Kleine Chronik der neuartigen Epidemien

Drohende Pandemien bringen den Pharmafirmen hohe Gewinne ein – doch das Medikament Tamiflu, das gar nicht zur Behandlung der Schweinegrippe bestimmt ist, wird falsch eingesetzt und ist gegen die derzeit vorherrschenden Grippevirenstämme nicht mehr wirksam.

Tamiflu als Allheilmittel

Der nächste Kritikpunkt: Die Vogelgrippe brachte Tamiflu (Oseltamivir) hervor – ein kommerziell äußerst erfolgreiches Präparat. Jetzt wird plötzlich auch Schweinegrippe mit Tamiflu behandelt, was Roche – dem Pharmariesen, der das Medikament herstellt und vermarktet – Gewinne in Milliarden-Höhe einbringt. Doch Roche ist nicht das einzige Unternehmen, das von den gestiegenen Tamiflu-Verkäufen profitiert. Die Rechte für das Medikament liegen bei der Biotechnologie-Firma Gilead Sciences. Donald Rumsfeld, der ehemalige amerikanische Verteidigungsminister, war früher Vorstandsvorsitzender bei Gilead und hielt auch nach seinem Eintritt in die Regierung Bush (2001) erhebliche Anteile an dem Unternehmen.9

Nun ist es ja kein Verbrechen, mit einem Präparat, das die Erde vor Monsterviren beschützen kann, ein paar Millionen Dollar mehr zu verdienen. Das Problem dabei ist nur, dass Tamiflu trotz seines kommerziellen Erfolgs nicht unbedingt ein erfolgreiches Mittel gegen Grippeviren ist.

2005 sagte der amerikanische Gesundheitsminister Mike Leavitt über die Wirksamkeit von Tamiflu gegen Vogelgrippe:

„Tamiflu ist wirksam oder wenigstens teilweise wirksam. Wir wissen nicht, wie wirksam es gegen das Virus ist.“10

Von Gesundheitsexperten, die tatsächlich Vogelgrippe-Patienten mit Tamiflu behandelt hatten, kamen eher enttäuschende Berichte. Doch trotz der Bedenken in Bezug auf die Wirksamkeit des Medikaments bei Vogelgrippe setzen wir es heute gegen die Schweinegrippe ein, als wäre Tamiflu ein Grippe-Allheilmittel.

Arzneimittelresistente Viren

Es kommt noch schlimmer. Dr. Anne Moscona, Professorin für Kinderheilkunde, Mikrobiologie und Immunologie, warnt seit 2005 davor, dass bestimmte Virenstämme mutieren und gegen die Medikamente immun werden, mit denen sie eigentlich bekämpft werden sollen. Dieses Phänomen nennt man Arzneimittelresistenz:11

„Das vorliegende Szenario birgt mögliche Gefahren. Eine unsachgemäße Verwendung des Medikaments [Tamiflu] könnte uns der Vorteile von Neuraminidase-Hemmern berauben, indem sie die Entstehung Oseltamivir-resistenter Grippeviren begünstigt […] Es ist daher besorgniserregend, dass private Hamsterkäufe wahrscheinlich zur Verabreichung zu geringer Medikamentengaben oder zu unzureichenden Behandlungen führen werden. Sollte es im Falle einer Pandemie zu Medikamenten-Engpässen kommen, dann werden viele Menschen ihre privaten Vorräte mit anderen teilen, wodurch es zu unzureichenden Behandlungen kommt. Eine solche Unterdosierung ist besonders bei Kindern bedenklich, die innerhalb der Gesamtbevölkerung die Hauptinfektionsträger bei Grippe sind, da sie gewöhnlich eine höhere Viruslast aufweisen als Erwachsene und länger infektiöse Viren ausscheiden. Auch die Angewohnheit, eine Behandlung früher abzubrechen, sobald die Symptome verschwinden […] könnte zu einer unzureichenden Grippebehandlung führen und eine Arzneimittelresistenz begünstigen.

Könnte es dadurch zu einer Ausbreitung arzneimittelresistenter Viren kommen? […]

Es wurden bereits einige Berichte bekannt, denen zufolge Oseltamivir-resistente Influenza-A/H5N1-Grippeviren mit H274Y-Mutation in Patienten mit einer Vogelgrippe-Infektion, die mit Oseltamivir behandelt worden waren, isoliert werden konnten. Diese Fälle, die von de Jong u. a. beschrieben wurden, geben Anlass zu einer beunruhigenden Perspektive: Eine Oseltamivir-Resistenz könnte sich auch bei Verabreichung therapeutisch wirksamer Medikamentengaben während des Krankheitsverlaufs entwickeln und die klinischen Auswirkungen beeinträchtigen […]

Der Grippevirus wird sich – wie jeder erfolgreiche Infektionserreger – aller Voraussicht nach weiterentwickeln, um gegen einzelne Medikamente nicht länger anfällig zu sein. Wenn wir gleichzeitig mit verschiedenen Präparaten auf bestimmte Punkte im viralen Lebenszyklus abzielen, vergrößern wir dadurch unsere Chancen, die Entstehung von Viren zu verhindern, die gegen all diese Präparate zugleich resistent sind. Derzeit bauen wir aber ausschließlich auf Neuraminidase-Hemmer – und in vielen Fällen sogar ausschließlich auf Oseltamivir [Tamiflu] […]“

Dr. Mosconas Vorhersage hat sich – im Gegensatz zu denen der Pandemie-Prognostiker – als völlig richtig erwiesen. Aber mittlerweile könnte es zu spät sein.

Die New York Times berichtete in ihrer Ausgabe vom 8. Januar 2009, dass inzwischen bereits 99 Prozent der in dieser Saison dominanten Influenza-Virenstämme gegen Tamiflu resistent sind. Dr. Kent Sepkowitz, Leiter der Infektionskontrolle im New Yorker Memorial-Sloan-Kettering-Krebszentrum, war über das Ausmaß dieses Phänomens so erstaunt, dass er ausgerufen haben soll:

„Das ist ja entsetzlich! Noch nie haben wir ein antimikrobielles Mittel so schnell verloren. Das hat mich doch sehr überrascht.“12

Damit ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende – doch wir haben ein neues, erschreckendes Kapitel in der Geschichte des Gesundheitswesens aufgeschlagen.

Kommentare

04. Februar 2010, 14:25 Uhr, permalink

mescalinio

Wie wär's statt einer Anti-Billigfleisch-Aktion eine Anti-Fleisch-Aktion anzufangen? Und wenn wir alle Vegetarier sind, können wir endlich eine gegen genmanipuliertes und verseuchtes Gemüse starten ... und siehe da: Schritt für Schritt haben wir die Welt gerettet.

Das mit Fleisch wäre dann geklärt, aber was ist nun mit all den Impfungen und sogar Zwangsimpfungen ... ???

Es wäre noch erträglich, wenn es nur um Geld gehen würde, aber wer möchte denn ein Versuchskaninchen der Pharmaindustrie sein ... denn genau das sind wir.

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