Gesunde Antikrebs-Lektine
Bisher ging es in diesem Artikel vor allem um die negativen Auswirkungen der Lektine. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es auch „therapeutische Lektine“ gibt, die uns vor Krankheiten – einschließlich Krebs – schützen. So wurde beispielsweise beim bereits erwähnten ersten je entdeckten Lektin Concanavalin A (Con A) festgestellt, dass es bei einer bestimmten Blutgruppe zu einer entzündlichen Blutverklumpung führt; doch man hat es auch auf seine Anti-Krebs-Wirkung auf menschliche Leberkrebszellen (ML-14a, Huh-7 und HepG2) getestet. Die entsprechende Studie ergab, dass Con A mittels Lymphozytenaktivierung eine Autophagie (Krebszellentod durch Aktivierung des Immunsystems) hervorrief.13
In einer weiteren Studie wurden die Auswirkungen vom Lektin der Urtica dioica (Brennnessel) auf menschliche Magenkrebszellen (AGS) untersucht. 24 Stunden nachdem die Krebszellen mit dem Lektin in Berührung gekommen waren, kam es zur induzierten Apoptose (Zelltod durch „Suizid“) und einer Abnahme der Zellproliferation.14
Forscher fanden auch heraus, dass die Lektine von Viscum coloratum (koreanische Mistel) eine Apoptose in zwei menschlichen Leberkrebs-Zelllinien (SK-Hep-1 und Hep 3B) auslösen konnten. In diesem Fall wirkte das Mistel-Lektin als Telomerase-Inhibitor.15
Die gemeinhin unter dem Namen Paternostererbse oder Krabbenaugenwein (Abrus precatorius) bekannte Pflanze erzeugt ein Lektin, dessen Antikrebswirkung nachgewiesen ist. In einer Studie wurde die Wirkung des Lektins gegen menschliches Leberzellkarzinom untersucht; dabei stellte man fest, dass das Abrus-Agglutinin (Lektin) mittels mitochondrialem Zelltod gegen den Krebs vorgeht.16 In einer anderen Studie, die das Abrus-Agglutinin untersuchte, kam man zur Erkenntnis, dass es eine antiproliferative und antiangiogene Wirkung gegen menschlichen Brustkrebs hat.17 Dies sind nur einige wenige Beispiele aus einer Vielzahl ähnlicher Studien über die Wirkung von Lektinen auf viele Krebsarten.
Fazit
Lektine sind seit langer Zeit bekannt, haben aber erst jetzt einen richtig schlechten Ruf erlangt. Obwohl viele Ernährungswissenschaftler und andere Gesundheitsberater sich nicht mit der Bedeutung dieser Nahrungsmittelbestandteile befassen, kann man das Thema „Lektine in der Ernährung“ nicht außer Acht lassen.
Aus den im vorliegenden Artikel erwähnten Berichten und Studien gehen deutlich die überzeugenden Argumente von Gundry und anderen Wissenschaftlern für die These hervor, dass bestimmte Lektine eine nachteilige Auswirkung auf viele gesundheitliche Bereiche haben. Die Tatsache, dass Lektine an Glukosemoleküle und Zellformationen binden und so Entzündungszustände hervorrufen können, stellt eindeutig eine Bedrohung für die Gesundheit dar. Derselbe Mechanismus lässt manche Lektine allerdings eine therapeutische Wirkung und einen Schutzeffekt gegen abnorme Zellstrukturen erzielen.
Das Problem ist durchaus vielschichtig, doch im Endeffekt geht es darum, dass die Blutgruppe entscheidend dafür ist, ob bestimmte Substanzen eine toxische Wirkung auf ein Individuum haben oder aber seine Zellen schützen. Der damit einhergehende Paradigmenwechsel in der Nahrungsauswahl wird sich für all jene positiv auswirken, die auf den Vollkorn-Mythos zu verzichten bereit sind, auf die Inhaltsstoffe ihrer Lebensmittel achten und die Besonderheiten jedes einzelnen Menschen in Betracht ziehen.
Endnoten
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