Wir haben uns an die Kornkreise gewöhnt. Ihre alljährliche Saison ist fest in unseren Kalendern verankert. Wer (oder was) auch immer für ihre Existenz verantwortlich ist, befleißigt sich weiter seiner Kunst und ließ sich bislang weder durch abflauendes Medieninteresse noch durch öffentliche Teilnahmslosigkeit abschrecken. Von der früheren Begeisterung ist einiges verloren gegangen, dafür haben die Kornkreise inzwischen etwas beinahe Tröstliches. Für alle, die sich für ungewöhnliche Phänomene begeistern, hat der europäische Sommer erst begonnen, wenn eine genügende Zahl neuer Formationen aufgetaucht ist. Die Kreise geben uns das beruhigende Gefühl, dass die Ordnung der Dinge wiederhergestellt ist. Falls das Phänomen in einem Jahr einmal ausbleiben sollte, wäre die Verwirrung groß. Noch deutet aber nichts auf ein Ende hin.
Abb. 1: Hampton Lucy, nahe Stratford-upon-Avon, Warwickshire, UK. Gemeldet am 8. August. Bild: www.LucyPringle.co.uk
Die Zahlen für 2015 liegen zum Zeitpunkt der Niederschrift knapp im Bereich der Vorjahre mit 43 Meldungen weltweit und 38 davon in Großbritannien. Genug, um Aufmerksamkeit zu erregen. Immer noch lassen sich Neulinge von den Kreisen und den damit einhergehenden Kontroversen anregen. Und ja – es gibt unerklärlicherweise Menschen, an denen das Thema bisher vorbeigegangen ist. Die alte Botschaft der Kreise, ob gewollt oder ungewollt, ist weiter aktuell: Der menschliche Geist soll mit der Vorstellung konfrontiert werden, dass unser Verständnis der Welt vielleicht doch nicht so vollständig ist, wie manche Leute uns glauben machen.
Frühe Designs der Saison
Das Kornkreisjahr begann außerhalb der üblichen englischen Schauplätze: Schon am 4. Januar machte Mexiko den Auftakt mit einem dreifachen Rad in einem Maisfeld bei Guadalajara im Bundesstaat Jalisco, gefolgt von Brasilien am 4. März mit einem einfachen Mais-Emblem in der Nähe von Içara (Santa Catarina).
Die Saison im Vereinigten Königreich wurde mit zwei eher schlichten Exemplaren im April eröffnet. Die traditionelle Kornkreishochburg Barbury Castle in Wiltshire startete – ungewöhnlich früh – am 9. April. Hier erschien ein einfacher Ring mit bescheidenen Anhängseln, ausgeführt in niedrigem Weizen. Bemerkenswert ist, dass nur ein einziger Kreis in einem Rapsfeld gesichtet wurde, wo sonst die Mehrheit der Frühankömmlinge auftaucht. Dieses Jahr wurde in Großbritannien wohl weniger Raps gesät, was die Anomalie vielleicht erklärt. Das einzelne Exemplar war eine leicht unbeholfene sechsteilige Blume in Yatesbury (Wiltshire) am 10. Mai, die angeblich für eine Fernsehsendung entstand. Der Mai bescherte uns zwei ambitioniertere Formationen: einen beeindruckenden dreizehnzackigen Stern in einem stilisierten keltischen Kreuz in Manton Drove, nahe Marlborough (Wiltshire) am 24. sowie ein ungewöhnliches vierblättriges Kelten-Labyrinth in Blandford Forum (Dorset) am 30. des Monats.
