Die Biotechnologie-Industrie wird von einer Vielzahl öffentlicher und privater Institutionen finanziert, da sie mit dem Versprechen arbeitet, Hunger, Armut, Mangelernährung und jetzt sogar den Klimawandel zu bekämpfen. Dennoch ist der großmaßstäbliche Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bis heute auf nur sechs Staaten beschränkt – wobei die überwiegende Mehrzahl dieser Pflanzen zur Gewinnung von Fasern, industriellen Agrotreibstoffen sowie Futtermitteln dient und nicht der menschlichen Nahrungsversorgung.
Zudem hat es die Biotech-Industrie nicht geschafft, weitere nützliche Eigenschaften der GMO-Pflanzen erfolgreich zu vermarkten, obwohl sie seit Jahren Versprechungen bezüglich einer bevorstehenden Dürreresistenz und Stickstoff-Fixierung, aber auch eines erhöhten Nährwerts und sinkenden Düngemittelbedarfs macht. Die meisten der „neuen“ GMO-Nutzpflanzen vereinen jedoch nur bereits bekannte herbizidtolerante und insektenresistente genetische Merkmale innerhalb einer Pflanze.
In Wirklichkeit sind Insektenresistenz und Herbizidtoleranz die einzigen Merkmale, die bisher entwickelt und in größerem Ausmaß angebaut wurden – angeblich, um den Einsatz von Pestiziden zu vermindern. Dem International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (Internationaler Einkaufsdienst für die Akquirierung von Biotechnologie-Anwendungen in der Landwirtschaft; ISAAA) zufolge sind ganze 99 Prozent aller kommerziell angebauten GMO-Pflanzen nur herbizidtolerant oder insektenresistent. In der EU beziehen sich 43 von 49 Anträgen zum Anbau von GMO-Pflanzen auf herbizidtolerante oder insektenresistente Sorten. Auch in den USA geht es in 15 von 23 Anbauanträgen um herbizidtolerante oder insektenresistente Sorten.
Kreative Buchführung
Die Jahresberichte des ISAAA neigen dazu, blindes Vertrauen in die von der Industrie gelieferten Daten zu setzen, ungenaue Statistiken zu enthalten und wenige oder unklare Quellen anzugeben. Zudem wird darin Clive James, der Vorsitzende der Gruppe, zitiert. Der ISAAA bläst seine Zahlen durch doppelte und dreifache Buchführung auf, indem er das Konzept „virtueller Hektare“ verwendet – das heißt unter anderem, dass der tatsächliche Oberflächenbereich mit der Anzahl der gentechnisch modifizierten Merkmale in den Pflanzen multipliziert wird. Auf diese Weise zählt ein ein Hektar großes Feld, auf dem eine GMO-Pflanze angebaut wird, die gegenüber zwei Herbiziden tolerant ist und ein insektenresistenes Gen aufweist, plötzlich drei Hektare.
Wenige GMO-Pflanzen in wenigen Staaten
GMO-Pflanzen werden nur in wenigen Ländern der Erde angebaut. 95 Prozent aller GMO-Pflanzen wachsen in den USA, Brasilien, Argentinien, Indien, Kanada und China. Die weiteren 19 Länder (von insgesamt 25), die in ISAAA-Berichten angegeben werden, haben eine Gesamtanbaufläche von nur sieben Millionen Hektar. Fast 60 Prozent aller GMO-Freilandversuche werden in den USA durchgeführt.
Dem ISAAA-Jahresbericht 2009 zufolge wachsen GMO-Pflanzen auf 134 Millionen Hektar. Da die globale Gesamtanbaufläche mehr als 4,9 Milliarden Hektar beträgt, bedeutet das, dass alle GMO-Anbauflächen zusammen 2009 nur 2,7 Prozent des gesamten Agrarlandes ausmachten. Mehr als 97 Prozent der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen bleiben also gentechnikfrei.
