Russische Propaganda im Ukrainekrieg: Was die Alternativmedien gern verschweigen

russpropSonnenklar: Die NATO hat den russischen Bären gereizt, bis er die Pranke auspacken musste – Osterweiterung, heimliche Aufrüstung der Ukraine, Maidan-Putsch. Wer seine Informationen zum Großteil aus den alternativen Medien bezieht, kennt sie aus dem Effeff, die Sticheleien und Lügen des Wertewestens.

Was vor lauter Mainstream-Aversion aber zuweilen zu kurz kommt, ist der kritische Blick auf die Propaganda-Schachzüge der Russen. Wo kamen sie eigentlich her, die Separatisten im Donbas? Ist es plausibel, dass die Ukrainer das Massaker in Butscha selbst veranstaltet haben? Und was geschah wirklich beim Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa? Ein Perspektivwechsel.

Es gibt jedoch auch in Russland Neonazis, wobei „Russlands Einsatz von Rechtsradikalen auf der Seite der Separatisten in den [Donbas-]Provinzen Donezk und Luhansk größere militärische und politische Auswirkungen hatte als die Beteiligung rechtsextremer ukrainischer Gruppen“, so der russische Politologe Wjatscheslaw Lichatschow.42 Besonders hervorzuheben sind Russitsch, die Russische Reichsbewegung und die Russische Nationale Einheit.

Lichatschow kann kaum als Verharmloser ukrainischer Neonazis bezeichnet werden. 2018 schrieb er:

„Rechtsextreme politische Kräfte stellen eine echte Bedrohung für die demokratische Entwicklung der ukrainischen Gesellschaft dar. […] Ihre Aktivitäten stellen die Legitimität des Staates infrage, untergraben seine demokratischen Institutionen und bringen die Strafverfolgungsbehörden des Landes in Misskredit.“43

Im Kampf gegen den Kremlkritiker Alexei Nawalny setzte Moskau auf die Neonazi-Gruppe Russki Obraz.44 Kremlfunktionär Alexei Petrow, der in den sozialen Medien über Jahre Neonazipropaganda verbreitete, darunter Verweise auf Adolf Hitler und den Hitlergruß,45 war während des russisch-ukrainischen Krieges gemeinsam mit der russischen Präsidialkommissarin für Kinderrechte an der Entführung ukrainischer Kinder nach Russland beteiligt. Dmitri Utkin, Gründer der russischen paramilitärischen Gruppe Wagner, trug eine Tätowierung der Waffen-SS am Hals und einen Reichsadler auf der Brust.46 Denis Puschilin, der vor seiner politischen Karriere als Separatist im Donbas als Finanzbetrüger 47 unzählige Russen und Ukrainer um ihr Vermögen brachte, verlieh 2022 einen Orden an einen Separatisten, der neonazistische Abzeichen an seiner Uniform trug.48

Die Zwangsrekrutierung für den russischen Krieg gegen die Ukraine betrifft überproportional ethnische Minderheiten, was eindeutig rassistisch ist.49 Viele ländliche Gemeinschaften ethnischer Minderheiten wurden praktisch entvölkert.50 Die Zahl der russischen Todesopfer unter den ethnischen Minderheiten ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung weitaus höher als die Zahl der gefallenen Soldaten aus Moskau.51

Eine Untersuchung von Richard Arnold von der Muskingum-Universität aus dem Jahr 2015 stellte zudem fest, „dass Russland für ethnische Minderheiten in der Tat das gefährlichste Land in Europa ist“, was rassistisch motivierte Morde und Gewaltverbrechen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung angeht.

2016 setzte Putin seine Unterschrift unter das Jaro­waja-Gesetz, das religiöse Minderheiten diskriminiert. 2018 folgte ein Sprachengesetz, das Minderheitensprachen herabstuft. Die russischen Behörden weigerten sich konsequent, Genehmigungen für Demonstrationen gegen das Gesetz zu erteilen, und die Polizei nahm selbst Personen fest, die vermeintlich legale Ein-Personen-Mahnwachen abhielten.52

In den seit 2014 von Russland besetzten Gebieten der Ukraine findet eine fanatische Entukrainisierung und Russifizierung statt.53 Bei der Analyse diskriminierender antirussischer Maßnahmen seitens der Ukraine muss dieser Kontext berücksichtigt werden.