Die anderen europäischen Länder brachten sich ebenfalls im Mai in Stellung. Ein fünfteiliges Emblem in der Ringslebenstraße am Rande der Berliner Gropiusstadt am 18. Mai wirkte schlicht, aber ansprechend. In der Zwischenzeit nahmen die Niederlande in der Region Noord-Brabant ihre Arbeit an den Designs wieder auf, die mit dem Medium Robbert von den Broeke in Zusammenhang gebracht werden. Einige waren einfach gestrickt, andere komplexer – wie gewohnt untermalt von einer ziemlich aufgeheizten Debatte. Vier Formationen tauchten im Mai auf, nach einer einzelnen im April. Den Sommer über sollten noch weitere sechs holländische Kreise folgen. Bemerkenswert war ein eigentümliches 13-teiliges Raupendesign – komplett mit Fühlern und Beinen – in Bettewaardsedijk (Zeeland) am 9. Juni. Berichten zufolge wurde es für ein Schulprojekt hergestellt.
Der beeindruckendste Kreis des Monats außerhalb Englands wurde am 8. Mai im Pekinger Stadtbezirk Fangshan gesichtet. Schon früher waren Kornkreise in China aufgetaucht (wenn auch selten), dieser war aber der bisher aufwändigste und schönste. Er bestand aus einem präzisen und komplexen zwölfteiligen Kranz, der einen sechsblättrigen floralen Innenteil einfasste. Im Vergleich dazu brachte eine andere Supermacht – die USA – dieses Jahr lediglich einen einzigen Versuch zustande, am 21. Mai in Gray, Tennessee. Es handelte sich dabei um ein eher unambitioniertes Exemplar aus drei miteinander verflochtenen Ringen. So eifrig und interessiert die US-amerikanischen Kornkreisforscher bei der Sache sind, so rätselhaft bleibt es, warum ihnen so wenige eigene Formationen vergönnt sind.
Ein ereignisreicher Monat in Italien
Viel zu sehen gab es im Juni in Italien. Der Monat begann mit zwei Kreisen in Castelnuovo Berardenga in der Provinz Siena – zuerst ein aus mehreren Ringen gefertigtes Motiv am 2., danach eine sechsteilige Anordnung ähnlich dem Steuer eines Schiffs am 3. Juni. An den Tagen zuvor wurde von merkwürdigen Leuchterscheinungen im Umkreis des Ortes berichtet.
Abb. 2: Pontecurone, Alessandria, Italien. Gemeldet am 7. Juni. Bild: Conal Doyle © 2015
Italiens Blütezeit war damit noch nicht zu Ende: Am 7. Juni beeindruckte in Pontecurone (Piemont) ein sauber ausgeführtes achtteiliges Mandala aus flachen Dreiecken innerhalb eines Rings die Beobachter (Abb. 2). Am 20. wurde es von einem noch aufwändigeren Design in Ravenna (Emilia-Romagna) übertrumpft (Abb. 3). Die genial ausgeführte Arbeit ließ an ein Speichenrad oder ein Karteikarten-Karussell denken, überlagert von einem Kreis mit kleinem, dezentralem „Mittelpunkt“. Insgesamt wirkte das Design wie eine astronomische Konstellation – vielleicht Jupiter, der sich vor die Sonne schiebt.
Abb. 3: Ravenna Wasserski-Club, nahe Cervia, Italien. Gemeldet am 20. Juni. Bild: Angela Galeotti © 2015
Wenigstens einmal im Jahr wartet die Turiner Gegend in Piemont mit einem fantastischen Design auf. Das Jahr 2015 war keine Ausnahme. Am 23. Juni erschien eine bemerkenswert schöne und komplexe 16-teilige Blume, reichlich verziert mit den für die Region typischen kleinen Dreiecken, zifferblattartigen Segmenten und strahlengleichen Reihen aus winzigen Ringen und Kreisen (Abb. 4).
In den letzten Jahren sind immer mehr Kornkreise in Italien aufgetaucht und haben entsprechende Reaktionen der Skeptikergemeinde hervorgerufen. Die Diskussionen kochen hier immer noch so hoch, wie es im Vereinigten Königreich einst der Fall war – bevor die Kreise in der alltäglichen Gleichgültigkeit verschwanden.
Den vollständigen Artikel finden Sie in Ausgabe 62.
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