In diesem Buch geht es um die Weisheit. So wie Wissen aus Information gewonnen wird, beginnt die Weisheit mit Wissen. Marshall hat die Geschichten niedergeschrieben, die ihm sein Großvater auf langen Spaziergängen erzählt hat. Die alten Erzählungen des Lakota dienen als Mahnung an den Menschen, nicht überheblich zu sein.
Für die Lakote verkörpert das Symbol des Kreises die Grundlage aller Spiritualität. Er repräsentiert das Leben; in ihm gibt es kein Erstes oder Letztes, kein Höheres oder Niedrigeres. Der Mensch hat im Kreis des Lebens genauso seinen Platz wie jedes andere Lebewesen, nicht mehr und nicht weniger.
Doch leider habe der Mensch seine größte Stärke zu seiner größten Schwäche gemacht, indem er davon ausgehe, dass seine Gabe des logischen Denkens ihn zu einer überlegenen Lebensform mache. Die Arroganz des heutigen Menschen führe dazu, dass die Weisheit und die Mühsal früherer Generationen vergessen und belächelt würden. Bei den Lakota habe man auf den Rat der Weisen und der Ältesten gehört, obwohl sie keine formale Autorität besessen hätten. Auch vom Verhalten der Tiere habe man viel gelernt. So erzählt Marshall von einem Wolfsrudel, das eine Frau vor dem Tod rettete. Oder von einem Windhund, der sich für eine gewisse Zeit den Menschen anschloss und dann verschwand.
Die Botschaft des Buches ist, sich nicht weiter vom Kreis zu lösen, da die Menschen die Realität des Kreises nicht ändern können. Der Schlüssel zu Erleuchtung und Weisheit bestehe darin, den Kreis zu verstehen und anzunehmen. Keiner seiner Teile sei weiter von seinem Mittelpunkt entfernt oder liege ihm näher. So sollen wir Menschen uns nicht für wertiger halten als jedes andere Lebewesen dieses Planeten. Indem wir das erkennen, gelangen wir zu Weisheit. Weisheit sei jedoch nicht mehr oder weniger als eine Reise, die in dem Augenblick beginnt, in dem wir geboren werden.
Man kann Marshalls Kurzgeschichten als poetisch und weise empfinden, was sie sicherlich auch zu einem großen Teil sind. Allerdings sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der Konflikt zum Leben dazugehört, und Konfliktpotenzial wird auch bei den Lakota vorhanden gewesen sein, da Konflikte zwangsweise im Zusammenleben menschlicher Gruppen entstehen. Selbst die Tierwelt kennt Konflikte.
Marshall idealisiert die Lakota-Gemeinschaften, doch darüber kann man hinwegsehen. Immerhin soll das Buch eine gewisse Lagerfeuerromantik und ein paar Lebensweisheiten vermitteln und das gelingt ihm gut.
Auf den modernen Menschen lassen sich die Erkenntnisse aus den Spaziergängen nur bedingt übertragen, da er sich in einer weitestgehend anonymisierten Gesellschaft zurechtfinden muss. Doch innerhalb der Familie mag manche großväterliche Weisheit zum Nachdenken anregen. Das scheint mir die Essenz dieser Geschichten zu sein.
Als Bonusmaterial ist eine CD mit Geschichten und Sagen der Lakota beigefügt.
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