Das Massaker in Butscha – westliche Propaganda?

Das Massaker in Butscha, einem Vorort von Kyjiw mit knapp 40.000 Einwohnern, führte zu vielen Spekulationen in den alternativen Medien, obwohl die wesentlichen Fakten klar sind. Es gibt eindeutige Videobeweise für die Morde an ukrainischen Zivilisten durch russische Besatzungstruppen.

In einem Video sieht man Irina Filkina. Sie war zu Beginn der russischen Invasion zunächst an ihrer Arbeitsstelle geblieben. Am 5. März 2022 fuhr sie mit dem Fahrrad nach Hause. An einer Kreuzung wurde sie aus etwa 50 Metern Entfernung am helllichten Tag auf ansonsten menschleerer Straße von einem gepanzerten Fahrzeug aus erschossen, obwohl sie unbewaffnet war.54

In einem weiteren Video vom 19. März 2022 sieht man russische Soldaten, die sich dem Firmengelände eines Campingausstatters nähern. Nur der Eigentümer und ein unbewaffneter Wachmann befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Gelände. Nach einer kurzen Unterhaltung und einer vermeintlichen Verabschiedung schossen die russischen Soldaten den unbewaffneten Männern in den Rücken. Danach plünderten die russischen Soldaten das Firmengelände und stahlen dabei Alkohol und ein Fahrrad.55

Nur wenige in den alternativen Medien erwähnen diese Videobeweise. Stattdessen argumentieren sie, es sei unrealistisch, dass der Bürgermeister von Butscha nicht umgehend nach dem Abzug der russischen Truppen vom Massaker berichtete, sondern erst drei Tage später, was auf eine Inszenierung hindeute.

Dieses Argument ist absurd. Die Morde an ukrainischen Zivilisten fanden vereinzelt und dezentral statt. Die meisten Einwohner von Butscha versteckten sich über Wochen in ihren Häusern und Wohnungen. Der Bürgermeister hatte während der Besatzung keine Möglichkeit, die über die Stadt verteilten Morde zu registrieren oder zu untersuchen.

Die russischen Truppen hatten Butscha am Ende des 30. März 2022 verlassen. Ukrainische Truppen erreichten Butscha am 31. März und verbrachten den Rest des Tages damit, die Stadt auf Landminen und sonstige potenzielle Bedrohungen zu untersuchen. Am 1. April erklärte die ukrainische Armee, dass die Stadt gesichert ist. Erst dann verließen die Einwohner ihre Häuser, und Journalisten begannen, die Situation vor Ort zu untersuchen.

Nach einer eintägigen Untersuchung einschließlich Gesprächen mit Einwohnern begannen die Medien am Morgen des 2. April mit der Berichterstattung über die Funde Hunderter über das Stadtgebiet verteilter Leichen, die auf Straßen, in Kellern, Hinterhöfen und Massengräbern gefunden wurden. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse ist somit absolut realistisch.

Der russische UN-Gesandte Wassili Nebensja behauptete am 5. April vor dem UN-Sicherheitsrat, eine Stadträtin von Butscha habe in einem Interview mit Meduza gesagt, „dass sie nicht gesehen hat, wie die russischen Streitkräfte Zivilisten exekutiert haben, und dass die ukrainischen Streitkräfte an den meisten Verstößen schuld sind“.56

Bei der zitierten Frau kann es sich nur um Katerina Ukrainzewa handeln, deren Interview mit Meduza einen Tag zuvor erschienen war. Tatsächlich bestätigte die Stadträtin, die sich bis zum 11. März in Butscha aufhielt, keine Tötungen gesehen zu haben. Sie berichtete jedoch nicht von Verstößen durch ukrainische, sondern durch russische Truppen. Sie sagte:

