NEXUS: Herr Oesch, vielen Dank im Namen aller Interessierten, dass Sie sich des Themas mit wissenschaftlicher Methodik angenommen haben. Zunächst die Frage: Woher stammten die Proben, die Sie an Labore eingesandt haben?
Christian Oesch (CO):Die Proben stammen aus verschiedenen Regionen Europas, von Norditalien über die Schweiz bis hin nach Norddeutschland. Die analysierten Fäden wurden im Oktober 2022 von Freiwilligen an unterschiedlichen Orten gesammelt und dann an uns weitergeleitet. Ein Großteil der Proben wurde von Wiesen und landwirtschaftlichen Flächen genommen, wo die Fäden auf Pflanzen, am Boden und teilweise in der Luft hängend entdeckt wurden.
NEXUS: Auf welche Substanzen haben Sie mit welchen Methoden prüfen lassen?
CO: Wir haben die Proben mit mehreren hochmodernen Methoden analysieren lassen, darunter Infrarotspektroskopie, Massenspektrometrie und Gaschromatografie. Die Infrarotspektroskopie mit ATR-Technik half uns, die Faserstruktur zu verstehen, und die Gaschromatografie in Kombination mit Massenspektrometrie diente zur genauen Identifikation der chemischen Bestandteile. Die Fäden enthielten über 30 verschiedene chemische Verbindungen, darunter gefährliche Kohlenwasserstoffe, Benzolderivate und sogar Epoxide und Histaminderivate. Einige dieser Substanzen sind extrem toxisch und entzündlich – das sind keine harmlosen Substanzen.
NEXUS: Können Sie ausschließen, dass es sich um normale Spinnenweben handelt?
CO: Ja, wir können sicher ausschließen, dass es sich um normale Spinnenweben handelt. Es gibt mehrere auffällige Unterschiede: Erstens sind die mysteriösen Fäden innen hohl, was für Spinnenweben untypisch ist. Zweitens ist ihre Farbe intensiver weißlich, während normale Spinnenfäden eher transparent sind. Außerdem verhalten sich die mysteriösen Fäden anders beim Verbrennen – normale Spinnenfäden verkohlen, diese Fäden hingegen schmelzen und verflüchtigen sich auf ungewöhnliche Weise. Hinzu kommt, dass die gefundenen chemischen Bestandteile, darunter toxische und entzündliche Substanzen, in natürlichen Spinnenfäden nicht vorkommen.
Bild links: Collage der beim Verein eingesandten Proben; Bild rechts: Fund vom 17. Oktober 2022
NEXUS: Was waren die für Sie beunruhigendsten Ergebnisse der Analyse?
CO: Die toxischen Substanzen in den Fäden sind besonders besorgniserregend. Der Nachweis von Epoxiden, Benzolderivaten und Histaminderivaten, die teils giftig und entzündlich sind, lässt aufhorchen. Noch beunruhigender ist, dass einige der chemischen Verbindungen in keiner bekannten Datenbank registriert sind, was auf neue oder experimentelle Stoffe hinweist. Die Tatsache, dass die Fäden innen hohl sind und somit als Transportmittel dienen könnten, macht es noch schlimmer. Diese Hohlräume könnten dazu genutzt werden, giftige Substanzen langsam freizusetzen – das ist alles andere als harmlos und deutet möglicherweise auf eine gezielte Anwendung hin.
NEXUS: Gelten die Analyseergebnisse für alle Fundorte und Fäden? Oder gab es da Auffälligkeiten?
CO: Die Ergebnisse zeigen bei den Proben eine hohe Übereinstimmung. In allen Proben wurden die gleichen Grundstrukturen und ähnliche chemische Substanzen gefunden, was auf eine einheitliche Quelle oder Methode hinweist. Allerdings gab es kleine Variationen in der Konzentration bestimmter Substanzen, was möglicherweise auf Unterschiede in der Exposition gegenüber Umwelteinflüssen hinweist. Insgesamt sind die chemische Zusammensetzung und Struktur jedoch sehr ähnlich.
NEXUS: Wie schätzen Sie die Verbreitung des Phänomens ein? Gab es Kontaminierungen größerer Flächen?
CO: Es sieht stark nach einer großflächigen Verteilung aus, die über Grenzen hinweggeht. Die Fäden wurden in verschiedenen Ländern gesichtet, was auf eine koordinierte Verbreitung oder zumindest ein weiträumiges Phänomen schließen lässt. Die geografische Breite – von Norditalien über die Schweiz bis nach Norddeutschland – zeigt, dass es keine rein lokale Erscheinung ist. Ob diese Verteilung gezielt erfolgt ist oder durch atmosphärische Bedingungen unterstützt wurde, bleibt spekulativ, aber die Anzahl und Streuung der Funde lassen auf eine weiträumige Kontamination schließen.
Bild links: Lichtmikroskopische Aufnahme zeigt eine hohle Faser, die Verfärbungen lassen auf Inhaltsstoffe schließen
Bild mitte: Aufnahme mit Rasterelektronenmikroskop (REM) einer Probe aus Riedtwil (Schweiz), 2.500-fache Vergrößerung
Bild rechts: 6.000-fache Vergrößerung der Probe aus Riedtwil mit REM, die einen offenbar gefüllten Hohlraum zeigt
NEXUS: Können Sie etwas dazu sagen, ob das Phänomen in diesem Jahr genauso häufig beobachtet wurde wie in den Jahren zuvor?
