Dieses Buch hat mich länger beschäftigt, als es bei Rezensionsexemplaren sonst üblich ist. Der Start war schon mal schlecht: Die ersten 50 Seiten sind mit vier Vorworten und der Dokumentation eines ministeriellen Briefwechsels angefüllt. Na ja, wen’s interessiert! Beim Reinlesen stieß ich mich dann am autoritären und dogmatischen Habitus des Autors, der sich vor allem in seiner Exegese der heiligen Schriften des Christentums und des Hinduismus äußert, zudem Hampejs es mit der Großschreibung von Adjektiven im spirituellen Zusammenhang etwas übertreibt. Man fragt sich zwischenzeitlich wirklich, ob „Schamanisch“ und „Mystisch“ eigentlich generell groß geschrieben werden. Aber das sind natürlich Peanuts, über die man auch hinweglesen könnte.
Wirklich problematisch wurde es, als Hampejs Anekdoten aus Ayahuasca-Ritualen zum Besten gab. Da erzählt er beispielsweise, wie er einer Teilnehmerin, die gerade eine heftige Krise durchmacht und kurz vorm Zusammenbruch steht, seine Diagnose an den Kopf wirft: „Weißt du eigentlich, warum du so verzweifelt nach deiner Mutterrufst?Weil sie dich abtreiben wollte!“ Also, feinfühlig ist sowas nicht. Da hab’ich mich schon gefragt: Muss ich in der Rezension jetzt vor Hampejs warnen, weil solche Interventionen bei labilen Menschen durchaus Negatives bewirken können? Und könnte ich mich selber bei meiner etwaigen erstenAyahuasca-Erfahrung fallen lassen, wenn ich auf so etwas gefasst sein müsste? So etwas könnte mich aus der Balance werfen und auf einen Angsttrip bringen. Und wenn dann noch eine autoritäre Atmosphäre herrscht und schulmedizinisch sezierende Fragen gestellt werden, kann es sehr schnell sehr unangenehm werden.
Trotzdem bin ich meilenweit davon entfernt, das Buch und den Autor zu verdammen. Das hat weniger etwas mit der offiziellen wissenschaftlichen Anerkennung zu tun, die das Buch erfahren hat und die im eingangs erwähnten Briefwechsel dokumentiert ist, als mit Hampejs anderen Qualitäten. Wenn er nämlich über die Wirkungsweise schamanischer Rituale, die yogische Physiognomie der feinstofflichen Körper oder auch den Aufbau eines Altars schreibt, gelingt ihm eine eindrückliche Zusammenschau spiritueller und schulmedizinischer Menschensicht. Es ist so plastisch, als würde man das Chakren- und Nadisystem zum ersten Mal mit eigenen Augen sehen und sich von seiner Wirklichkeit überzeugen können. Überhaupt ist dieser schulmedizinische Hintergrund, den Hampejs mit einführt – wiewohl er als praktizierender Schamane den Beschränkungen der Schulmedizin natürlich längst entwachsen ist – der Punkt, weswegen dieses Buch wohl für längere Zeit ein Standardwerk sein wird, da die bisherigen westlichen Erforscher und Adepten des Schamanismus zumeist Anthropologen oder Ethnologen waren, aber eben nicht Allgemeinmediziner und Neurologen. Hampejs ist beides. Er begründet gewissermaßen einen schulmedizinischen Schamanismus –und führt damit Gegensätze zusammen, an deren Vorhandensein wir schon ziemlich gewöhnt waren.
Bloß: Was soll man dann von den eingangs aufgezählten Mankos halten? Da hilft ein Blick auf die Fotostrecke in der Mitte des Buchs, die glaubhaft deutlich macht, dass Dr. Hampejs, seine Familie und die Teilnehmer seiner Seminare sympathische Leute sind. Gut, er lebt halt schon lange in Südamerika (er hat bereits in den Siebzigern Don Juan aufgesucht, den Lehrer Carlos Castanedas), da muss man es ihm nachsehen, wenn er auch das autoritäre Element der Lehrer- / Schüler-Beziehung des Schamanismus sehr stark verinnerlicht hat. Aber das muss einen als Schüler oder Patienten ja nicht von der Einsicht abbringen, dass auch Lehrer und Ärzte nur Menschen sind, die ebenfalls ihre Päckchen mit sich herumtragen. Man muss eben schauen, ob das Lehrer- / Schüler- bzw. Arzt- / Patienten-Verhältnis passt. Dann kommt das Vertrauen von alleine.
Alles in allem ist die „Schamanische Heilung“ sicherlich lohnende Lektüre und eine wertvolle Ergänzung für jede dem Schamanismus geweihte Kraftbibliothek.
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