Infrarotlicht, Darmflora und Parkinson – ein Update

darmfloraEine bahnbrechende Studie weist nach, dass Infrarotbehandlungen die Symptome von Parkinson­patienten mildern und die Darmflora verbessern können. Die in Australien arbeitende Journalistin Suvi Mahonen stellt die Ergebnisse und einige der beeindruckenden Fallbeispiele von Patienten vor.

Für die geplante Studie ließen sich 19 Parkinsonpatienten aus New South Wales und South Australia gewinnen. Alle Teilnehmer gehörten der Altersgruppe von 60 bis 80 Jahren an und wiesen milde bis moderate Symptome und Beschwerden auf.

Vor dem eigentlichen Beginn der Studie lieferten die Teilnehmer eine Stuhlprobe ab; außerdem wurden sie gebeten, ihre Ernährungs- und Lebensgewohnheiten nicht umzustellen, solange der Versuch dauern würde. Anschließend startete die Therapie, und die Versuchs­personen wurden zwölf Wochen lang dreimal wöchentlich mit einem Infrarotlasergerät in der Bauchregion (Wellenlänge: 904 Nanometer), am Kopf (Wellenlänge: 810 Nanometer) und/oder am Hals (Wellenlänge: 904 Nanometer) bestrahlt. Nach 12 Wochen wurde eine weitere Stuhlprobe der Teilnehmer genommen, um die DNA des Mikrobioms zu extrahieren und zu untersuchen.

„Es war unglaublich spannend mitzuerleben, wie sich das Mikrobiom veränderte und gleichzeitig eine Besserung der Symptome eintrat“, sagt Liebert. „Und als wir dieselben Modifikationen in der Sydney-Studie erblickten, bei der man nur die Bauchregion behandelte, wurden wir noch euphorischer.“

Bei der Mehrheit der Teilnehmer zeigte sich ein signifikanter Anstieg zehn verschiedener Bakteriengattungen wie Bacteroides, Alistipes und Prevotella. Mit dieser Zunahme ging ein signifikanter Rückgang 17 anderer Gattungen einher; betroffen waren zum Beispiel Mitglieder aus der Familie Enterococcaceae sowie die Gattungen Bifidobacterium, Streptococcus oder Clostridium.

Interessanterweise hatten andere Studien mehrfach nachgewiesen, dass zwei der Bakteriengattungen, die sich in Lieberts Versuch stark vermehrt hatten, nämlich Bacteroides und Prevotella, in der Darmflora von Parkinson­patienten reduziert sind. Eine geringe Anzahl an Prevotella ist so stark mit einem raschen Fortschreiten der Krankheit und schweren Verläufen assoziiert, dass sogar vorgeschlagen wurde, Prevotella als Biomarker für Parkinson heranzuziehen. Bacteroides wiederum wird wegen seiner entzündungshemmenden Eigenschaften und der Herstellung gesunder kurzkettiger Fettsäuren als vorteilhaft angesehen.

Wie mehreren Studien zu entnehmen ist, treten fünf der Bakteriengruppen, deren Häufigkeit aufgrund der Lichttherapie abgenommen hatte – Bifidobakterium, Streptococcus, Lactobacillus, Christensenella und Enterococcaceae – in der Darmflora von Parkinsonpatienten vermehrt auf.

Mehrere Bakteriengattungen werden generell als schädlich für das Mikrobiom angesehen. So sollen die Mitglieder der Enterobacteriaceae-Familie der Darmgesundheit abträglich sein und entzündungsfördernde Stoffwechselprodukte erzeugen. Clostridien werden mit fettreicher Ernährung und Typ-2-Diabetes in Zusammenhang gebracht; und Streptococcus gilt als potenzieller Krankheitserreger.

„Es ist durchaus möglich, dass Laserstrahlung die derzeit verfügbaren Therapien [für die Darmflora] positiv ergänzen kann“, meint Hosen Kiat, Professor für Kardiologie an der Macquarie University. „Falls Laser nützlich ist, wäre sein Einsatz ein Kinderspiel, denn er ist relativ preisgünstig, nichtinvasiv und hat keinerlei Nebenwirkungen.“

Die Untersuchung der Darmflora lieferte allerdings auch Befunde, die nicht den Erwartungen entsprachen: Lactobacillus und Bifidobacterium gelten als vorteihaft, und trotzdem war ihre Häufigkeit nach der Lichttherapie bei der Mehrheit der Studienteilnehmer erheblich zurückgegangen.

