Wir sind uns sicher einig, dass auch daran nichts Verdächtiges ist. Also machen wir wieder einmal weiter im Text.
Wie Barney Hoskins in seinem Buch „Hotel California. Singer-Songwriter und Kokain-Cowboys in den Canyons von L. A.“ schrieb, war der Laurel Canyon in den Fifties die Heimat der „hippsten jungen Schauspieler“, darunter Marlon Brando, James Dean, James Coburn und Dennis Hopper. Neben Hopper und Dean fand auch ein anderer der Nachwuchsstars aus dem Film „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ im Canyon ein Zuhause: Natalie Wood. Zufälligerweise wohnte sie genau in dem Haus, das Cass Elliot Jahre später zu ihrer Partyhütte machen sollte. Ein vierter aufstrebender junger Hauptdarsteller aus dem Film, Sal Mineo, wohnte nahe der Canyon-Mündung; und noch ein weiterer, Nick Adams, im benachbarten Coldwater Canyon, keine zwei Kilometer Luftlinie entfernt.
Abgesehen von Hopper starben alle dieser hoffnungsvollen Stars in jungen Jahren einen tragischen Tod – was wieder einmal bewiest, wie gefährlich der Laurel Canyon sein kann.
Fangen wir mit dem amerikanischen Idol James Dean an, der am 30. September 1955 im zarten Alter von 24 Jahren bei einem Beinahe-Frontalzusammenstoß ums Leben kam. Ihm folgte Nick Adams, der Dean schon gekannt hatte, als beide noch als Strichjungen in den zwielichtigeren Vierteln von L. A. ihr Geld verdienten. Adams starb am 6. Februar 1968 mit nur 36 Jahren in seinem Haus in der 2126 El Roble Lane im Coldwater Canyon. Als offizielle Todesursache wurde naturgemäß wieder einmal Selbstmord angegeben. Der Schauspieler Forrest Tucker hat jedoch gesagt: „Jeder in Hollywood weiß, dass Nick Adams umgelegt wurde.“ Nicks Verwandte haben am Tag seines Todes angeblich Anrufe erhalten, bei denen wieder aufgelegt wurde; auffällig war zudem, dass sein Kassettenrecorder, seine Tagebücher, diverse Papiere und andere private Dinge aus seinem Haus nicht mehr auffindbar waren. Adams aufrecht in einem Sessel sitzender Leichnam wurde von seinem Anwalt Ervin „Tip“ Roeder aufgefunden. Ach ja, Roeder und seine Frau, die Schauspielerin Jenny Maxwell (bekannt dafür, dass ihr Elvis in seinem Film „Blue Hawaii“ den Hintern versohlte), wurden vor ihrer Eigentumswohnung in Beverly Hills von unbekannten Tätern erschossen.
Der nächste Kandidat war Sal Mineo, von dessen Ermordung am 12. Februar 1976 hier schon die Rede war. Und die letzte in der Reihe war Natalie Wood, die am 29. November 1981 unter nie geklärten Umständen ertrank. Bevor ihr Leichnam im Meer vor Catalina Island treibend aufgefunden wurde, war sie in Begleitung der Schauspieler Robert Wagner und Christopher Walken Gast auf einer Privatjacht. Sie war zum Zeitpunkt ihres Todes 43 Jahre alt.
Zu den Hollywood-Stars, die vor der Rock-Ära im Canyon wohnten, gehörten außerdem W. C. Fields, Mary Astor, Roscoe „Fatty“ Arbuckle, Errol Flynn, Orson Welles und Robert Mitchum. Letzterer wurde 1948 wegen Besitzes von Marihuana verhaftet – und zwar am Ridpath Drive Nr. 8334, in genau derselben Straße, wo später die Rockmusiker Roger McGuinn, Don Henley und Glen Frey wohnen sollten, ebenso wie Paul Rothchild, der die Doors und Love produzierte. Bei Mitchums Festnahme dürfte es sich übrigens um eine gründlich geplante Inszenierung gehandelt haben, die seinen Ruf als „böser Junge von Hollywood“ festigen und seine Karriere ankurbeln sollte – aber das gehört wahrscheinlich nicht hierher.
In den 1940er Jahren wohnte vermutlich auch der Science-Fiction-Autor Robert Heinlein im Laurel Canyon, und zwar im Haus 8775 Lookout Mountain Avenue. Auch er war, wie so viele andere Protagonisten dieser Geschichte, Absolvent derUSNaval Academy in Annapolis und hatte als Marineoffizier gedient, bevor er seine erfolgreiche schriftstellerische Laufbahn begann. Und obwohl Heinlein politisch ein absoluter Rechtsaußen war, liebte die Flower-Power-Generation seine Bücher.