„Bis zum 8. oder 9. März durfte niemand nach draußen gehen. […] Es war derselbe Tag, an dem die ersten Berichte über zivile Leichen auf den Straßen auftauchten. […] Einer von ihnen war mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, ein Paar war zusammen spazieren gegangen. Sie lagen einfach da, alle in unterschiedlichen Positionen.“57

Oft wird in den alternativen Medien kolportiert, weiße Armbinden bei einigen Opfern würden zeigen, dass es sich bei ihnen um prorussische Kollaborateure handelte, die von den ukrainischen Truppen ermordet wurden. Grundsätzlich sind solche Morde natürlich möglich. Ein weißes Armband ist jedoch kein eindeutiges Indiz für eine prorussische Gesinnung. Unzählige Bewohner von Butscha berichteten, von den russischen Truppen gezwungen worden zu sein, ein weißes Armband zu tragen. Laut der Genfer Konvention sind Zivilisten jedoch geschützt, es darf kein Zwang gegen sie ausgeübt werden. Beim Zwang zum Tragen eines weißen Armbands handelt es sich somit um ein Kriegsverbrechen.

Am 17. März fuhren der 47-jährige Ruslan Netschipurenko und sein 14-jähriger Sohn Juri mit ihren Fahrrädern ins Stadtzentrum von Butscha, um Medikamente und Lebensmittel zu besorgen. Beide trugen weiße Armbänder, um sich als Zivilisten auszuweisen. Auf ihrem Weg wurden sie von einem russischen Soldaten angehalten und beschossen, obwohl sie sich eindeutig als unbewaffnete Zivilisten zu erkennen gaben. Diese Geschichte ist nur deshalb bekannt, weil Juri Netschipurenko verletzt überlebte.58

Tatjana Nedaschkiwskij berichtete ebenfalls, dass russische Soldaten ihre Familie gezwungen hatten, weiße Armbinden zu tragen. Am 18. März entführten russische Soldaten zudem ihren Ehemann Wassilij und ihren Nachbarn, Igor Litwinenko. Offenbar hatte ein Informant den russischen Soldaten verraten, dass Igor und Wassilij vor der Ankunft der russischen Truppen geholfen hatten, Schützengräben für die Verteidiger von Butscha auszuheben. Tatjana fand die Leichen ihres Mannes und ihres Nachbarn nach dem Abzug der russischen Truppen in einem Keller, in dem beide offenbar vor ihrem Tod gefoltert wurden.59

Ähnliche Szenen spielten sich auch in weiteren ukrainischen Städten ab. Allein in Borodjanka, 60 Kilometer nordwestlich von Kyjiw, berichteten 200 Personen von willkürlichen Tötungen von Zivilisten durch russische Soldaten.60

Kommentare

11. Oktober 2024, 10:43 Uhr, permalink

Daniel

Der Artikel regt zum Nachdenken an und hat mich dazu veranlasst, noch einmal zwei Interviews mit Jacques Baud herauszukramen, um sie hinsichtlich der hier gelieferten Informationen abzuklopfen. Die Frage ist tatsächlich, was zuerst war: Huhn oder Ei? Waren erst die russischen Undercover-Separatisten (s. Dugin & Co.) im Donbas, oder haben die Ukro-Faschos zuerst Stress gemacht? Dann die Sache mit der Krim - das ist schon alles sehr verstrickt.

Interview 1: t1p.de/y55rq

Interview 2: t1p.de/7bi4j

Allerdings hat mir der Artikel auch klargemacht: In den globalen Führungsebenen sind immer noch zig machiavellistische Paviane am Werkeln, die sich gegenseitig ihr "Territorium" streitig machen. Und bist du nicht willig ...

Wichtig und neu war für mich unter anderem der Fakt, was Russland im Nachgang der Friedensverhandlungen beim Istanbuler Kommuniqué forderte, wo die Ukraine ja fast sämtlichen Forderungen der Russen entsprochen hatte:

"Als Johnson wieder aus der Ukraine abgereist und die russische Armee aus dem Norden der Ukraine abgezogen war, reagierte Russland mit einer zusätzlichen Forderung. Unmittelbar vor der russischen Großoffensive im Donbas forderte Russland das Recht, im Falle eines erneuten Angriffs auf die Ukraine internationale Hilfe für die Ukraine mit einem Veto verbieten zu können."

