit Photos aus verschiedenen Winkeln. Er benutzte auch ein Binokularmikroskop, um ein dreidimensionales Abbild des Schädels zu erhalten.
Während dieser wissenschaftlichen Untersuchung schien der Schädel auch eine magische Seite zu offenbaren. Eines Abends beendete Dorland seine Arbeit so spät, dass er den Schädel nicht mehr in den Tresor der Mill Valley Bank zurückbringen konnte. Deshalb nahm er ihn kurzerhand mit nach Hause und stellte ihn in der Nähe des Kamins ab, in dem er an diesem Abend Feuer gemacht hatte. Da sah er, wie das Licht des Feuers durch die Augen des Schädels gebrochen wurde und merkte dadurch, dass mit dem Schädel verschiedene optische Effekte erzielt werden konnten – auch wenn andere Geschichten behaupten, dass das Haus den ganzen Abend lang von Poltergeistern heimgesucht worden sei.
Dorland fand heraus, dass die optischen Effekte durch den Schliff des Schädels zustande kamen, was ihn noch mehr über die enorme Präzision der Arbeit lernen ließ. Er stellte fest, dass es oben auf dem Schädel eine Art „Beschichtung“ gab, durch die sich der Schädel wie eine Lupe verhielt. Die Rückseite des Schädels leitete das Licht durch die Augenhöhlen. Während man von hinten nicht sehen konnte, was passierte, bot sich dem Betrachter, der vor dem Schädel stand, eine spektakuläre Reihe von Bildern, die scheinbar aus dem Inneren des Schädels kamen.
Schließlich fand Dorland zwei Löcher unten am Schädel, die man nicht sehen kann, wenn der Schädel aufrecht steht. Die Löcher können benutzt werden, um den Schädel zu bewegen, ohne dass er nach vorne kippt. Gemeinsam mit dem abnehmbaren Unterkiefer war dies ein weiterer Hinweis darauf, dass dieser Schädel nicht einfach nur ein Ausstellungsstück war, sondern dass er dazu geschaffen worden war, um ganz bestimmte Dinge zu tun: Nämlich ihn zu bewegen, wenn nicht gar mit Hilfe des abnehmbaren Unterkiefers die Illusion zu erzeugen, dass er spricht, und dem vor ihm stehenden Betrachter bestimmte Bilder zu zeigen.
Im Dezember 1970 brachte Dorland den Schädel in die Labors von Hewlett-Packard in Santa Clara (Kalifornien), eines der damals weltweit am besten ausgerüsteten Zentren für Computer und Elektronik. Die Labortechniker waren Spezialisten für die Herstellung von Präzisionskristallen, die in High-Tech-Geräten eingesetzt wurden. Sie waren also geradezu perfekt dazu geeignet herauszufinden, wie der Schädel hergestellt worden sein konnte.
Ein Test ergab, dass der Schädel aus einem einzigen Kristall bestand und dass der abnehmbare Unterkiefer aus demselben Stück stammte. Die Labortechniker gaben zu, dass sie mit all den technischen Möglichkeiten, die ihnen 1970 zur Verfügung standen, nicht in der Lage waren, einen solchen Schädel herzustellen. Ihre Untersuchung zeigte, dass der Schädel mit drei verschiedenen Handwerkstechniken hergestellt worden war, und daher vermuteten sie, dass die Arbeit an dem Schädel drei Generationen gedauert haben könnte, also circa 60 bis 70 Jahre – etwa die Hälfte der Zeit, die Mitchell-Hedges veranschlagt hatte; 70 Jahre gegenüber 150 Jahre, das ist immer noch ein kleiner Unterschied.
Es war sehr unwahrscheinlich, dass drei Generationen tagein, tagaus an einem einzigen Schädel gearbeitet haben sollen, daher nahm man an, dass der Schädel mit „unbekannter Technologie“ hergestellt worden war, was schnell dahingehend interpretiert wurde, dass diese Technologie außerirdischen Ursprungs sei oder von einer noch früheren, der unseren technisch überlegenen Zivilisation stamme, die schnell mit Atlantis in Verbindung gebracht wurde. Genau das hatte Mitchell-Hedges schon immer behauptet: Nämlich dass dieser Schädel ein physischer Beweis für eine untergegangene, fortschrittliche Kultur sei.
Larry LaBarre war einer der Tester bei Hewlett-Packard. Zehn Jahre nach den Tests von 1970 fügte er seinen vorhergehenden Beobachtungen hinzu, dass der Kristall mit neun von zehn Punkten auf der Mohs-Härte-Skala sehr hart ist, sodass er eigentlich nur mit Diamanten geschliffen werden kann. Darüber hinaus bestand der Kristall, obwohl aus einem einzigen Stück, aus drei bis vier Wachstumsphasen, die alle unterschiedliche Achsen hatten. Es wäre sehr schwer gewesen, ihn zu schleifen, da der Kristall zerbrechen kann, wenn man beim Schleifen auf eine neue Achse trifft und nicht äußerst vorsichtig dabei vorgeht. (Das ist ein Grund, weshalb größere Diamanten wertvoller sind. Nicht nur die Größe des Steins allein, sondern auch die dafür nötige Kunstfertigkeit bestimmen den Preis.)