Heinleins bekanntestes Buch ist der Roman „Fremder in einer fremden Welt“, der viele Mitglieder der Laurel-Canyon-Szene stark beeinflusste. Ed Sanders schrieb in seinem Sachbuch „The Family“, dass dieses Buch „der Manson-Familie eine theoretische Grundlage lieferte“. Charlie zitierte oft aus „Fremder“, wenn er zu seinen Jüngern sprach, und nannte seinen Erstgeborenen nach dem Romanhelden Valentine Michael Manson.
Auch David Crosby war Heinlein-Fan. In seiner Autobiographie bezieht er sich nicht nur einmal auf den Autor, zum Beispiel so:
„In einer Gesellschaft, die das Tragen von Waffen erlaubt, werden sich alle höflicher zueinander verhalten, wie Robert A. Heinlein schon geschrieben hat.“
Auch Frank Zappa liebte Heinlein. Barry Miles schreibt in seiner Biographie des Rock-Idols, dass in Zappas Bücherschrank
„Saint-Exupérys ,Der kleine Prinz‘ und andere Sixties-Kultbücher standen, darunter auch Robert Heinleins SF-Klassiker ,Fremder in einer fremden Welt‘, aus dem Zappa sich den Ausdruck ,discorporate‘ [eine außerkörperliche Erfahrung machen] für seinen Song ,Absolutely Free‘ lieh.“
Womit wir, werter Leser, wieder einmal den Bogen zu den wildromantischen 60er Jahren geschafft hätten, um die es im nächsten Teil gehen soll.
Doch was haben wir aus den vorangegangenen Seiten gelernt? Ja, genau: dass Mord und sinnlose Gewaltakte im Canyon seit seiner Erschließung auf der Tagesordnung standen. Und dass Geheimagenten, die sich als Unterhaltungskünstler ausgaben, ebenfalls seit den Anfangstagen zur Laurel-Canyon-Szene gehörten. Und schließlich, dass Geheimagenten, die sich nicht einmal als Unterhaltungskünstler ausgeben mussten, Tag für Tag im Lookout Mountain Laboratory tätig waren, und das mindestens 20 Jahre, bevor der erste Rockstar auch nur einen Fuß in den Canyon setzte.
Eine letzte Anmerkung noch: Wir sollen ja an den „glücklichen Zufall“ glauben, dass sich diese Musikidole auf einmal spontan im Laurel Canyon eingefunden haben. Doch wieviele seltsame Übereinstimmungen müssten wir übersehen, um einen solchen Zufall für möglich zu halten?
Na gut, tun wir einmal so, als wären wir der junge Mann an Bord des Flugzeugträgers, der von seinem Vater befehligt wird. Wir sind noch nicht lange im Laurel Canyon und jetzt bereits Sänger einer Band, die das Land demnächst im Sturm erobern wird. Etwa eineinhalb Kilometer am Laurel Canyon Boulevard von uns entfernt wohnt ein weiterer Neuankömmling, der ebenfalls Frontman einer Band ist, die an der Schwelle zum Ruhm steht. Der Typ ist mit einem Mädchen verheiratet, mit dem wir im Kindergarten waren und deren Vater so wie unserer in Sachen Atomwaffenforschung und -tests tätig war. (Admiral George Morrison arbeitete eine Zeitlang an Geheimprojekten im Testgelände White Sands.) Der Vater ihres Ehemanns wiederum forscht an einer anderen Art von Massenvernichtungswaffen, nämlich an chemischer Kriegsführung.
Der Geschäftspartner und Manager dieses anderen Typen ist ein etwas unheimlicher Ex-Marine, der ganz zufällig einen Cousin hat, der komischerweise auch bei einer Rockband singt, die auf dem Sprung zum Superstar-Leben ist. Und auch dieser dritte aufstrebende Rockstar wohnt im Laurel Canyon, nur wenige Kilometer von unserem Haus entfernt. Und ein paar Straßen weiter, ein kurzes Stück zu Fuß, leben zwei andere junge Leute, die – wer hätte das gedacht? – auch Mitglieder einer Rockband sind. Die beiden haben zufälligerweise dieselbe High-School in Alexandria, Virginia besucht wie wir; einer von denen war auch in Annapolis, so wie unserer Vater und der unserer Kindergartenfreundin.
Obwohl die ganze Gruppe aus der Gegend von Washington,DCstammt oder große Teile ihrer Kindheit dort verbrachte, finden wir uns nun alle am entgegengesetzten Landesende wieder, in einem abgeschiedenen Canyon hoch über der Stadt Los Angeles und ganz in der Nähe einer geheimen Militäreinrichtung. Unser Vater, der ja früher in der Atomwaffenforschung tätig war, weiß wahrscheinlich über dieses Lookout Mountain Laboratory und dessen Aktivitäten Bescheid, genauso wie der Vater unserer Kindergartenfreundin und wahrscheinlich auch die Väter einiger anderer Laurel-Canyon-Promis.
Und jetzt fragen wir uns: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um reinen Zufall handelt?
Fortsetzung folgt.
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