Wie vereinbart sich das Ziel der "Entmilitarisierung und Entnazifizierung" - also quasi das Recht des Stärkeren - mit dem Recht einer Nation, ihren Weg selbst zu wählen? Wenn sich die Ukraine gen Westen orientieren will und territoriale Integrität fordert ... so what?

12. Oktober 2024, 15:29 Uhr, permalink

Jo

"Wenn sich die Ukraine gen Westen orientieren will und territoriale Integrität fordert ... so what?"
Dieser Satz birgt die westlichen Sofafur...kultur in Reinform, sadistisch, aggressiv, kalt, Maschinenwesen. So what. Vlt sind die meisten Menschen auf der Erde mittlerweile so, so what? Immer nach dem Motto "mal sehen wie weit sie mich machen lassen". So what.
Mehr lohnt sich nicht dazu zu sagen. Auch nicht zum eigentlichen Artikel. Keinen Atemzug wäre es wert.
Und ja, I'm not a robot musste ich erklären um diese wenigen Zeilen zu schreiben.

15. Oktober 2024, 00:04 Uhr, permalink

Chris

Russland kann doch Russland bleiben, auch wenn die Ukraine sich gen Westen orientiert. Inwiefern eine Orientierung gen Westen den Ukrainern gefällt oder nicht, ist eine innerukrainische Angelegenheit, dennoch hat Russland da mit militärischer Gewalt reingefunkt. Natürlich hat der Westen beim Maidanmassaker auch reingefunkt, was kriminell war, aber natürlich ist der russische Krieg verheerender als das Maidanmassaker und daher mehr zu verurteilen.

Unterm Strich ist festzuhalten, dass weder die Ukraine noch die NATO ihre Soldaten nach Russland geschickt haben, dennoch hat Russland seine Soldaten in die Ukraine geschickt. Später wird man im Geschichtsunterricht lernen: "Russland hat die Ukraine angegriffen und einen Teil des Landes erobert." Die vermeintlichen Gründe sind Schall und Rauch. Entscheidend ist auf dem Platz, wie es beim Fußball so schön heißt. Und auf dem Platz wurde Russland nicht angegriffen, hat sich also nicht gegen einen konkreten Angriff auf russisches Territorium verteidigt, sondern initiativ ukrainisches Territorium angegriffen, militärisch ab 2014.

Wenn man den russischen Angriff gutheißen oder rechtfertigen will, müsste man argumentieren, dass er mehr Nutzen als Schaden brachte. Man müsste argumentieren, dass ohne den Angriff noch mehr Menschen getötet worden wären und noch mehr zerstört worden wäre. Wie wahrscheinlich ist das? Letztlich ist Putins Argumentation, er musste angreifen, um mehr Schaden abzuwenden, genauso fadenscheinig wie die Argumentationen bei CoViD und CO2, wo komplett überzogene Maßnahmen mehr Schaden als Nutzen brachten, genau wie Putins Angriff auf die Ukraine.

Der Westen und die NATO werden in den alternativen Medien ständig und zurecht verurteilt, aber wo ist die Verurteilung eines Angriffskrieges, der zehntausende – wenn nicht noch mehr – Todesopfer forderte? In der Ukraine hassen die meisten Russland wegen des Krieges, dennoch will Russland noch mehr Territorium erobern und noch mehr Menschen russifizieren, die das offensichtlich nicht wollen. Was soll das?

Die Kriege gegen den Irak und Afghanistan haben alle zurecht verurteilt. Nicht weil die Regierungen dort so toll waren, im Gegenteil, das waren Tyranneien. Dennoch haben alle die Kriege gegen den Irak und gegen Afghanistan verurteilt, einfach weil Angriffskriege falsch sind. Beim Irak und in Afghanistan wussten das alle, in der Ukraine vergessen es alle. Da heißt es plötzlich "ja aber die Regierung da ist korrupt" und so weiter, als ob das einen Angriffskrieg rechtfertigen würde.

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