Jeder kennt fermentierte Speisen, Sauerkraut ist eine davon. Oder Sauerteig, mit dem Brot gebacken wird. Oder Bier, Met, Schokolade, Miso, Käse, Essig und ja, Wein. Fermentieren transformiert Nahrungsmittel, macht etwas Neues, etwas Besonderes daraus. Es macht sie haltbar, leichter verdaulich. Sandor Ellix Katz hat nun ein Buch dazu geschrieben, das mich fasziniert. Er ist ein – so sagt er selbst – Fermentierungsfetischist. Das glaube ich ihm aufs Wort. Es reißt mich beim Lesen förmlich mit; sofort würde ich meine Tontöpfe füllen – wenn sie das nicht schon wären. Er kennt sich aus, ist mutig, experimentiert. Da wird alles, was die Natur schenkt, sich selbst überlassen, in Zubern und Bottichen, gut abgedeckt. Da wird das Fressverhalten der mit ihm und seinen Kameraden in der Abgeschiedenheit lebenden Ziegen studiert und gleich noch Früchte und Kräuter gefunden, die wie selbstverständlich auch in Behälter wandern. Versuch macht klug. Unzählige müssen es gewesen sein, mit nicht nachlassender Begeisterung für die Millionen der kleinen bakteriellen Helferlein. Katz schreibt mir aus der Seele, wenn er die fortschreitende Industrialisierung und Standardisierung, die damit einhergehende Verarmung und Monotonie unserer von der Erde so freigiebig geschenkten Nahrung anprangert.
Nach der Einleitung um die Wichtigkeit der Haltbarmachung durch Fermentation, die in friedlicher Koexistenz mit dem umgebenden Lebensraum stattfinden soll (wie wahr!) und der Darstellung der Vorzüge zur Nahrungsveredelung in allen Kulturen, folgte ein Frontalangriff auf meine Lachmuskeln und auf die grauen Zellen: Katz schreibt über sich selbst, über sein Leben, das freilich wie jedes Leben traurige und schöne Höhepunkte hat, über seine Versuche und Fehlversuche, die Reaktionen seiner Umgebung – in einer Lebendigkeit, die man selten findet. Ganz sicher nicht in einem Kochbuch, denn das möchte es sein.
Dabei ist es doch mehr: Katz transportiert auch klare politische Aussagen zu wichtigen Themen wie z. B. Genmanipulation, Pestizideinsatz oder die Fehlleitung der Massen, Totgekochtes als ein „gutes Lebensmittel“ zu bewerten. Man liest von seinen Ansichten zu den von der Norm abweichenden Lebensentwürfen, seine darausfolgenden Bitten an die Gesellschaft. Ob das nun in das (Koch-)Buch gehört oder nicht, muss der Leser für sich selbst entscheiden. Für mich jedenfalls zeichnet es das Bild eines Mannes, der das, was er da macht, mit einer Leidenschaft betreibt, von der man sich auch gleich gern mehrere Töpfe in die Küche stellen möchte. Die, die es nicht begriffen haben, begreifen es nach der Lektüre – oder eben nie. Und denen ist dann sowieso nicht mehr zu helfen. Er sagt: „Für mich bedeutete die Fermentierung eine wichtige Entdeckungsreise. Ich möchte Sie einladen, mich auf diesem spannenden Weg zu begleiten. Es ist ein Weg, der schon seit Jahrtausenden begangen wird, aber in unserer Zeit und in dem Teil der Welt, in dem wir leben, weitgehend in Vergessenheit geraten ist – überholt vom Superschnellweg der industriellen Lebensmittelherstellung.“
Ich wünsche Herrn Katz noch viele wunderbare, entdeckungsreiche Jahre und allen, die es verstanden haben, ein weiteres Buch, mit noch mehr nachmachbaren Rezepten und Kuriositäten rund um den bunten Erdball. Abschließend lässt sich feststellen: Fermentieren kann nach der Lektüre jeder. Es ist einfach, denn es geht fast von allein. Es ist wild und unberechenbar. Probieren Sie es am besten selbst!
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