Unzureichende Studien
In zweiter Linie beruht die Verweigerungshaltung gegenüber möglichen Gesundheitsrisiken auf schwammigen Forschungsergebnissen. In sogenannten Provokationsstudien setzte man elektrosensible Personen elektromagnetischer Strahlung (EMR) aus. (Bei Elektrosensibilität handelt es sich um eine wissenschaftlich umstrittene Empfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Hochfrequenzen.) In den Provokationstests wurden elektromagnetische Felder im Einflussbereich der Probanden ein- und abgeschaltet, während man die Reaktionen beobachtete und Fragen dazu stellte. Das Kernelement der Provokationstests war die Annahme, eine elektrosensible Person müsse das Wechselspiel zwischen EMR-Aktivität und -Inaktivität augenblicklich feststellen können. Wäre das nicht der Fall, müsse es sich um ein rein psychosomatisches Phänomen handeln.
G. James Rubin und seine Kollegen vom King’s College London führten mehr als 40 derartige Testreihen durch. Sie hielten fest, die Probanden reagierten auf tatsächliche Bestrahlung ebenso wie auf vorgetäuschte. Die Testpersonen konnten demnach nicht zwischen den beiden Zuständen unterscheiden, also nicht feststellen, ob das Feld aktiv oder inaktiv war. Das Studienergebnis, Elektrosensibilität existiere nicht, wurde unreflektiert als Beleg für die Ungefährlichkeit elektromagnetischer Strahlung übernommen. Man verlautbarte, EMR könne nicht der Auslöser der Symptome elektrosensibler Personen sein.27
Einen der Schwachpunkte der Provokationsstudie stellte die Auswahl der Studienteilnehmer dar, da nur jene untersucht wurden, die von sich behaupteten, elektrosensibel zu sein. Zum anderen wurde a priori ausgeschlossen, es könne Menschen geben, die ohne es wahrzunehmen von EMR beeinflusst werden. Der Gedanke an die Wirkung von Röntgenstrahlung oder Radioaktivität sollte diesen wesentlichen Denkfehler der Versuchsreihe verdeutlichen.
Verbreitung von Falschinformation
Einem Informationsblatt des Unternehmens CitiPower in Melbourne war zu entnehmen, ein Smart Meter würde nur alle sechs Stunden ein Signal aussenden. Die Geräte seien in der Zwischenzeit inaktiv.28
Die Behauptung ist nicht haltbar und durch Messungen widerlegt. In einem von mir verfassten Schreiben an ESV erwähne ich einige Situationen, in denen die intelligenten Stromzähler ungewöhnlich häufig in den Sendemodus wechselten, mitunter über 30 Mal in der Minute.29 Die Intervalle und Intensitäten der Emissionen variieren zwischen unterschiedlichen Smart-Meter-Modellen. Ein neu installiertes Gerät in Bendigo, Victoria, schickte beispielsweise einige Signale von jeweils nur kurzer Dauer aus. Die Leistungsspitze lag bei etwas mehr als 67 mW/ m2.30 Während der inaktiven Phasen war ein Wert von 0,004 mW/m2 messbar.
In einem anderen Haushalt wurde eine transiente Leistungsdichte von 727 mW/m2 bis zu 1.827 mW/m2 ermittelt. Die Werte wurden in letzterem Fall im Bereich des Kopfteils eines Bettes gemessen, das sich unmittelbar neben der Wand befand, an deren Rückseite der intelligente Stromzähler montiert war. Dem Paar in diesem Haushalt war es seit Installation des Geräts unmöglich gewesen, Schlaf zu finden.
Der wesentliche Punkt sind allerdings nicht die gemessenen Leistungsdichten31, sondern die offenbar äußerst aktiv sendenden Smart Meters. Das Emissionsverhalten liegt im deutlichen Widerspruch zu den von CitiPower angegebenen Werten.
