Geheimnisse der Eiszeit schmelzen

Die Gletscherforschung begann bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts, doch die Wissenschaft weiß immer noch nicht genau, warum es Eiszeitalter gibt oder wann die nächste Kaltzeit kommen wird.

Viel Arbeit ist in die Erforschung des Eises und der Eiszeitalter gesteckt worden und vieles wurde über dieses Phänomen herausgefunden – doch warum es überhaupt zu Eiszeiten kommt, ist heute noch genauso ein Rätsel wie im Jahr 1842, als Joseph Adhémar die erste detaillierte Theorie zu den Eiszeiten unter dem Titel „Révolutions de la mer: déluges périodiques“ (Revolutionen des Meeres: periodische Fluten) veröffentlichte.

Die Entdeckung der Eiszeit

Bereits 1787 glaubte Bernhard Kuhn, dass erratische Blöcke im Schweizer Jura das Resultat uralter Vereisung seien. Der schottische Geologe James Hutton besuchte den Jura sieben Jahre später und kam zu dem gleichen Schluss. Dennoch lautete das vorherrschende Erklärungsmodell für diese geologischen Gegebenheiten bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass es sich um Überreste der biblischen Sintflut handle. Der deutsche Geologe Jean de Charpentier war von den Blöcken und Moränen fasziniert und formulierte in den 1830ern die erste Theorie der Gletscherbildung. Sie wurde 1841 unter dem Titel „Essais sur les glaciers“ veröffentlicht. Es war die erste, detaillierte Abhandlung über Vergletscherung.

Louis Agassiz, der sich der Vereisungstheorie in Bezug auf diese geologischen Besonderheiten anschloss, wagte sich noch weiter und formulierte die Theorie, dass die Erde irgendwann einmal unter einem großen Eiszeitalter gelitten habe. Sie wurde 1840 in seinem Buch „Études sur les glaciers“ (Studien über die Gletscher) veröffentlicht. In „Système glaciaire“ (Das Gletschersystem), das 1847 erschien, präsentierte er weitere Beweise, die er in ganz Europa gesammelt hatte und die seine Theorie belegten. Agassiz reiste 1846 in die Vereinigten Staaten, wo er noch mehr Beweise für seine Vereisungstheorie fand. 1848 übernahm er einen Lehrstuhl in Harvard.

Etwa um das Jahr 1870 galt die Theorie, dass in früheren erdgeschichtlichen Phasen dicke Eisschichten die Erde bedeckten, in Fachkreisen allgemein als anerkannt.

Die Erdumlaufbahn und ihr Schwanken

Nachdem die Wissenschaft sich einig war, dass es tatsächlich eine Eiszeit gegeben hatte, galt es als nächstes, deren Ursachen herauszufinden. Die erste Theorie, die von Joseph Adhémar vorgestellt wurde, basierte auf der Tatsache, dass die Erdachse in einem Zeitraum von 22.000 Jahren vor- und zurückkippt, ein Phänomen, das allgemein als Präzession der Äquinoktien bezeichnet wird (heute geht man von einem Zeitraum von 25.800 Jahren aus). Im Laufe der Zeit wandern daher die astronomischen Koordinaten an einem bestimmten Tag (dem Frühlingsäquinoktium) langsam weiter und bewegen sich so rückwärts durch die einzelnen Sternzeichen. Im Augenblick geht die Sonne am Tag der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche im Zeichen der Fische auf. Davor ging sie 2.000 Jahre lang im Zeichen des Widders auf. Und etwa im Jahr 2070 findet für die nächsten 2.000 Jahre ein Wechsel zum Wassermann statt.
Wenn man sich vom Mittelpunkt der Erde aus eine Ebene denkt, die zwischen Erde und Sonne liegt, erhält man einen Kreis, der als Ekliptik bezeichnet wird. Da die Rotationsachse der Erde nicht senkrecht auf dieser Ebene steht, bildet sich zwischen ihr und der Ebene des Erdäquators ein Winkel, der die Schiefe der Ekliptik genannt wird. Im Moment beträgt er 23,5 Grad, doch er schwankt zwischen 24,5 und 22,1 Grad. Wie wir wissen, bestimmt dieser Winkel die Jahreszeiten in gemäßigten Klimazonen. Adhémars Theorie zufolge gibt es immer in der Hemisphäre, die den längeren Winter hat, eine Eiszeit. Demzufolge würde alle 11.000 Jahre eine Eiszeit auftreten, einmal in der einen Hemisphäre, dann in der anderen.