CO: Uns liegen Berichte vor, dass die mysteriösen Fäden auch in diesem Jahr aufgetreten sind, wenn auch möglicherweise in geringerer Häufigkeit. Es scheint, als ob die auffälligen Mengen aus dem Jahr 2022 eine Art „Testlauf“ waren, der in diesem Jahr so nicht wiederholt wurde. Die aktuelle Verbreitung bleibt jedoch ein Thema, das wir genau beobachten und das weiter untersucht werden sollte.
NEXUS: Auf Ihrer Website zitieren Sie zwei Patente, die 2008 und 2013 erteilt wurden. Dabei geht es um hohle Fasern, die als Träger für Pestizide, Düngemittel oder Medikamente dienen. Was ist vor dem Hintergrund dieser Analysen Ihre derzeitige Theorie über die Herkunft der Fäden?
CO: Die beiden Patente, die wir zitiert haben, werfen ein beunruhigendes Licht auf das Ganze. Das erste Patent von 1999, erteilt 2008, beschreibt ein Verfahren zur Herstellung hohler Fasern, und das zweite Patent von 2004, erteilt 2013, zeigt, wie solche Fasern als Transportmittel für landwirtschaftliche Wirkstoffe wie Pestizide genutzt werden können. Diese Fäden könnten also gezielt beladen und ausgebracht werden, um bestimmte Substanzen zu verteilen. Unsere Theorie ist, dass wir es hier möglicherweise mit einem experimentellen Einsatz solcher Technologien zu tun haben, vielleicht sogar im Rahmen von Feldversuchen zur gezielten chemischen Beeinflussung von Pflanzen oder Böden.
NEXUS: Für wie gefährlich halten Sie die Fäden? Kann man sich damit kontaminieren, muss man beim Gang durch die Natur vorsichtig sein?
CO: Die Fäden sind potenziell gefährlich. Zwar sind die toxischen Substanzen nur in geringen Mengen enthalten, aber der direkte Kontakt – besonders mit Augen oder Schleimhäuten – könnte Reizungen oder sogar Vergiftungen verursachen. Generell ist Vorsicht angebracht, besonders bei größeren Ansammlungen dieser Fäden. Bei direktem Kontakt mit Haut oder Augen würde ich zu sofortigem Reinigen raten. Die Fäden könnten durchaus auch einen gewissen Einfluss auf die Umwelt haben, insbesondere wenn sie großflächig auftreten und sich die chemischen Substanzen nach und nach freisetzen.
NEXUS: Wie können interessierte Leser zur Aufklärung des Rätsels beitragen? Sind weitere Untersuchungen geplant?
CO: Leser, die zur Aufklärung beitragen wollen, können das Thema in die Öffentlichkeit tragen und auch selbst an ihre lokalen Umweltbehörden herantreten, um mehr Aufmerksamkeit zu schaffen. Wir planen weitere Untersuchungen, insbesondere in Zusammenarbeit mit unabhängigen Wissenschaftlern, um die Fäden in anderen Regionen zu analysieren und das Phänomen langfristig zu beobachten. Jede Unterstützung – sei es durch Berichterstattung, Meldungen neuer Funde oder sogar finanzielle Hilfe für weitere Labortests – hilft uns, das Rätsel schneller zu lösen.
NEXUS: Wir danken für das Gespräch und reichen die Informationen gerne an die Leserschaft weiter. Das Interview stellen wir zeitnah auch auf unserer Homepage zur weiteren Verbreitung zur Verfügung.
Alle weiteren Informationen, Videomaterial und Dokumente finden Sie auf der Website des Vereins unter VereinWIR.ch/spinnenfaeden. Dort können Sie auch die beiden erwähnten Patentschriften einsehen.
Kommentare
08. Dezember 2024, 13:10 Uhr, permalink
Buckau-Kalk-Connection
Ich hätte mir zum Text ein aussagekräftiges Beispielfoto gewünscht.
10. Dezember 2024, 10:52 Uhr, permalink
Redaktion
Danke für den Hinweis, wir bauen noch ein paar Bilder ein. Ein PDF mit allen Analysen finden Sie auf der verlinkten Website des Vereins.
11. Dezember 2024, 21:45 Uhr, permalink
Das Zeug ist überall
Also im Rhein-Erftkreis kann man keinen cm gehen, ohne mit ähnlichen Fäden in Kontakt zu kommen. Wenn man einen guten Sonnenuntergang hat und sich die Mühe macht, an einem Feld/Acker die Oberfläche Rictung untergehende Sonne zu betrachten: alle Felder komplett eingesponnen, aber mit durchsichtigen Fäden. Jeder Acker, jedes Stück Grün. Im Herbst war es besonders schlimm. Frisch gepflügtes Feld, am nächsten Morgen "zugesponnen". Beim einfachen vorbeigehen, wenn man nicht darauf achtet nicht/kaum zu sehen. Kann ja jeder mal selbst überprüfen. Gruselig!
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