Der neue Tesla
Doch was hat es mit Stavatti Aerospace auf sich, jener in Wilcocks Twitter-Profil so prominent erwähnten Firma? Um diese Verbindung zu verstehen, müssen wir ein wenig ausholen. Im Herbst 2021 bot er unter dem Titel „Die Offenlegung“ einen für 333 Dollar erhältlichen „Onlinekurs“ an, dessen Teilnehmer in „die Geheimnisse von Antigravitation, freier Energie, Portalreisen, Pyramiden, Atlantis, Ufos, ETs und vielem mehr“ eingeweiht werden sollten. Ein „mächtiger Insider“ würde darin zum ersten Mal mit „paradigmenerschütternden Informationen“ an die Öffentlichkeit treten.12
Die Identität dieses „Teslas unserer Generation“ wurde erst zu Kursbeginn enthüllt: Wie sich herausstellte, handelte es sich um Christopher Beskar, den CEO der besagten Firma. Die seltsame Zögerlichkeit bezüglich der Namensnennung dürfte sich aus den Informationen erklären, die Suchmaschinen unter diesem Namen ausgespuckt hätten – das Zeug, die Kaufentscheidung zu beeinflussen, hätten sie jedenfalls gehabt: „Gründer von Stavatti Aerospace möchte Kritiker überzeugen – trotz fehlender Erfolgsbilanz“, hatte etwa die Buffalo News im Februar desselben Jahres einen längeren Artikel überschrieben, der sich mit Beskar und seinem seit nunmehr fast drei Jahrzehnten bestehenden Unternehmen befasste.13
Dessen Aktivitäten bestanden im Wesentlichen darin, dem Militär fortwährend (aber erfolglos) seine Dienste als Vertragspartner anzubieten, futuristische Flugzeugdesigns zu entwerfen, Arbeitsplätze zu versprechen (die dann nicht geschaffen wurden), staatliche Fördergelder und Steuervergünstigungen auszuhandeln und der permanenten Kritik und Spötterei zu begegnen. Ein Flugzeug hat Stavatti bislang nicht hervorgebracht. Kritiker verhöhnen Beskars Designs als unbrauchbare Fantasien – einige meinen gar, sie seien Videospielen oder Filmen entlehnt. Solche Vorwürfe weist Beskar, der nach eigenem Bekunden einst „von Star Wars inspiriert“ worden war, weit von sich: Seine Designs seien zuerst dagewesen und von Spieleentwicklern aufgegriffen worden. Viele sehen in Beskar einen „unrealistischen Start-up-Unternehmer“ und Träumer. „Ich finde, Träumen ist etwas Gutes“, wird dieser zitiert. Cambian, der die oft mühsame journalistische Arbeit leistet, die man in der Ufo-Szene allzu häufig vermisst, konfrontierte einen echten Flugzeugentwickler mit Stavattis offiziellen, für potenzielle Investoren zusammengestellten Dokumenten. „Als er mit Lachen fertig war, rief er zurück und sagte: ‚Das ist das Dümmste, was ich je gesehen habe.‘“ 14
Der kleine Schlenker war notwendig, da Wilcock in seinem nicht mehr gelisteten Promo-Video zum Kurs 15 unter anderem ankündigte, in Zusammenarbeit mit Beskar binnen eines Jahres den Prototypen eines „Hovercars“ zu präsentieren – des sprichwörtlichen fliegenden Autos also, das „hoffentlich in vier Jahren“ in Serienproduktion gehen sollte. Zum Beweis dafür, dass dies alles kein Schwindel sei – wie er in dem Elfminüter mehrfach versichert –, zeigt er den leerstehenden Hangar, den Stavatti (tatsächlich) für gut eine Million Dollar erworben hatte. „Abertausende von Arbeitsplätzen“ würden sie schaffen. Zu erwähnen vergaß er, was Beskar einem von Cambians Zuhörern auf Anfrage freimütig erläuterte: Seit 2019 hält Wilcock Anteile an Beskars Unternehmen, in das er eine Million Dollar investiert hat. Da wird verständlich, warum Wilcock und seine damalige Gattin Elizabeth bei Kursstart „nur noch 3.000 Dollar“ besaßen und er sich zu Beginn des Videos überschwänglich für die „phänomenale“ Resonanz sowie dafür bedankte, dass sein Publikum eine „Geldbombe abgeworfen“ hatte. „Damit können wir unglaublich viel Gutes für die Menschheit tun.“ Wilcock, der „spirituelle Gelehrte“ und „Vorreiter eines neuen Narrativs der Menschheitsgeschichte“, der „ganze Zweige der Wissenschaft neu geschrieben“ hat (Kursbeschreibung), sah sich und Beskar bereits als künftige „Gebrüder Wright der Antigravitation“, während ihn der Letztgenannte als „Helden“ feierte. Na, da haben sich zwei gefunden! Übrigens hatte Corey Goode unter Eid verlautbart, Wilcock hätte einmal mit einem einzigen Kurs über vier Millionen Dollar verdient. Weitere Details zu Wilcocks fragwürdigen Spendenaktionen, Steuerproblemen und angeblichen karitativen Aktivitäten finden sich auf dem Kanal „Truthseekers“.