James Croll, ein Autodidakt, der einst Hausmeister im Andersonian College and Museum in Schottland war, widersprach Adhémars Theorie. Er glaubte, dass die plausibelste Kraft hinter dem Klimawandel Veränderungen der Sonneneinstrahlung oder Insolation auf die Erde seien, da die Umlaufbahn der Erde aufgrund ihrer elliptischen Form um bis zu fünf Prozent schwanken kann. Solche Abweichungen wirkten sich auf die Intensität der Sonneneinstrahlung aus, sowohl im Aphelium (wenn wir am weitesten von der Sonne entfernt sind) als auch in Sonnennähe (Perihelium).

Nach Crolls Theorie führt eine Abnahme der Sonneneinstrahlung im Winter zu stärkerem Schneefall, was den Verlust weiterer Wärme zur Folge hat, da das Sonnenlicht vermehrt in den Weltraum zurückreflektiert wird.

Findet der Winter im Perihelium statt, sind die Temperaturen wärmer als gewöhnlich; während ein Winter im Aphelium geringere Temperaturen aufweist. Kühlt daraufhin das Polargebiet einer Hemisphäre ab, verstärkt das die Passatwinde in dieser Hemisphäre, die dann die warmen äquatorialen Meeresströmungen umkehren, was den Wärmeverlust noch vergrößert. Wäre die Umlaufbahn der Erde kreisförmig, so hätte das langsame Schwanken nicht die geringsten Auswirkungen auf das Klima. Dann fände jede Jahreszeit im gleichen Abstand von der Sonne statt. Da sich aber die Insolation der nördlichen Hemisphäre von der südlichen unterscheidet, ging Croll davon aus, dass die Eiszeiten von der nördlichen zur südlichen Hemisphäre wechseln.

Auch wenn sich die Theorie der wechselnden Eiszeiten als falsch herausstellte, so bildeten Crolls Ideen doch die Grundlage für das Verständnis der Kausalzusammenhänge von Eiszeiten. Er war der Erste, der die Bedeutung der Meeresströmungen, der Sonneneinstrahlung und der Besonderheiten der Erdumlaufbahn für ein solches Erklärungsmodell erkannte. 1876 wurde Croll in die Royal Society of London aufgenommen.

Milutin Milankovitch, ein Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität von Belgrad, entdeckte am Anfang des 20. Jahrhunderts Crolls Theorie wieder und machte es sich zur Aufgabe, sich detailliert mit der Insolation auseinanderzusetzen. Dabei stützte er sich auf Ludwig Pilgrims neueste Berechnungen der Erdumlaufbahn.

Er bewies, dass die Sonneneinstrahlung einem 23.000-jährigen Zyklus unterworfen ist und schloss daraus, dass die Kaltzeiten besonders intensiv sind, wenn die Strahlung der Sonne unter einen bestimmten Wert fällt. Da sich die Insolationskurve etwa in einem 100.000-Jahre-Zyklus bewegt, glaubte er, auch die Eiszeitalter müssten diesem Zyklus unterworfen sein. Er ging außerdem davon aus, dass die nördliche Hemisphäre dominieren müsse, da ihre Oberfläche aus zwei Dritteln der Landmassen der gesamten Erde besteht. Ausgelöst durch die Sonneneinstrahlung im Norden würden die Eiszeiten in beiden Hemisphären synchron verlaufen.

Milankovitchs Insolationstheorie wurde widerlegt, nachdem man mit der Radiocarbonmethode nachweisen konnte, dass seine Berechnungen der Eiszeiten nicht korrekt waren. In den 1960ern und 1970ern lebte seine Theorie jedoch wieder auf, als Isotopstudien im Meeresbodensediment mit Bezug auf den Klimawandel auf der Erde durchgeführt wurden.

Sedimente in der Tiefsee, die die Schalen kleiner planktonartiger Organismen namens Foraminiferen enthalten, bezeugen die Geschichte des Klimawandels.

Lebend binden sich diese Organismen an zwei Arten von Sauerstoffatomen: an das reichhaltige und weit verbreitete 16O-Isotop und an das 18O-Isotop. 18O, das schwerere Isotop, findet man im Meerwasser; das leichtere Atom findet sich hingegen in höherer Konzentration in Schnee und Eis. Immer wenn dem Meer Wasser entzogen wird, um mehr Eis zu produzieren, hinterlässt das Spuren im Sauerstoff. Diese Anreicherung von 16O zu 18O kann man an den Calciumcarbonatschalen (CaCO3) der Foraminiferen nachweisen. Das Calciumcarbonat entsteht aus Meerwasser, also spiegelt der Sauerstoff, der die Calciumcarbonatkristalle bildet, die Zusammensetzung des Meerwassers wider.