Trotz seit mehr als drei Jahrzehnten getätigter Investitionen von öffentlicher und privater Seite haben GMO-Pflanzen es bisher nicht geschafft, für Ernährungssicherung oder einen konsistent höheren Ernteertrag zu sorgen. Fast der gesamte Ertrag auf GMO-Anbauflächen beschränkt sich auf vier Pflanzenarten: Soja, Mais, Raps und Baumwolle. Grundnahrungsmittel wie Weizen, Reis, Maniok, Gerste, Hafer, Sorghum und Hirse sind demnach gentechnikfrei, soweit es die kommerzielle Produktion betrifft. Der Anbau von gentechnisch modifizierten Kartoffeln in Europa steht im Mittelpunkt einer öffentlichen Kontroverse.
Trotz heftiger Public-Relations-Anstrengungen von Biotech-Firmen und Forschungsinstituten, die sich für Gentechnik einsetzen, sind GMO-Pflanzen in der öffentlichen Akzeptanz gesunken – sogar in den Staaten, wo historisch gesehen die größten GMO-Anbauflächen bestehen. In den USA, die gegenüber Gentechnik sehr positiv eingestellt sind, wurde der kommerzielle Anbau gentechnisch modifizierter Alfalfasprossen verboten; außerdem mussten Zuckerrübensetzlinge auf behördliche Anordnung ausgerissen werden, da es keine adaquäten Gutachten über ihre möglichen Auswirkungen auf die Umwelt gab. In Indien sind BT-Brinjal-Auberginen, die erste GMO-Nutzpflanze des Landes, nach wie vor verboten. In Brasilien wurde die kommerzielle Verwertung der GMO-Maissorten von Bayer gestoppt. Und in Europa nehmen die Bedenken über gentechnisch modifizierte Lebensmittel zu, während die GMO-Anbaufläche weiterhin sinkt.
Im ISAAA-Jahresbericht 2009 wird behauptet, dass 14 Millionen Klein- und Großbauern – die zu 90 Prozent „ressourcenarm“ wirtschaften – von den Biotech-Pflanzen profitieren. Diese völlig unbelegte Behauptung geht nicht im mindesten auf den weitverbreiteten Widerstand gegen GMO-Pflanzen ein, an dem sich auch Bauern-Massenbewegungen wie La Via Campesina mit ihren weltweit 200 Millionen Mitgliedern beteiligen.
GMO-Pflanzen in Europa
Die zum Anbau von GMO-Pflanzen bestimmte Fläche in Europa (wobei es hier ausschließlich um den MON810-Mais von Monsanto und die Amflora-Kartoffel von BASF geht) ist in den vergangenen zwei Jahren entscheidend geschrumpft. In diesem Zeitraum stieg der Widerstand der Bevölkerung gegen gentechnisch modifizierte Organismen auf 61 Prozent an. Die Sorgen um die Kontamination durch GMO-Pflanzen sind berechtigt; neue Fälle von Kontamination durch GMO-Kartoffeln haben sogar zu neuen Verboten geführt. Die Zulassung einer neuen GMO-Kartoffelsorte durch die Europäische Kommission im Jahre 2010 hat zu Verboten der Feldfrucht in Österreich, Luxemburg und Ungarn geführt.
Die beiden genannten Produkte sind zwar die einzigen GMO-Pflanzen, die in Europa angebaut werden dürfen, doch der Import einiger GMO-Pflanzen als Futter- und Lebensmittel ist erlaubt. Die Futtermittelbranche übt derzeit Druck auf die EU aus, ihre kompromisslose Regulierung nicht zugelassener GMO-Futter- und Lebensmittel aufzuheben. Dazu kommt, dass der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safe Authority, EFSA), die eine Risikoeinschätzung für GMO-Pflanzen vornehmen soll, enge Verbindungen zu Biotech-Unternehmen nachgewiesen werden konnten.
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