Wenn sich all die Menschen, die behaupten, gestorben und zurückgekehrt zu sein, das Erlebte einbilden – wieso berichten dann Nahtoderfahrene über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg von ähnlichen Erfahrungen? Eine Einordnung von Fallbeispielen aus der wohl größten Nahtoddatenbank der Welt.
Alex Ferrari (AF): Ich freue mich, Sie zu unserem Gespräch zu begrüßen. Ich habe in der Vergangenheit sowohl über meine eigene Nahtoderfahrung berichtet als auch etwa 100 tiefschürfende Interviews zu dem Thema geführt. Das ist eine gute Ausgangslage, aber es ist schwierig, andere Wissenschaftler mit einem derartigen Erfahrungshorizont in diesem Bereich zu finden. Sie selbst haben wie viele Fälle erforscht … 4.000?
Dr. Jeffrey Long (JL): Ja, in unserer Datenbank sind mehr als 4.000 Fälle verzeichnet.
AF: Wann haben Sie mit Ihrer Forschung zu Nahtoderfahrungen begonnen, und was hat den Ausschlag dazu gegeben?
JL: Ich bin Mediziner, mein Fachgebiet ist die Radioonkologie, also die Strahlentherapie in der Krebsbehandlung. Zu meiner Zeit als Assistenzarzt, die schon einige Jahrzehnte her ist, habe ich einmal im Journal of the American Medical Association (JAMA) nach einem Artikel zu einem krebsbezogenen Thema gesucht und bin dabei ganz zufällig über einen Bericht mit dem Wort „Nahtoderfahrung“ im Titel gestolpert. Das hatte ich noch nie zuvor gehört. Ich meine, man ist entweder tot oder lebendig, nicht wahr? Interessehalber habe ich also den ganzen Artikel gelesen und war sofort fasziniert. Wie kann man sich auch nicht fragen, was passiert, wenn man stirbt?
In dem Bericht ging es um einen bekannten Kardiologen, einen Herzspezialisten, der die Nahtoderfahrungen von Patienten mit Herzstillstand studiert hatte. Überraschenderweise konnten sie bis ins kleinste Detail beschreiben, was sie währenddessen, offenbar in vollem Bewusstsein über ihren Körper, gesehen hatten. Wir sprechen hier über mehrere Dutzend Befragte.
Ich dachte, dass sich mein ganzer Blick auf das Universum ändern würde, sollte das den Tatsachen entsprechen, und ich beschloss in diesem Moment, mich dem Studium von Nahtoderfahrungen zu widmen.
Gemeinsamkeiten von Nahtoderfahrungen
AF: Sind Sie während Ihrer Forschungen auf wiederkehrende Elemente gestoßen?
JL: Was passiert bei einer Nahtoderfahrung? Nun, zunächst ist jede individuell. Aber wenn man so viele studiert, fallen einem irgendwann Muster auf. Häufig geht ein lebensbedrohliches Ereignis voraus – der Betroffene ist körperlich stark geschwächt, bewusstlos oder klinisch tot, der Herzschlag hat ausgesetzt. In diesem Moment sollte niemand eine bewusste Erfahrung machen können, und doch kommt es vor.
Oft beginnt alles mit einer außerkörperlichen Erfahrung. Das Bewusstsein erhebt sich über den physischen Körper, der üblicherweise am Boden liegt. Aus diesem Blickwinkel werden dann die irdischen Ereignisse beobachtet und oft auch mitangehört – zum Beispiel verzweifelte Wiederbelebungsversuche.
Anschließend kann es passieren, dass sich die Betroffenen in einen Tunnel begeben. Am Ende erwartet sie oft ein strahlendes Licht, wie sie es auf der Erde noch nie gesehen haben. Durchschreiten sie den Tunnel, finden sie sich in einem überirdischen, himmlischen Reich wieder, was eine passende Umschreibung zu sein scheint, treffen sie dort doch nicht nur auf Landschaften und Gebäude, sondern auch auf verstorbene nahestehende Personen oder auch Tiere, mit denen sie interagieren können. Farben und Musik an diesem Ort werden als atemberaubend beschrieben, mit nichts Irdischem vergleichbar.
Darauf kann ein Lebensrückblick folgen. Die Betroffenen sehen ihr vergangenes Leben oder einen Teil davon an sich vorbeiziehen. Sie werden von unfassbar positiven, nie zuvor erlebten Emotionen ergriffen und entscheiden sich, ob sie in diesem herrlichen Reich bleiben oder in ihren physischen Körper zurückkehren und um ihr Leben kämpfen wollen.
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