Wie ist es möglich, dass eine von sechs Hebammen durch ihren Beruf eine posttraumatische Belastungsstörung erleidet? Warum werden Hausgeburten und Geburtshäuser – die praktikablen Entbindungsalternativen – systematisch unterfinanziert, von den Medien verteufelt und vom medizinischen Establishment diskreditiert?
Ich frage mich: Wenn Mütter und Babys keine Vorteile aus den derzeitigen Geburtsmethoden ziehen, wer dann?
Die Antwort versteckt sich hinter den öffentlichen Debatten über Geburtshilfe versus Hebammenbetreuung und medizinische versus natürliche Geburt. Es gibt zwar eine ganze Reihe kommerzieller Interessengruppen, die von medikalisierten Geburten profitieren (darunter Screening-, Diagnose- und Versicherungsunternehmen, Geburtshelfer, Anästhesisten und andere Fachärzte, Krankenhäuser, Berufsverbände, Werbe- und PR-Firmen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen für künstliche Säuglingsmilch), aber auf der anderen Seite steht noch ein weiterer großer Profiteur, der, obwohl er an fast jeder Geburt beteiligt ist, das Rampenlicht zu meiden scheint: die Pharmaindustrie.
Dass es Big Pharma in erster Linie um Gewinne und Markterschließung geht, ist ein offenes Geheimnis, aber verlässliche Zahlen und Daten, vor allem im Bereich der Geburtsmedizin, sind nur schwer zu finden. Das mag daran liegen, dass sie auch schwer zu erheben sind – insbesondere wenn es um individuelle Geburts- und Folgekosten geht. Ein paar Zahlen bringen uns der Antwort dennoch näher. Nimmt man zum Beispiel die von der WHO empfohlene Kaiserschnittquote, die anhand fundierter Forschung berechnet wurde und seit den frühen 1980er-Jahren bei 10 bis 15 Prozent liegt, und vergleicht sie mit der offiziellen Quote von 38 Prozent bei rund 300.000 Geburten jährlich in Australien, bekommt man eine Ahnung von den Summen, die für unnötige Medikamente fließen. Natürlich, die Geburt selbst verursacht auch Kosten – aber es ist augenscheinlich, dass Big Pharma profitiert. Laut offiziellen Zahlen der australischen Regierung weiß man beispielsweise, dass rund 80 Prozent der werdenden Mütter pharmazeutische Mittel zur Schmerzreduktion und fast 44 Prozent von ihnen geburtseinleitende Medikamente verabreicht werden.
Warum wird niemand zur Verantwortung gezogen?
Angesichts des eklatanten Mangels an Transparenz aufseiten der Pharmalobby muss man sich die Frage stellen, weshalb sie nur so selten von der Presse oder Aktivisten ins Visier genommen wird. Ich sehe dafür zwei mögliche Erklärungen.
Zunächst wäre die allgemeine Unkenntnis über Entbindungen in früheren Zeiten zu nennen. Die weitverbreitete Annahme, dass Geburten immer eine lebensgefährliche, schmerzerfüllte Qual für die Frauen gewesen seien – vor allem ohne anwesenden Entbindungsarzt –, trifft so nicht zu.
Auf der anderen Seite steht der bewährte Modus Operandider Pharmaindustrie, die sich ihren Markt und den Bedarf nach ihren Angeboten selbst erschafft, indem sie Einfluss auf Universitäten, Forschungszentren, klinische Studien und medizinische Fachzeitschriften nimmt. Pharmavertreter unterwandern nationale und internationale Regulierungsbehörden mittels Drehtürpolitik und nehmen so Einfluss auf Leitlinien und politische Entscheidungen, die das Leben von Milliarden Menschen beeinflussen. Auch die australische Regulierungsbehörde für therapeutische Mittel (TGA), deren Zweck es eigentlich sein sollte, die Konsumenten zu schützen, wird fast ausschließlich durch Gelder der Pharmaindustrie finanziert. „Es ist ein wenig, als würde man den Fuchs den Hühnerstall bewachen lassen“, bringt es Professor Stephen Duckett vom Grattan Institute auf den Punkt.
Bekannt ist außerdem, dass Big Pharma gern mit Meinungsführern in gehobenen Positionen zusammenarbeitet und sich über Interna bedeckt hält, die nur von Zeit zu Zeit durch diverse Whistleblower ans Tageslicht kommen.
Doch wie genau kommt bei alledem die Geburtsmedizin ins Spiel?
Kommentar schreiben