Abnehmender Anbau von GMO-Pflanzen in Europa
Die Biotech-Industrie hat immer öfter mit Gerichtsverfahren, Skandalen und Sicherheitsbedenken zu kämpfen; dementsprechend nimmt der Anbau von GMO-Pflanzen innerhalb der Europäischen Union ab. Zwischen 2008 und 2010 sank die GMO-Gesamtanbaufläche um 23 Prozent. In Rumänien waren es 87 Prozent weniger, in der Slowakei 55 Prozent und in Tschechien 42 Prozent.
Mehr als 80 Prozent der gesamten europäischen GMO-Anbaufläche liegen in Spanien, wo der MON810-Mais von Monsanto angebaut wird. Doch sogar in diesem ausgesprochen GMO-freundlichen Land gab es laut offiziellen Statistiken innerhalb von zwei Jahren einen Rückgang von 15 Prozent – 11 Prozent davon zwischen 2009 und 2010.
In Spanien haben GMO-Pflanzen herkömmlichen sowie Bio-Mais und damit die menschliche Nahrungskette kontaminiert, was wiederum negative wirtschaftliche Auswirkungen hatte und zu einigen der bisher größten Anti-Gentechnik-Demonstrationen in Europa führte. Auch danach gibt es jedoch Belege dafür, dass die spanische Regierung mit den USA gemeinsam daran arbeitet, in Europa eine stärkere Akzeptanz für gentechnisch modifizierte Nahrungsmittel herzustellen.
Zunehmender gesellschaftlicher Widerstand
Die abnehmende GMO-Anbaufläche ist das Ergebnis jahrelangen gesellschaftlichen Widerstands, der immer mehr auch von unabhängigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gestützt wird. Einige Regierungen haben sich die weitverbreiteten Gesundheits- und Umweltbedenken zu Herzen genommen und GMO-Pflanzen verboten. Mittlerweile sind es sechs europäische Länder, die den Anbau der wichtigsten von der EU genehmigten kommerziellen Pflanze – dem MON810-Mais von Monsanto – untersagt haben. Frankreich, Deutschland, Österreich, Griechenland, Ungarn und Luxemburg haben MON810-Genmais wegen gesundheitlicher und ökologischer Bedenken mit Verboten belegt. Im Februar 2010 hat Bulgarien jeden Anbau von GMO-Pflanzen untersagt.
Europa wird von der zunehmenden gesellschaftlichen Ablehnung von GMO-Pflanzen überrollt: 169 Regionen, 123 subregionale Provinzen und Gebiete sowie 4.713 Kommunalverwaltungen haben sich offiziell zu gentechnikfreien Zonen ernannt.
Laut dem aktuellen „Eurobarometer“, der im Oktober 2010 von der Europäischen Kommission veröffentlich wurde, sind 61 Prozent aller EU-Bürger gegen GMO-Pflanzen, um einiges mehr als im Jahr zuvor. Im Dezember 2010 wurde der Kommission eine Petition mit mehr als einer Million Unterschriften von EU-Bürgern vorgelegt, in der ein GMO-Anbaustopp und die Schaffung eines unabhängigen Wissenschafts- und Ethikgremiums zur Prüfung und Regulierung gentechnisch modifizierter Nutzpflanzen gefordert wurde. Dieser Antrag wurde gemäß den Anforderungen eines neuen Rechtsverfahrens namens Europäische Bürgerinitiative erstellt und ist ein echter Meilenstein.
Patentamtlicher Entscheid
Neben den staatlichen Verboten gibt es auch noch eine weitere erfolgreiche Entwicklung für Konsumenten und Bauern: die Entscheidung des Europäischen Patentamts (European Patent Office; EPO), derzufolge grundsätzliche biologische Methoden zur Pflanzen- und Tierzucht nicht als technische Vorgänge angesehen werden können, auf die das Patentrecht anzuwenden ist.
Patente auf Pflanzen und Tiere hemmen demnach innovative Zuchtmethoden und schwächen die Unabhängigkeit von Bauern und Konsumenten, wobei sie es gleichzeitig Konzernmultis gestatten, die Kontrolle über die weltweite Lebensmittelversorgung an sich zu reißen.
Diese Entscheidung versetzt den Biotechnologie-Unternehmen einen schweren Schlag, da diese Firmen bislang weitgefasste gesetzliche Auslegungen des Patentrechts dazu nutzen konnten, immer mehr Macht über die Landwirtschaft und die Nahrungskette zu erlangen.
Nach wie vor können auf konventionelle Art gezüchtete Pflanzen und Tiere in Europa patentiert werden, da sich die Entscheidung des EPO nur auf die Zuchtmethode bezieht und nicht auf die Frage eingeht, ob Pflanzen und Tiere überhaupt patentiert werden können.
GMO-Kartoffel-Skandale
Europa ist weltweit die einzige Region, in der der kommerzielle Anbau von GMO-Kartoffeln zugelassen ist. Im März 2010 genehmigte der neue EU-Gesundheitskommissar John Dalli die Amflora-Kartoffel von BASF für die Erzeugung industriell verwendeter Stärke und als Tierfuttermittel. Weiterhin darf Amflora die Nahrungsmittelkette bis zu einem Grenzwert von 0,9 Prozent kontaminieren, obwohl die GMO-Kartoffel selbst nicht für den menschlichen Genuss zugelassen ist. Dabei handelt es sich um eine beispiellose Entscheidung, die ein Zugeständnis an die Biotech-Firma BASF darstellt (da BASF dadurch gegen Rückrufaktionen wie auch gegen die Produkthaftung gefeit ist).
Zuvor galt der Grenzwert von 0,9 Prozent nur für GMO-Pflanzen, die zum menschlichen Verzehr zugelassen sind – und nur, wenn die Kontamination unbeabsichtigt und technisch unvermeidlich ist. BASF selbst gibt zu, dass es unmöglich ist, eine Kontamination der menschlichen Nahrungskette durch Amflora zu verhindern. Seit der Genehmigung stand der Amflora-Anbau im Mittelpunkt zahlreicher Kontaminationsskandale, öffentlicher Protestkundgebungen und von fünf europäischen Staaten eingeleiteter Gerichtsverfahren.
In Österreich, Luxemburg und Ungarn wurde die Amflora-Kartoffel überhaupt verboten, da sie einen molekularen Marker aufweist, der antibiotikaresistent ist. Man hat Bedenken, dass sich dieses Gen mittels horizontalem Gentransfer auf krankheitserregende Bakterien übertragen und dadurch das Problem der Antibiotikaresistenz in der Tier- und Humanmedizin noch verschärfen könnte.
Futtermittel-Importe in der EU
MON810-Mais und die Amflora-Kartoffel sind zwar die einzigen GMO-Pflanzen, die in der EU kommerziell angebaut werden dürfen, doch es gibt rund 40 gentechnisch modifizierte Organismen, die für Futter- und Lebensmittelimporte zugelassen sind. Der Import von gentechnisch modizierten Futtermitteln nach Europa stellt den wichtigsten Einreiseweg für GMO-Pflanzen auf den Kontinent dar.
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