Twilight Zone: Erzskeptiker wird Zeuge einer paranormalen Begebenheit

Ein Perspektivenwechsel

Bei seinem Vortrag im Rahmen der TED-Konferenz [TED = Technology, Entertainment, Design; Anm. d. Übers.] 2006 erlebt man einen sehr skeptischen und fast herablassenden Michael Shermer. Obwohl er sich die meiste Zeit über „seltsame“ Theorien lustig macht, trifft er doch einige gute Aussagen über unsere selektive Wahrnehmung und wie sich daraus unsere Überzeugungen formen.

Vom Standpunkt eines neutralen Beobachters aus ist es dennochinteressant, einen gegenüber gewissen Themen offensichtlich voreingenommenen Redner zu hören, der die Voreingenommenheit anderer anprangert und auf diese Weise zu erklären versucht, warum sie an sonderbare Dinge glauben. Shermer zieht beispielsweise über Themen wie UFOs und Außerirdische her und behauptet: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie nicht real sind.“ Er macht das – wie einige Skeptiker –auf eine Weise, bei der er durch geschickte Rhetorik von den Belegen ablenkt und sich auf die abstruseren Behauptungen beruft, um das gesamte Phänomen in Zweifel zu ziehen. Möglicherweise hat er noch nie einen Blick auf die reichlich vorhandenen Beweise zum Thema geworfen – einschließlich freigegebener Regierungsdokumente.

Wie dem auch sei, entscheidend ist hier, dass es in jedem Fall wichtig ist, sich der wissenschaftlichen Methode zu bedienen, wenn man sich weiterentwickeln und eine Idee validieren will. Dazu ist es sicher förderlich, seine Voreingenommenheit beiseite zu lassen, und ebenso den Usus, seine eigene Ansichten zu belegen, indem man die obskursten Beispiele einer Theorie aufs Korn nimmt.

Es ist gut, skeptisch zu sein; ein echter Skeptiker ist jedoch nicht engstirning, sondern offen für neue Ideen. Er hinterfragt und erforscht diese, ohne sie einfach zu glauben.

Shermers Rede machte mir deutlich, warum so viele Skeptiker derart energisch für ihre Überzeugungen eintreten und sich anderen gegenüber überlegen fühlen, wenn diese ihre Meinungen nicht teilen. Es scheint sich geradezu um einen „Skeptikerkult“ zu handeln.

Doch angesichts seiner jüngsten Erfahrung könnte Shermer nun vielleicht einige der ungewöhnlichen Behauptungen, mit denen er sich während seiner Karriere konfrontiert sah, mit völlig anderen Augen betrachten.

Shermers paranormales Erlebnis

Hier ist Michael Shermers Geschichte, die er in einem Artikel mit dem Titel „Infrequencies“ festgehalten hat, der am 16. September 2014 auch im Scientific American veröffentlicht wurde:

„Der Vorfall ereignete sich am 25. Juni 2014. An diesem Tag heiratete ich Jennifer Graf aus Köln. Sie war von ihrer Mutter großgezogen worden; ihr Großvater, Walter, war die engste Vaterfigur, die sie als Heranwachsende hatte, doch er starb, als sie 16 war.

Vor der Hochzeit sandte sie ihre Habseligkeiten zu mir nach Hause; die meisten Kisten wurden beschädigt und einige wertvolle Erbstücke gingen verloren, darunter das Fernglas ihres Großvaters. Sein Transistorradio ‚Blues 070‘ von Philips, Baujahr 1978, kam aber unbeschadet an und so machte ich mich daran, es nach Jahrzehnten des Schweigens wiederzubeleben. Ich legte neue Batterien ein und öffnete das Gehäuse, um zu sehen, ob irgendwelche losen Drähte zu löten waren. Ich probierte es sogar mit der ‚Erschütterungstechnik‘, die bei derartigen Geräten funktionieren soll – und knallte es auf eine harte Oberfläche. Stille. Wir gaben auf und verstauten es ganz hinten in einer Schreibtischschublade in unserem Schlafzimmer.

Drei Monate später, nachdem wir unsere Heiratsurkunde im Amtsgericht von Beverly Hills unterzeichnet hatten, kehrten wir heim, gaben uns in Anwesenheit meiner Familie das Jawort und tauschten die Ringe. Doch 9.000 Kilometer von ihrer Familie, ihren Freunden und ihrer Heimat entfernt fühlte sich Jennifer einsam und fehl am Platz. Sie wünschte sich, ihr Großvater wäre zur Brautübergabe dagewesen. Sie flüsterte mir zu, dass sie mich unter vier Augen sprechen wollte, also entschuldigten wir uns und begaben uns ans andere Ende des Hauses, wo wir Musik aus dem Schlafzimmer hörten. Wir haben dort keine Musikanlage, also suchten wir nach Laptops und Smartphones und öffneten sogar die Hintertür, um zu überprüfen, ob die Musik vom Nachbarn kam. Wir verfolgten das Geräusch bis zum Drucker, der auf dem Schreibtisch stand, und fragten uns – absurderweise –, ob dieses Drucker-Scanner-Fax-Multifunktionsgerät auch ein integriertes Radio hätte. Natürlich nicht.

In diesem Moment warf mir Jennifer einen Blick zu, den ich zuletzt in den Gesichtern der aufgerüttelten Kinobesucher des übernatürlichen Thrillers ‚Der Exorzist‘ gesehen hatte. ‚Es kann nicht das sein, was ich denke – oder doch?‘, sagte sie. Sie öffnete die Schreibtischschublade und holte das Transistorradio ihres Großvaters hervor, dem ein romantisches Liebeslied entströmte. Wir saßen minutenlang sprachlos da. ‚Mein Großvater ist hier bei uns‘, sagte Jennifer unter Tränen. ‚Ich bin nicht allein.‘

Kurz darauf kehrten wir mit laufendem Radio zu unseren Gästen zurück und ich erzählte ihnen die Vorgeschichte. Meine Tochter Devin, die erst kurz vor Beginn der Zeremonie aus ihrem Schlafzimmer gekommen war, fügte hinzu: ‚Ich habe die Musik aus eurem Zimmer kommen hören, als ihr gerade anfangen wolltet.‘ Seltsam ist, dass wir uns nur wenige Minuten zuvor dort aufgehalten hatten, um uns fertig zu machen –ohne Musik.

Später in jener Nacht schliefen wir zum Klang klassischer Musik aus Walters Radio ein. Passenderweise funktionierte das Radio am nächsten Tag nicht mehr und blieb seither stumm.“

Wie wir uns in andere hineinversetzen können

Michael Shermer hat nun persönlich etwas Paranormales erlebt, das er nicht versteht bzw. einfach „logisch“ wegerklären kann. Es ist gut möglich, dass er sich jetzt besser in Menschen hineinversetzen kann, die aufrichtig und aus voller Überzeugung an etwas Unerklärliches glauben, das sie erlebt haben.

Auch in seinem jüngsten TED-Talk 2010 hielt es Michael noch immer für absurd, an Entführungen durch Außerirdische zu glauben. Doch was ist mit jenen, die behaupten, dass sie Derartiges erlebt haben? Was würden diese Menschen dazu sagen? Ist es fair, sie einfach für verrückt zu erklären?