Als Ursprungsort des Kristalls nahm LaBarre Calaveras County in Kalifornien an. Allerdings hält der Edelsteinexperte Allan Jobbins, der die Schädel für die Sendung „Arthur C. Clarke’s Mysterious World“ untersuchte, Brasilien für den wahrscheinlicheren Ursprungsort des Kristalls.
Von Visionen und den Symbolen der Maya
In den vergangenen Jahren gab es heftige Diskussionen rund um die Entstehung der Schädel. Da bei keinem von ihnen die Herkunft geklärt ist, müssen gewisse Fragen gestellt werden. Falls es sich wirklich um archäologische Schätze handelt, besteht ein größeres Problem darin, ihren ursprünglichen Zweck einwandfrei festzustellen. Tatsächlich versagten die Archäologen den Kristallschädeln ihre Aufmerksamkeit, und deshalb wurde die entstandene Lücke von vielen Leuten genutzt, um eigene Vermutungen anzustellen, von denen einige mehr und andere weniger obskur sind.
Wie oben bereits erwähnt, glaubte Mitchell-Hedges, wenn ein Maya-Priester den „Schädel der Verdammnis“ in Händen hielt und jemanden in Gedanken tötete, diese Person tatsächlich sterben würde. Er glaubte auch, dass ebenso all jene sterben würden, die nicht an die Macht des Schädels glaubten. Anna Mitchell-Hedges sagte, dass der Schädel zu ihr „gesprochen“ habe.
In letzter Zeit haben viele Leute die Schädel zum Wahrsagen oder für Visualisierungsmeditationen benutzt. Viele berichteten von Visionen mit Szenen aus antiken oder fremden Zivilisationen, wobei sich die beschriebenen Szenen jedoch stark unterschieden. Einige gaben an, Szenen aus der Geschichte der Maya gesehen zu haben, während andere berichteten, dass sie etwas über Atlantis erfahren hätten.
Solche Erscheinungen könnten tatsächlich am technischen Geschick der oder des Schöpfers der Kristallschädel liegen. Frank Dorland erwähnte zwei Prismen im Kristall. Er behauptete, dass der Künstler diese zwei Prismen genau berechnet habe und dass der Schädel daher perfekt dazu geeignet sei, als Orakel zu fungieren. Er machte eine Reihe Aufnahmen vom Inneren des Schädels, mit denen er die verschiedenen „Visionen“ festhalten konnte, die andere gehabt hatten. Auf einigen Bildern entdeckte er Pyramiden ohne Spitze, auf anderen etwas, das dem amerikanischen Capitol ähnelte, das mit dem Caracol in Chichén Itzà ein altertümliches Gegenstück hat. Auf anderen Bildern erschienen kleine Schädel. Dorland fügte hinzu, dass man diese Bilder nur sehen könne, wenn man durch die rechte Augenhöhle blicke, aber nicht, wenn man durch die linke Augenhöhle sehe.
So interessant diese Informationen auch sein mögen – sie sind kein handfester Beweis für den tatsächlichen Zweck des Kristallschädels. Dafür benötigen wir zunächst einen eindeutigen Referenzrahmen – und das kann nur die Kultur der Maya sein, die nur 400 Jahre vor der Entdeckung der Kristallschädel in Mexiko existierte.
Eine These kam von dem amerikanischen Archäologen Professor Sylvanus G. Morley, der behauptete, dass der Schädel in der Welt der Maya ein Symbol für die Zahl 10 gewesen sei:
„Die Kopfvariante für die 10 ist der Kopf des Todes, der Schädel, und um auch die Kopfvarianten für die Zahlen 14 bis einschließlich 19 darstellen zu können, stand der fleischlose Unterkiefer des Totenschädels in den zusammengesetzten Köpfen, die die sechs höheren Zahlen repräsentierten, für den Wert 10.“
Obwohl auch dieser Vorschlag interessant ist, bringt er uns dem tatsächlichen Zweck der Kristallschädel keinen Schritt näher. Allerdings zeigt er, dass der Schädel als Symbol in der Welt der Maya tatsächlich wichtig war. Überall im alten Maya-Königreich finden sich steinerne Schädel. Einer dieser Schädel steht am Tempel der Inschriften in Palenque und ein anderer in Tikal. Beide Schädel sind ans Ende von langen Treppen eingemeißelt, die in einen Raum führen, der vermutlich ein Heiligtum waren. Einen weiteren steinernen Schädel gibt es am Eingang zur Höhle unter der Sonnenpyramide in Teotihuacàn. Aber die meisten Schädel finden sich auf den Tzompantli („Schädelgerüst“, „Platz der Schädel“), von denen einer der berühmtesten sich in Chichén Itzà befindet.
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