Indem man die Sauerstoffisotope von Foraminiferen analysiert, kann man bestimmen, zu welchen Zeiten die Erde mehr Gletscher produzierte, wann es also Kaltzeiten gab. Im Meeresbodensediment hat man Beweise sowohl für 100.000-jährige als auch für Klimazyklen von 41.000 und 23.000 Jahren gefunden. Doch es gibt immer noch unbeantwortete Fragen.

Bei der Gletscherbildung scheint der 100.000er Zyklus zu dominieren, der 41.000er ist schwächer, und der 23.000er ist der schwächste von allen. In der Insolationstheorie ist es jedoch umgekehrt: Hier dominiert der 23.000er Zyklus, während der 100.000er am schwächsten ausgeprägt ist.1

Die Entstehung des Himalaja und das Weltklima

Eine der neueren Theorien zur Entstehung der Eiszeiten kombiniert globale Klimaveränderungen mit einem der erstaunlichsten geologischen Phänomene der Erde: dem Himalaja-Gebirgsmassiv. Der Theorie zufolge, die Maureen Raymo, eine Geowissenschaftlerin an der Boston University, 1988 vorstellte, wurde eine riesige Menge Fels den Elementen preisgegeben, als der Himalaja sich heraushob. Der Monsunregen tränkte das Land, und die Oberfläche des freigelegten Felsens erodierte.
Dieser Prozess der chemischen Verwitterung entzog der Atmosphäre so viel Kohlendioxyd, dass die Temperaturen weltweit fielen und eine Eiszeit auslösten.2 Um ihre Theorie zu beweisen, untersuchte Raymo Meeresbodensediment auf Strontium.

Es gibt verschiedene Typen (Isotope) von Strontium, die alle eine andere Atommasse haben. 87SR, ein schwerer Typ, wird durch die chemische Verrottung von Gestein ins Meer gespült. Die leichtere Variante, 86SR, wird auf dem Meeresgrund freigesetzt und stammt aus dem tiefsten Erdinneren. Indem Raymo die Menge der Isotope in den unterschiedlichen Schichten verglich, meinte sie ablesen zu können, welcher Prozess zu einem bestimmten Zeitpunkt überwog. Vor 35 Millionen Jahren erhöhte sich die Menge des 87SR dramatisch. Dies geschah zeitgleich mit der Anhebung des Himalaja.

Nachdem sie den Strontiumbeweis erbracht hat, ist Maureen Raymo davon überzeugt, das Geheimnis der Eiszeit gelüftet zu haben. Demnach habe die Heraushebung des Himalaja zunächst den indischen Monsunregen verstärkt, der die Berge auswusch und der Luft Kohlendioxyd entzog. Schließlich sei die Atmosphäre aufgrund des verringerten Kohlendioxydgehalts der Luft allmählich abgekühlt.

Kommentare

01. Dezember 2018, 02:33 Uhr, permalink

Theodorus

es gibt einen gefühlten widerspruch zwischen den perioden, die laviolette nennt und wie sie heute im netz zu lesen sind. in den 90er jahren wurden aber die perioden, wie sie laviolette nennt, ebenfalls erwähnt und sind mittlerweile im freien netz verschwunden. in der esoterischen szene wird behauptet, dass mit der eiszeit ein kulturzeitraum beendet wird. ebenso wie lemurien und atlantis, wird unser zeitalter jetzt durch eine eiszeit beendet werden, die etwa 1600 jahre dauert. betrachtet man die entwicklung von der kultur zur zivilisation, macht es zumindest sinn, dass eine menschheit ohne kultur wieder zum ursprung zuruck geführt, und umweltschäden wieder egalisiert werden. dies ist allerdings eine frage des glaubens. wer wirklich glaubt, dass sich die geheimnisse des lebens per dna analysieren lassen, glaubt an die materie und lässt die rückseite der medaille, die energie, außer acht und wird immer irren. wenn der mensch mit seiner angeblich unabhängigen intelligenz so schlau wäre, warum ist ihm die natur so weit voraus mit ihren teils witzigen lösungen für technische probleme? ein system verbessert sich nicht von selbst ohne eine intelligenz. und überhaupt: wer kommt auf so eine blöde idee, dass es vor dem urknall nichts gab? aus nichts wird nichts. und wer kommt auf so ne blöde idee, dass das universum leer wäre? wie sollte das sonnenlichtkorpuskel mit gleichbleibender geschwindigkeit durchs weltall jagen, wenn es nicht mit dem äther interagieren würde und dadurch ständig energie aufnimmt?

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