„Ein Wundermittel gibt es bekanntlich nur für sehr wenige Krankheiten“, merkt Kiat an, „und ich möchte hier auch nicht generell neuen Technologien, die noch in den Kinderschuhen stecken, das Wort reden. Doch wenn ich Parkinson hätte, würde ich mich für die Laserbehandlung entscheiden und nach dem beschriebenen Protokoll vorgehen.“

Trotz der Unsicherheiten, die dieser potenziellen Therapiemethode noch anhaften, ist die Studienteilnehmerin Margaret Jarrett (75 Jahre) von den Vorzügen der Lichttherapie überzeugt. Als die begeisterte Gärtnerin und Blumenliebhaberin ihren Geruchssinn aufgrund ihrer Parkinsonerkrankung verlor, war sie bestürzt.

bacteroides

Bacteroides, eine Bakteriengattung, die zur Normal­flora des menschlichen Darmtrakts zählt und bei Parkinsonpatienten in auffällig geringerer Zahl vorkommt

Doch nach mehreren Therapiewochen stellte sich der Geruchssinn wieder ein: „Es ist großartig, ich bin hinausgegangen und auf einmal habe ich den Orangenjasmin, der gerade in voller Blüte stand, wieder gerochen“, schildert Jarrett. Nach der Therapie bemerkte Jarrett eine weitere Verbesserung: Jahrelang hatte sie unter dem Reizdarmsyndrom gelitten. „Ich wusste nie, was der Morgen bringen würde“, erzählt sie. „Ich stehe gerne früh auf und gehe spazieren – und manchmal musste ich dann ganz dringend aufs Klo.“

Faszinierenderweise reduzierte die Lichttherapie in Lieberts Versuch eine Bakteriengattung und eine Familie, die in der Darmflora von Reizdarm­patienten nachweislich verstärkt vorkommen, nämlich die Gattung Dorea und die Familie Enterococcaceae. „Der Laser hat mir wirklich gegen meinen Durchfall geholfen“, berichtet Jarrett und ergänzt, dass sie ihren Bauch weiterhin dreimal pro Woche mit einem tragbaren Infrarotgerät bestrahlt.

Auch David Harrison (62 Jahre) hatte an der Studie teilgenommen. Harrison, dem mit Mitte 50 die Diagnose Parkinson gestellt worden war, hatte so heftige Symptome entwickelt, dass er die meisten Tätigkeiten nur noch mit der linken Hand ausüben konnte.

„Acht Wochen nach Therapiebeginn fuhr ich mit dem Auto nach Hause und plötzlich fiel mir auf, dass meine rechte Hand wieder funktionierte“, erzählt Harrison. „Es war einfach unglaublich!“

Nachdem die Studie beendet war, besorgte sich Harrison ein tragbares Lasergerät und auch er verwendet es dreimal wöchentlich.

„Ich nehme noch immer meine Parkinsonmedikamente, weil ich das für vernünftig halte“, erklärt er, „doch zusätzlich wende ich die Lichttherapie an. Um die Krankheit zu besiegen, probiere ich alles aus, was in meiner Macht steht.“

Beim gegenwärtigen Stand der Dinge lässt sich nicht sagen, was genau die Parkinson­symptome der Studien­teilnehmer gelindert hatte: die Infrarotbestrahlung des Kopfes, Veränderungen der Darmflora – möglicherweise trug auch der Placebo­effekt dazu bei – oder, was am wahrscheinlichsten ist, eine Kombination von allem. Unbestritten bleibt jedoch, dass die Anwendung der Lichttherapie die Darmflora auf positive Weise verändert hat und dass auf diesem Gebiet dringend weitere Forschungsarbeit geleistet werden muss.

Ebenso offensichtlich ist die Dankbarkeit der Studien­teilnehmer für die Einführung in die Lichttherapie. Jetzt, da er seine Parkinson­symptome in Schach hält, möchte Till mehr reisen.

„Verwandte von mir leben weiter nördlich an der Gold Coast und ich frage mich, ob ich so weit fahren kann. Bisher war nicht einmal im Traum daran zu denken, aber inzwischen glaube ich, dass es klappen könnte.“

Was Jarrett angeht, so möchte sie Menschen, denen unter Umständen die Diagnose Parkinson gestellt wird, einen wichtigen Rat mitgeben:

„Verzweifeln Sie nicht und geraten Sie nicht in Panik. Seien Sie Begleittherapien gegenüber aufgeschlossen und sehen Sie sich nach einem guten Ärzteteam um, das sie unterstützen kann. Als ich die Diagnose Parkinson erhielt, sagte ich zu meinem Arzt: ‚Die Krankheit wird mich nicht kalt erwischen. Ich werde rausgehen und kämpfen.‘“

Kommentare

17. Oktober 2021, 17:34 Uhr, permalink

Alienhunter

Ein wirklich interessanter Artikel. Interessant wäre auch wie diese Behandlung bei Alzheimerpatienten wirken würde. Bei Alzheimer wird mittlerweile auch angenommen, dass die Darmflora eine große Rolle spielt. Soviel ich weiß, wird die Softlasertherapie bei Alzheimer am Kopf auch schon angewendet.

19. Oktober 2021, 14:48 Uhr, permalink

Banusic Marvin

Was für eine Lampe wurde denn von den Probanden nachher verwendet?

20. Oktober 2021, 16:08 Uhr, permalink

Redaktion

Die Frage wurde uns mehrfach gestellt, wir werden eine ausführliche Antwort der Autorin im nächsten Heft in der Leserbriefsektion veröffentlichen. Hier die Kurzversion:

Verwendet wurde dieses Gerät hier: bit.ly/vielight

Engl. Video mit Low-cost-Alternativen: youtu.be/aD-AAwtGij0

Engl. Interview mit Hosen Kiat: youtu.be/CUn_lL3abXc

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