Trident: Die Verstrickung der Banken ins Atomwaffengeschäft

Von Steve Topple

Die Debatte um die Erneuerung des britischen Trident-Programms, der atomaren „Abschreckungswaffe“ des Vereinigten Königreiches, scheint niemals aus den Nachrichten zu verschwinden. Am Donnerstag, den 11. Februar, deuteten Quellen aus dem britischen Verteidigungsministerium an, dass Premierminister David Cameron erst nach dem EU-Referendum [am 23.06.] darüber abstimmen lassen wird.
Foto: LA(Phot) Will Haigh/MOD

Das Trident-Atomwaffensystem besteht aus vier U-Booten der Vanguard-Klasse. Jedes kann 16 Raketen aufnehmen, führt aber entsprechend der Regierungspolitik immer nur acht mit sich. Jede Rakete kann mit bis zu zwölf Sprengköpfen bestückt werden, wenngleich wiederum die Politik vorgibt, dass ein U-Boot mit insgesamt höchstens 40 Sprengköpfen ausgerüstet wird. Ein U-Boot ist dauerhaft auf Patrouille, während an einem anderen Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Zwei nehmen entweder an Übungen teil oder liegen im Hafen.

Über die Frage, wie teuer die Fortführung von Trident sein wird, gehen die Meinungen weit auseinander. Die Regierung spricht mittlerweile von 31 Mrd. Pfund – im vergangenen Jahr war noch von 25 Mrd. Pfund die Rede. Aktivisten hingegen beziffern die Kosten wesentlich höher. Den höchsten Betrag nennt die Presseagentur Reuters: Rund 167 Mrd. Pfund soll das System demnach über seine gesamte Lebensspanne kosten.

Aber wie viel wissen wir wirklich über die Einzelheiten der Finanzierung von Trident und die dahinter stehenden Machtnetzwerke? Die Atomwaffen der Welt befinden sich inmitten der schmutzig-trüben Wässer von Interessengruppen, die auf ihren finanziellen Eigennutz aus sind. Ich habe tief im Schlamm gewühlt – und die Ergebnisse sprechen Bände.

Warum nur ist die gegenwärtige Regierung des Vereinigten Königreiches – genau wie die vorangegangenen Regierungen – so erpicht darauf, ihre „Abschreckungswaffe“ zu behalten und ignoriert dabei den Ratschlag so vieler Gremien? Um das zu verstehen, beginnt man wie immer zuerst im Britischen Oberhaus nachzuforschen:

Lord Hollick war Mitglied des Select Committee on Economic Affairs. Dieser Sonderausschuss bezog Stellung gegen die Unabhängigkeit Schottlands. Nun nimmt Lord Hollick eine Position in der Unternehmensleitung von Honeywell ein. Das US-amerikanische Unternehmen hat einen Staatsauftrag, Systeme zur Verlängerung der Lebensdauer von Trident zu entwickeln.

Lord Hague gehört der Unternehmensleitung von Intercontinental Exchange, Inc. an. Der US-amerikanische Börsenbetreiber handelt mit Wertpapieren und Aktien – auch aus dem Rüstungssektor. Lord Hague ist aber auch Vorsitzender des Royal United Services Institute (RUSI). Dieses Institut – eine sogenannte Denkfabrik – befasst sich mit den Themen Verteidigung und Sicherheit und berät die Regierung in Fragen der Verteidigungspolitik.

Lord Hutton ist Berater der Bechtel Corporation, einer US-amerikanischen Firma für Sicherheitstechnik für Atomwaffenstandorte. Er ist auch Berater für die namhafte US-amerikanische Waffenschmiede Lockheed Martin. Außerdem ist er Vorsitzender der Nuclear Industry Association [eine Lobbyorganisation für mehr als 270 Unternehmen der zivilen Atomwirtschaft in Großbritannien; Anm. d. Übers.] und war bis vor einem Jahr ebenfalls Vorsitzender des RUSI.

Ich bin den Unternehmensinteressen eines jeden Oberhausmitgliedes nachgegangen und habe festgehalten, welche der Unternehmen mit Trident in Verbindung stehen.Nach meiner Berechnung lässt sich mehr als 15 Prozent der Lords ein „persönliches“, also eigennütziges Interesse attestieren, und zwar entweder an den am Trident-Programm beteiligten Unternehmen selbst oder an den sie finanzierenden Geldhäusern. Die 15 Prozent beziehen sich aber nur auf die britischen Atomwaffen. Man darf sicher annehmen, dass die Zahl für den gesamten Rüstungssektor höher liegt.

