Das Buch enthält eine Sammlung von Interviews, die die Berliner Journalistin Haidrun Schäfer mit Andreas Krüger, dem renommierten Heilpraktiker und Leiter der Samuel-Hahnemann-Heilpraktikerschule (Schwerpunkt Homöopathie) in Berlin, über den Zeitraum von drei Jahren hinweg geführt hat. In den Interviews liest man, dass jemand wie Krüger, der sich seit 30 Jahren darum bemüht, anderen Menschen zu helfen, nie still stehen und sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen kann. Krüger hat selbst zahlreiche therapeutische Formate entwickelt („Ikonen der Seele“, „Prozessorientierte Aufstellungen“, „AvaTäter“ etc.) und er könnte daher die „Methoden“ für sich arbeiten lassen. Doch je länger er im „Heiler-Geschäft“ ist, desto mehr wird aus dem „Geschäft des Heilens“ ein „Geschäft des Lebens“. So weint er, der Schulleiter, zum Beispiel schon mal bei Seminaren in seinem Institut vor seinen Schülern, zeigt so Verletzbarkeit. Auch im Verhältnis zu seinen Patienten lässt er eine größere Nähe zu, als es zum Beispiel bei Therapeuten der Psychoanalyse jemals denkbar wäre. Er betont im Zusammenhang mit seiner „Leibarbeit“, dass „ein Leibtherapeut unserer Couleur keine Technik haben darf. Eine Technik würde aus Leibtherapie schon wieder eine Körper- oder Psychotherapie machen.“ Krüger ist einer, der berührbar und erschütterbar geblieben oder geworden ist und diese Qualität sogar für einen Heiler für unabdingbar hält.
Er philosophiert in diesem Buch über Heilung, das Leben, die Natur und besonders über die Qualitäten des Heilers. Er macht deutlich, warum ein Heiler immer auch ein Hexer, im ursprünglichen Sinne des Wortes, sein sollte: Ein „hage-zussa“, also einer, der in der Hecke sitzt und zwischen der materiellen Welt und der immateriellen Welt des Klienten vermittelt. Und wenn Magie bedeutet „die beiden Seiten zu verbinden, das nicht Sichtbare in unserer sichtbaren Welt wirken zu lassen“, muss der Heiler auch Magier sein. Er muss ebenfalls Schamane sein, und falls er sich als „Naturheilkundler“ bezeichnet, sollte er nicht nur in seiner Praxis Naturheilkunde ausüben, sondern immer auch ein „ökologisch Aktiver“ sein. Er spricht von einer „demokratischen Medizin“, in der der Heiler der „erste Diener des Klienten“ ist und greift damit indirekt die Überheblichkeit mancher Behandler an, die sich selbst für die einzige Instanz des Wissens um Heilung halten.
Krüger hat in seinem Leben von vielen Anleihen genommen, etwa von Bert Hellinger, dem Großmeister des Familienstellens („Wir heilen nur auf der Seite der Täter“), dem Homöopathen Mathias Dorsci („Die gesetzmäßigen Säulen der Naturheilkunde“), vom Antroposophen Rudolf Steiner („Wer den Rhythmus verlässt, der verlässt das Leben“), von Karlfried Graf Dürckheim („Ich habe einen Körper und ich bin Leib.“) und sogar von Joseph Beuys („Verweigere ,verantwortlich zu sein‘. Tu es aus Liebe“). Auch vor eigenwilligen Lernmethoden schreckt er nicht zurück: Zum Beispiel lässt er seine Schüler in der Ausbildung Liebesbriefe schreiben.
Andreas Krüger wurde oft für zu große Offenheit und Experimentierfreude kritisiert, ihm wurde Selbstdarstellerei vorgeworfen – aber in diesem Buch geht es um seine Erörterungen zu den Qualitäten des Heilers. Und dass er dafür viele Beispiele aus seinem eigenen Leben anführt, die er noch dazu unterhaltsam serviert, macht das Werk zu einem kurzweiligen und lehrreichen Lesevergnügen.
Natürlich geht es im Buch auch ein wenig um Homöopathie. Es wird etwa die heilsame Wirkung von Aurum bei Einsamkeit und Depression erwähnt. Oder der Einsatz von Tuberkulinum bei ADS-Symptomen. Aber dieses Buch ist kein Buch über Heilmethoden. Es ist ein Buch über die Seele des Heilers. Und über seine Bescheidenheit, die so groß sein sollte, dass es nicht darum geht, was ER braucht und was ER tut. Denn er ist nur ein hage-zussa. Einer, der in der Hecke sitzt und zwischen den Welten vermittelt …
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