Informationen aus Kalifornien zufolge finden die primären Datenübermittlungen an den Energieversorger zwei- bis dreimal pro Tag statt. Bei anderen Übertragungen handelt es sich um Leistungsspitzen, die durch die sogenannte Selbststeuerung verursacht werden. Zu derartigen HF-Abstrahlungen kommt es zwischen zwei- und fünfmal pro Minute.32 Eine weitere mögliche Quelle für die auffälligen Messwerte stellt das Schaltnetzteil (SNT) der intelligenten Stromzähler dar, so auch am Beispiel der kalifornischen Geräte. An den an der Westküste der USA verbauten Smart Meters wurden demnach intensive, jeweils nur wenige Millisekunden anhaltende Sendeleistungen festgestellt. Eine Belastung, die rund um die Uhr, sieben Tage die Woche besteht.33
Insbesondere die häufig berichteten Schlafstörungen könnten durch solche kurzen, heftigen sowie kontinuierlich wiederkehrenden Emissionen verursacht werden. Untersuchungen zeigen: Faktoren wie Dauer der Exposition und Nähe zur Quelle, also dem Gerät, könnten eine ebenso wichtig Rolle in der Entstehung nicht-wärmebezogener biologischer Effekte spielen wie die Leistungsdichte.34
Entkräftung des Nocebo-Effekts
Bei der Durchführung bevölkerungsbezogener Untersuchungen ist es wichtig, Placebo- sowie Nocebo-Effekt zu bedenken und ihren Einfluss zu minimieren. Aus diesem Grund wurden für eine australische Untersuchung nur Individuen herangezogen, die keine vorgefasste Meinung zu EMF hatten bzw. ihre Symptome nicht damit in Verbindung brachten. Die Studie untersuchte Bürger, die unter chronischer Müdigkeit litten und in Wohngegenden mit bestehenden Wechselstrom-Magnetfeldern lebten.35 Man fand heraus, dass die Verminderung nächtlicher magnetischer Niederfrequenzen (ELF) die Symptome signifikant reduzierte und die Schlafqualität der Patienten verbesserte. Interessanterweise verschwand eines der berichteten Symptome, Tinnitus, gänzlich nach Beseitigung der Belastungsquelle.36
Auch in einem Entschädigungsfall, der sich in den Jahren 1991 und 1992 in Melbourne zutrug, konnte der Nocebo-Effekt ausgeschlossen werden. Eine Gruppe von Frauen, die in einem Büro unmittelbar über einem Umspannwerk beschäftigt waren, klagte über Symptome, die nach längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz verschwanden. Keine der Betroffenen hatte anfangs den Verdacht, das Magnetfeld der Hochleistungsnetzfrequenz könnte für die Beschwerden verantwortlich sein. Die Symptome zeigten sich in Form von Schlaflosigkeit, chronischer Müdigkeit, Angespanntheit, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Depression, Anfälligkeit für Virusinfektionen und Ausschlägen im Gesicht. Eine der Frauen fasste es zusammen als „ein dauerhafter, schwerer Fall eines Jetlags“.37
Kommentare
09. März 2014, 17:07 Uhr, permalink
Matthias
Man muß hier zwei Dinge unterscheiden:
1. Das Smart Meter selbst
2. Die Datenübertragung zwischen Smart Meter und Energieversorger oder Kunde. Dafür kann es ein separates Modul geben oder es kann ins Smart Meter integriert sind.
Das Smart Meter selbst enthält einen Mikroprozessor sowie eine Möglichkeit, Spannung und Strom zu messen, für den Strom üblicherweise einen kleinen Meßtransformer. Es würde mich wundern wenn dieser Teil stärkere Störungen verursacht als andere kleine elektronische Geräte.
Es gibt sehr viele unterschiedliche Technologien, mit denen die Daten von "Smart Metern" zu Energieversorger und Kunde transportiert werden können. Dazu gehören GSM (Handynetz), das Stromnetz des Energieversorgers (ähnlich PowerLine-Netzwerk) oder in den Räumlichkeiten des Kunden Kurzstreckenfunk wie Bluetooth, ZigBee, WLAN, PowerLine oder spezielle Protokolle wie MBus. Höchstwahrscheinlich muß zwischen diesen verschiedenen Übertragungsverfahren streng unterschieden werden, wenn man über Störungen durch Smart Meter spricht. Es ist bedauerlich, daß er Artikel auf diesen Punkt nicht eingeht, sondern verallgemeinert.
21. Januar 2015, 15:24 Uhr, permalink
Regen
Ich kenne so ein Meter mit einem eingebauten GSM-Modul. Wer gesundheitliche Bedenken hat, sollte dann auch grundsätzlich auf Handy, Schnurlostelefon und WLAN zu hause verzichten.-
28. April 2017, 12:33 Uhr, permalink
Clemenza Schwarz
Ich bin der Meinung, dass in diesem Artikel nicht zu Unrecht vor den genannten Risiken moderner Stromzähler gewarnt wird und ich sehe nicht, weshalb hierbei angeblich irgendetwas leichtfertig über einen Kamm geschert würde. Alle für die Erfassung und Übermittlung in Frage kommenden jeweils möglichen Systeme neuer funkbasierender Stromzähler, sind aufgrund ihrer jeweiligen Ausrichtung dazu per se dazu prädestiniert, gesundheitlich nachhaltig zu beeinflussen oder zu schädigen. Neben genannter WLAN Technologie oder der klassischen Mobilfunktechnik, bietet auch ein angeblich sicherer Einsatz bestimmter Power Line Bereiche, keine wirkliche Entspannung, zumal bei dieser Variante jeder in der Whg. oder dem Haus befindliche Stromleitung und Steckdose, permanent unter Spannung gesetzt wird, und EMF quasi im Dauerbetrieb über die Wohnbereiche verteilt wird. Dessen sollten wir uns bewusst sein.
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