Da es gerade um das RUSI geht: Am 4. Februar dieses Jahres nahm dessen Forschungsleiter Prof. Malcolm Chalmers an einer Debatte der BBC-Sendung „Newsnight“ teil. Er behauptete dort, es sei äußerst unwahrscheinlich, dass man Trident auslaufen lassen werde.

Denkt man an die oben erwähnten Verbindungen zum Oberhaus, überrascht Chalmers Standpunkt zu Trident ebenso wenig wie frühere Vorschläge des RUSI, das Trident-Programm lediglich einzuschränken. Er ist noch weniger überraschend, wenn man berücksichtigt, dass das RUSI von vier Unternehmen finanziell gefördert wird, die mit Trident zu tun haben: Babcock, Lockheed Martin, Raytheon und Rolls Royce.

Aber das ist nicht alles. Die gefährliche Krankheit der Kumpanei und Vetternwirtschaft, deren Verwesungsgestank das britische Regierungsviertel umgibt, eitert auch faulig in den Banken. Die 2007 gegründete Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) veröffentlichte einen Bericht mit dem Titel „Don’t Bank on the Bomb“ [engl. Wortspiel: wörtlich „Verlasst euch nicht auf die Bombe“; im Kontext „Macht keine Bankgeschäfte mit der (Atom-)Bombe“; Anm. d. Übers.]. Darin werden 41 in Großbritannien ansässige Finanzinstitute mit Geldanlagen direkt in der Atomwaffenindustrie genannt [sowie acht aus Deutschland; die Top 3: Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz; Anm. d. Red.]. Die Namen dieser Finanzinstitute finden sich überall im Register des Oberhauses [in dem die Lords außerparlamentarische Betätigungen und Aktienbesitz offenlegen; Anm. d. Übers.]. Auch das Regierungsverzeichnis, in dem Treffen von Regierungspersonal mit Externen festgehalten werden, ist gespickt mit Namen aus den Chefetagen einschlägiger Finanzinstitute, hier begegnen uns etwa die ehemaligen HSBC-Direktoren Lord Green, Rona Fairhead vom BBC Trust und Ruth Kelly von der Finanzmarktaufsichtsbehörde Financial Conduct Authority. Und auch in den Kopfzeilen zahlreicher Beratungsdokumente für politische Parteien mit Vorschlägen für Gesetzesänderungen finden sich die Namen der fraglichen Geldhäuser.

Der Knackpunkt der ganzen Angelegenheit ist: Die in die Atomwaffenindustrie verwickelten Finanzinstitute treiben ein doppeltes Spiel.

Almaz-Antey ist ein staatseigener russischer Rüstungshersteller, produziert überwiegend Flugabwehrsysteme und ist für mindestens 26 Subunternehmer verantwortlich. Er erlangte traurige Berühmtheit, als der Verdacht aufkam, dass Flug MH17 2014 mit einer seiner Buk-Boden-Luft-Raketen über der Ukraine abgeschossen wurde. Die Geldmittel für Almaz-Antey kommen normalerweise entweder direkt von der russischen Regierung oder von der staatseigenen „Entwicklungsbank“ Vnesheconombank (VEB). 2012 z. B. erhielt Almaz-Antey 35 Mrd. Rubel vom Verteidigungsministerium und 25 Mrd. Rubel von der VEB, um das Flugabwehrraketensystem S-500 Prometey zu entwickeln. Es wird als das am weitesten entwickelte System der Welt beworben.

Staatseigen bedeutet aber nicht immer staatlich finanziert, wie aus einer archivierten Pressemitteilung von 2011 hervorgeht. Im April jenes Jahres unterzeichnete die VEB einen Vertrag über ein Konsortialdarlehen von 19 Banken mit einem Volumen von 2,4 Mrd. US-Dollar – und es waren keine russischen Banken. Zu den beteiligten Finanzinstituten aus dem Vereinigten Königreich zählten u. a. Barclays und HSBC. Andere prominente Beteiligte waren JPMorgan, Morgan Stanley und Credit Suisse. Das sind fünf jener 41 Banken aus dem ICAN-Bericht: Genau diese Banken statten westliche Atomwaffenprogramme mit Geldmitteln aus bzw. investieren in diese.