Das Ende des Kronzeugen
Wilcocks langjähriger Kronzeuge, der „Doktor“ Pete Peterson, dem Beskar „in verschiedenen geheimen [Regierungs-]Programmen begegnet“ sei, fand in meinem ersten Artikel zum Thema nur am Rande Erwähnung – zu Unrecht, wie ich lernen musste. Project Camelot würdigte den 2019 Verstorbenen als „einen seiner wichtigsten Zeugen“ und dankte ihm für seinen „brillanten Dienst an der Menschheit“. Gerade war das Genie, das in den 1970er-Jahren bahnbrechende Erfindungen in der aufkommenden Heimcomputerindustrie gemacht und eine Maschine entwickelt haben wollte, die so ziemlich jede Krankheit zu heilen imstande sei, im Begriff, über seine „60 bis 65 Aufenthalte an außerirdischen Orten“ auszupacken, da sei er in einem Seniorenheim mittels einer mysteriösen Injektion verstorben worden. Peterson hatte unter anderem angegeben, Präsident Ronald Reagan beraten und höchste Sicherheitsfreigaben besessen zu haben. Cambian ging diesen und zahllosen weiteren Behauptungen auf den Grund. Der Computerspezialist telefonierte mit Universitäten, Krankenhäusern und Polizeistationen, prüfte die Verzeichnisse russischer Ordensträger (der „Whistleblower“ soll angeblich mit dem Leninorden ausgezeichnet worden sein) und suchte nach Spuren von Petersons angeblicher Computerfirma Cyberdyne. Allen Ernstes hatte Wilcock nämlich behauptet, James Cameron habe den durch seine „Terminator“-Filme bekannt gewordenen Firmennamen von dem unbekannten Genius gestohlen. Der Unterhaltungswert von Cambians Recherchen ist enorm, das Ergebnis jedoch vorhersehbar: Von Petersons beeindruckender Biografie bleibt lediglich heiße Luft übrig.
Im Sommer 2017 schrieb Wilcock, die Regierung habe auf Betreiben der „dunklen Allianz“ Petersons Grundstück sowie die darauf befindlichen wissenschaftlichen Gerätschaften, die „Millionen“ wert seien, beschlagnahmt und entsorgt. Eine Spendenaktion folgte auf dem Fuße. Cambian fand später, wiederum durch Befragung offizieller Stellen und privater Augenzeugen, heraus, was tatsächlich geschehen war: „Petersons Haus war bereits Jahre [zuvor] zwangsversteigert worden. Die Bank gab ihm jedoch buchstäblich mehrere Jahre Zeit, es zu räumen. […] Den Leuten zufolge, die das Grundstück säuberten, war das Haus ein Alptraum von einem Messi-Rattennest. Und überall fanden sie – Achtung, jetzt kommt’s! – tote Katzen und Flaschen voll [menschlichen Urins].“ Auch Petersons Dahinscheiden war, wie der Rechercheur verifizieren konnte, auf gänzlich natürliche Weise erfolgt. Mitarbeiter des fraglichen Altenheimes sowie der örtlichen Polizei bestätigten ihm einhellig, dass sie von einem Vorfall der behaupteten Art definitiv etwas mitbekommen hätten.16
(Nichts) Neues vom Chrononauten
Andere Akteure der Ereignisse von 2017 machen – man mag es kaum glauben – noch immer weiter, als sei nichts geschehen. Andy Basiago etwa, der übrigens 2016 (unterstützt von Duke Brickhouse) für das amerikanische Präsidentenamt kandidiert hatte (und dabei, wenn ich mich nicht verzählt habe, 96 Stimmen auf sich vereinen konnte), unterhielt sich zuletzt 2022 mit Michael Salla auf dessen YouTube-Kanal – „Ihre Quelle für die unzensierte Wahrheit über die menschliche, außerirdische, globale und politische Agenda“ – über seine Zeitreiseabenteuer.17
Das Gespräch mit dem mittlerweile Erblindeten, dem seine Kampagnen und emsigen Enthüllungen keinerlei finanzielle Vorteile gebracht zu haben scheinen, ist nicht uninteressant. Das Unsichtbarkeitsnarrativ rund um das Philadelphia-Experiment habe nur als Deckmantel dafür gedient, die eigentliche Zielstellung zu verschleiern – nämlich, die „Tesla-Teleportation“ zu verwirklichen. Der bekannte Remote Viewer Ed Dames habe mit Basiago in jungen Jahren am Montauk-Stuhl gearbeitet, bei dem es sich um den Pilotensitz eines abgestürzten Ufos gehandelt haben soll. Auch mit dem jungen Donald Rumsfeld, den Basiago als „ziemlich anständigen Burschen“ beschreibt, habe er Kontakt gehabt. Der Rettung der Umwelt habe sich Basiago schon frühzeitig verschrieben – tatsächlich gibt Wikipedia unter dem Stichwort „Sustainable Development“ eine seiner Arbeiten als Quelle an – und meint wie Al Gore, die nachhaltige Entwicklung müsse „zum zentralen Organisationsprinzip der Zivilisation“ werden. (Wo habe ich das schon einmal gehört?) Die Hingabe an diese Thematik habe Basiago seinen ET-Kontakten zu verdanken. Ach ja, und als Zehnjährigen habe man ihn ins Jahr 2045 geschickt, um dort Informationen über künftige geschichtliche Ereignisse auf Mikrofilm zu sammeln. Diesen musste er für den Rücktransport nach 1972 (oder so), versehen mit einer Schnur, in seinem Allerwertesten verstecken. Die Rückkehr entpuppte sich als Herausforderung, sagte man ihm doch, dazu müsse er mit aller Kraft gegen eine Wand rennen – die sich dann in ein Portal verwandeln würde. Aber Mr. Basiago bewältigte das.
