Fitness-Studios für multiresistente Erreger
Die moderne Zivilisation macht uns für die Entstehung und Ausbreitung pandemischer Infektionen sehr anfällig. Dicht bevölkerte Städte und schnelle Verkehrsverbindungen zwischen den einzelnen Zentren sind Faktoren, die Pandemien begünstigen.
Doch auch die Fleischwarenindustrie erfüllt diese ungünstigen Voraussetzungen. Typisch für diese Industrie sind der umfassende weltweite Handel mit Fleischprodukten sowie Nutztiere, die auf so engem Raum gehalten werden, wie man das Menschen selbst in den überfülltesten Städten nie zumuten würde.
Und es kommt noch schlimmer. 60 bis 80 Prozent der gesamten Antibiotika-Produktion der USA werden von der Fleischwarenindustrie für ein gesteigertes Wachstum der Tiere, also für nichttherapeutische Zwecke verwendet.13 Man benutzt immer mehr Antibiotika, um das Nutzvieh schneller wachsen zu lassen, damit die Industrie mehr Fleisch pro Tier gewinnen kann. Das wäre ja an sich vielleicht noch nicht schlecht, wenn Krankheitserreger nicht die üble Angewohnheit hätten, sehr schnell arzneimittelresistent zu werden und damit die verfügbaren Antibiotika nutzlos – und uns hilflos – zu machen.
Das ist aber noch immer nicht alles. Wie bereits nachgewiesen wurde, breiten sich die von der Fleischwarenindustrie bestens trainierten multiresistenten Erreger durch Wasser, Luft und Erde aus.14 Noch bevor die WHO und die Medien die Schweinegrippe zum nächsten Kandidaten für eine Pandemie ausriefen, kam es Mitte Februar 2009 zum eigenartigen Ausbruch einer Atemwegserkrankung in der mexikanischen Gemeinde La Gloria, von dem mehr als die Hälfte der etwa 3.000 Einwohner betroffen waren. Zwei Kinder starben an der Krankheit. Als deren möglicher Urheber wurde bald eine Produktionsstätte der Firma Smithfield Foods Inc. im etwa 19 Kilometer entfernten Perote verdächtigt. Smithfield ist der weltweit führende Schweinefleischproduzent und nicht gerade für besondere Leistungen im Umweltschutz bekannt. Wie der Guardian berichtete, bekräftigte das Oberste Bundesgericht der USA im Oktober 2000 eine Geldstrafe in der Höhe von 12,6 Millionen Dollar, die von der US-Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency gegen das Unternehmen ausgesprochen worden war, weil es den Pagan River bei Smithfield in Virgina verseucht hatte.15
Die in Mexiko-Stadt erscheinende Zeitung La Jornada lieferte der mexikanischen Öffentlichkeit furchtlos ihre eigene Interpretation der La-Gloria-Krankheit:
„Aussagen von staatlichen Mitarbeitern des Sozialversicherungsinstituts zufolge sind die Verursacher dieses Krankheitsausbruchs die riesigen Fliegenschwärme, die aus den Schweinestallungen aufsteigen, sowie die Abwasserteiche, in die das mexikanisch-amerikanische Unternehmen tonnenweise Exkremente einleitet.“16
Über diesen möglichen Zusammenhang wird in den Mainstream-Medien kaum berichtet; dort spricht man lieber von natürlich entstandenen Killerviren als von industriell erzeugten Gefährdungen und Schadstoffen, zu denen auch arzneimittelresistente, mutierte Mikroorganismen gehören. Schließlich sind Viren zwar mikroskopisch klein, aber dennoch problemlos als Sündenböcke auszumachen – sie haben ja auch keine Anwälte oder gute Beziehungen zu Politikern.
Trotzdem verbreitete sich die „Schuld ist die Industrie“-Epidemie auch außerhalb Mexikos. Steven Trunell, wohnhaft in Texas, stellte im Namen seiner verstorbenen Frau Judy Rodriguez Trunell einen Antrag wegen rechtswidriger Tötung. Mrs. Trunell, eine Lehrerin, war im achten Monat schwanger, als sie am 19. April 2009 mit Schweinegrippe ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sie starb am 5. Mai, kurz nach der Geburt ihres Kindes durch Kaiserschnitt. Trunell macht Smithfield Foods für den Tod seiner Frau verantwortlich, da die Produktionsstätten des Unternehmens seiner Ansicht nach eine ernste Bedrohung der öffentlichen Gesundheit darstellen. In dem Antrag vom 11. Mai 2009 schreibt Trunell, dass es
„möglicherweise Beweise dafür gibt, dass die Bildung des neuen tödlichen Schweinegrippe-Virenstamms […] mit der gigantischen Schweinefarmanlage von Smithfield Foods in Mexiko zusammenhängt. Dieser Anlage, die zum Teil von Smithfield Foods geleitet wird, ist zu einer ungeheuer unhygienischen Brutstätte für ein tödliches Virus geworden.“17
Solide Beweise für diese Annahme finden sich auch in der wissenschaftlichen Literatur – und das nicht erst seit gestern. Doch niemand hat es bisher gewagt, etwas gegen die Fleischbarone zu unternehmen. Trunells Antrag ist das erste Gerichtsverfahren seiner Art und könnte sehr gut einen Präzedenzfall konstituieren, der unsere moderne Zivilisation grundlegend verändern und uns zwingen wird, den vom Menschen verschuldeten Gefahren ins Gesicht zu schauen, statt Milliarden Dollar für die sinnlose Jagd auf Viren zu vergeuden. Schließlich sind es oft kleine Initiativen, die zu großen Veränderungen führen. Unsere Zeit macht es notwendig, zu den alten Werten zurückzukehren. Wenn das Leben an sich einen Wert besitzt, dann sollte auch Fleisch – als direktes Erzeugnis des Lebens – nicht nur einen Nährwert, sondern auch ästhetische, finanzielle und „moralische“ Werte besitzen. Wir können es uns nicht mehr leisten, unsere Nahrung einzig und allein dem Profitstreben zu unterstellen. Wir können uns Billigfleisch nicht mehr leisten. Im Gegenteil, wir brauchen teures, wertvolles Fleisch – immerhin ist es ein Teil dessen, woraus wir bestehen.
Niemand von uns will aus „Dreck“ bestehen. Also ist es Zeit für uns alle, eine Kampagne gegen Billigfleisch ins Leben zu rufen.
Kommentare
04. Februar 2010, 14:25 Uhr, permalink
mescalinio
Wie wär's statt einer Anti-Billigfleisch-Aktion eine Anti-Fleisch-Aktion anzufangen? Und wenn wir alle Vegetarier sind, können wir endlich eine gegen genmanipuliertes und verseuchtes Gemüse starten ... und siehe da: Schritt für Schritt haben wir die Welt gerettet.
Das mit Fleisch wäre dann geklärt, aber was ist nun mit all den Impfungen und sogar Zwangsimpfungen ... ???
Es wäre noch erträglich, wenn es nur um Geld gehen würde, aber wer möchte denn ein Versuchskaninchen der Pharmaindustrie sein ... denn genau das sind wir.
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