Dieses Beispiel ist jedoch kein zufälliger Einzelfall. Der Rüstungskonzern Uralvagonzavod entwickelt Russlands Flugabwehrpanzer. Das Unternehmen unterhält Geschäftsbeziehungen zur russischen Sberbank. Diese wiederum wird zu 43 Prozent von „internationalen Investoren mündelsicherer Geldanlagen“ kontrolliert und verfügt über 87 Mrd. Pfund Vermögen in den OECD-Ländern. Auch Barclays ist beteiligt: Das Finanzinstitut hat sich um den Auftrag beworben, der Bank einen Kreditrahmen von 3,5 Mrd. Rubel bereitzustellen.

Dem russischen Staatsunternehmen Rostec – eine Dachgesellschaft für 663 andere Organisationen, meist mit Beziehung zum Militär – gehört die Novikombank, die das Unternehmen auch teilfinanziert. Die Novikombank wiederum wird finanziert von der Deutschen Bank, Credit Suisse und – raten Sie mal – Barclays.

Man beachte auch, dass Barclays Investmentgeschäfte in Russland betreibt und die russische Regierung schon länger bei der Privatisierung staatlicher Vermögenswerte unterstützt.

Am meisten beunruhigt ist man vielleicht darüber, wer Russlands Äquivalent zum Trident-System finanziert: das Programm für die mit ballistischen Raketen bewaffneten U-Boote der Dolgorukiy-Klasse [NATO-Bezeichnung: Borej-Klasse; Anm. d. Übers.]. Die U-Boote werden von einem Unternehmen namens Sevmash hergestellt, finanziert von der staatseigenen VEB.

Also ja, richtig: Die britischen Banken Barclays und HSBC finanzieren beide direkt das britische Atomwaffensystem Trident durch Geldanlagen und Finanzierungsvereinbarungen mit Rolls Royce, BAE Systems und Babcock. Gleichzeitig finanzieren sie indirekt die äquivalente atomare Abschreckungswaffe Russlands, eines Feindes des Vereinigten Königreiches.

Multinationale Firmenbanken spielen eine große Schachpartie – aber alles ist nur Schein: Es wird niemals ein Schachmatt geben, weil das unrentabel wäre. Regierungen spielen bereitwillig mit und die Verantwortlichen sind unweigerlich Aktionäre von Rüstungsunternehmen oder deren Geldgeber. Was einem aber vielleicht am unangenehmsten aufstößt, ist das Verhalten einer Bank, die ich noch nicht erwähnt habe: The Royal Bank of Scotland. Diese Bank gehört der britischen Öffentlichkeit infolge der Bankenkrise von 2008 anteilsmäßig zu 84 Prozent. Sie legt nicht nur Geld bei zehn an Trident beteiligten Unternehmen an, sondern ist auch Geldgeber von Russlands VEB. Sie investiert gleichsam Geld in Russlands und Großbritanniens atomare Abschreckungswaffe.

Die Britische Bevölkerung zahlt sowohl für die Atomwaffen des Ostens als auch des Westens, indem sie das für ihre Produktion notwendige Geld zur Verfügung stellt. Um das Ganze aber noch schlimmer zu machen, bezahlt sie für Trident auch noch mit ihren Steuergeldern.

Die ganze Atomwaffenindustrie, das lasche, phallische Sich-in-Positur-Werfen, die ernsten, verwunderlichen Argumente, sie aufrecht zu erhalten: Das alles ist ein Schwindel von epischen Ausmaßen. Das Volk wird komplett für dumm verkauft, damit betrügerische Regierungen sein Geld für etwas Nutzloses vergeuden können. Nur der Wohlstand der an der Atomwaffenindustrie Beteiligten wird dadurch vermehrt.

Es gibt keine Bedrohung – ausgenommen unsere eigene Tollkühnheit, jahrzehntelang zu schlafwandeln und zuzulassen, dass das alles so ablaufen kann. Je eher wir aufwachen, desto besser.

Quelle: CommonSpace, 15.02.2016, http://tinyurl.com/hbplpg2

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