Richtungsentscheidungen
Eine andere Konstante im Disclosure-Zirkus ist Dr. Steven Greer, der während meiner Recherchen unter dem einfallsreichen Titel „Disclosure 2.0“ die dreistündige, „bahnbrechende“ und „Geschichte schreibende“ Neuauflage seines National Press Club Events von 2001 abhielt. In der 22. Minute fällt der unvermeidliche Satz, der Greers Sichtweise auf die kürzestmögliche Formel bringt: „Sämtliche außerirdische Zivilisationen sind freundlich gesinnt.“ Steven Cambian zählt mit: Der ehemalige Arzt verweist in seinem Vortrag auf nicht weniger als 713 Quellen, deren Namen ungenannt bleiben – interessierte Beobachter haben somit keine Chance, die Zeugen eigenmächtig zu befragen oder zu verifizieren. Greer sei laut Cambian zudem ein typisches Beispiel für ein in der Ufo-Szene häufig anzutreffendes Schema: „Overpromise and Underdeliver“ – immer wieder bekommt man das Blaue vom Himmel versprochen, doch werden die Zusagen niemals erfüllt.18
Unter all jenen, die 2017 an der massiven Desinformationskampagne an vorderster Front beteiligt waren, ist Jay Weidner – damals (technischer) Produzent der „Cosmic Disclosure“-Show – meines Wissens der Einzige, der reinen Tisch gemacht hat. Im gemeinsamen Versuch, zur Heilung der zerrütteten Ufo-Szene beizutragen, stand er 2019 der Goode-Kritikerin Groovie Bean aka Yvonne Palermo in mehreren Gesprächen Rede und Antwort. Wir erfahren, dass „Cosmic Disclosure“ 2015 ins Leben gerufen wurde, nachdem Wilcock neben seiner Show „Wisdom Teachings“ offen nach einer zweiten Show verlangte, um mehr verdienen zu können. Goode, dem Weidner zunächst auf den Leim ging, da er sich in dessen Spezialthemen bestens auszukennen schien, sei hinsichtlich seiner medialen Wirkung eine Katastrophe gewesen – ohne jedes Charisma, übernervös und eine permanente Herausforderung für den Schnitt. Als erfahrener Filmemacher und Drehbuchautor sei es Weidner gewesen, der Goode empfahl, den Bescheidenen zu spielen. Weidner, der Jahre später von Goode gedoxxt und verklagt wurde (Streitwert: fünf Millionen Dollar), bereut heute, quasi die Persona erschaffen zu haben, mit der jener kurze Zeit später berühmt wurde. Ein Vorgang übrigens, der Weidner bis heute vor ein Rätsel stellt: „Plötzlich entschied Gaias Marketing-Abteilung […], Corey groß rauszubringen. Ich habe keine Ahnung warum, ob das von ganz oben kam oder was da los war. Jedenfalls begannen sie auf einmal, überall Werbung für Corey zu machen.“ 19 2021 informierte Weidner auf Facebook die Öffentlichkeit darüber, dass sich Goode inzwischen mindestens sieben Gegenklagen gegenüber sieht.
Schließlich sei noch Jan Harzan erwähnt, der als Executive Director von MUFON den Einzug der Märchenonkel in die altehrwürdige Organisation erst ermöglicht hatte. Im Juli 2020 gab MUFON bekannt, dass man sich dauerhaft von Harzan getrennt habe, nachdem dieser wegen der Verführung Minderjähriger verhaftet worden war. Zu den Zeugen zählte eine Undercover-Ermittlerin, die Harzan für eine 13-Jährige gehalten hatte.20
Kommentare
03. April 2024, 23:31 Uhr, permalink
Drusius
Das universelle Bewußtsein steht nach dem globalen Bewußtsein auf dem Idelogieprogramm, so darf man vermuten. Die Glaubwürdigkeit wird erst nach der intensiven Beschäftigung mit dem Thema geschaffen.
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