Andere mögliche Faktoren, die die Entstehung von Fettleibigkeit begünstigen, sind multiple Nährstoffmängel, dysfunktionale Organsysteme, aus dem Gleichgewicht geratene endokrine und hormonale Aktivitäten, Sucht, Depression, Erschöpfung und Gefühle von psychischer und spiritueller Leere. Einem fettleibigen Menschen einfach nur zu sagen, sie oder er solle weniger essen und sich mehr bewegen, ist zu einfach gedacht, um diesem komplexen Zustand effektiv beizukommen. Und genau das ist der Punkt, an dem wir uns befinden. Es ist eine ganzheitliche Beurteilung notwendig, die alle Aspekte beinhaltet, mit denen wir konfrontiert sind. Menschen werden aus verschiedenen Gründen fettleibig oder, besser, als Folge multipler Faktoren.
Ebenso wahr ist, dass wir unser Essen näher betrachten müssen: Welche Nahrung nehmen wir vermehrt zu uns und welche weniger? Macht Fett essen wirklich fett? Der Mensch hat schon immer viel Fett zu sich genommen. Einige Kulturen erhalten 70 Prozent ihrer Kalorien aus dem Fett, und das hat sich seit tausenden von Jahren von einer Generation zur nächsten wiederholt.10 Warum sollten wir jetzt damit so ein großes Problem haben? Wir haben schon immer Fett mit unserer Nahrung aufgenommen – das hat sich nicht geändert. Was sich verändert hat, ist die Art des Fetts, die wir essen. Zum Beispiel hat der Konsum von Butterfett über die Jahre stetig abgenommen. Gleichzeitig nahm der Konsum von Kokosnussöl rapide ab, im Vergleich zu ein paar Jahrzehnten früher. Dagegen ist der Konsum pflanzlicher Öle explodiert11 – unzweifelhaft aufgrund der Tatsache, dass diese Öle (besonders die gehärteten und teilweise gehärteten Öle) die Hauptbestandteile abgepackter Nahrungsmittel sind, die wir im Supermarkt kaufen. Eine andere dubiose Zutat, die man neben den pflanzlichen Fetten oft findet, ist Maissirup mit hohem Fructose-Anteil (HFCS, high-fructose corn syrup, wird in den meisten Softdrinks der USA verwendet, d. Übers.). Wir konsumieren mehr dieser beiden Nahrungszusätze als jemals zuvor.
Meine Erfahrungen bei der Behandlung fettleibiger Menschen in einer „alternativen“ klinischen Praxis lassen vermuten, dass die Physiognomie der Fettleibigkeit ein weitaus komplizierteres Szenario darstellt, als maßlose Kalorienaufnahme und unzureichende Bewegung. Untersuchungen an diesen Personen haben mir gezeigt, dass nicht nur übermäßig viel Gewebe existiert, sondern auch große Defizite vorliegen. In der westlichen Wissenschaft würden wir diese Art Mängel mit fehlenden Vitaminen, Mineralien und Enzymen sowie der Erschöpfung endokriner Drüsen gleichsetzen. In der klinischen Praxis ist dies zu verallgemeinert, wenn man die Patienten mit ihrer übermäßigen Anhäufung von Körperschutt und dem ihn begleitenden Mangel an richtigen Materialien zum Aufbau der Gesundheit sieht. Der Prozess, durch den diese Transformation stattfindet, hat bestimmte Eigenschaften, die mit der amerikanischen Lebensart und unseren westlichen Ideologien einhergehen. Ausschlaggebend ist die Wahl unserer Lebensmittel, der Umgang mit unserem Körper, unseren Emotionen, der Arbeit, den Geburten und so weiter. Viele Generationen lang hatten wir keine wirklich gesundheitsbewusste Einstellung zum Leben.
Das Problem liegt nicht einfach nur in der Anhäufung von Fett. Wir müssen bedenken, dass die verarbeiteten und abgepackten Nahrungsmittel, die wir im Supermarkt kaufen, nicht so leicht verdaut werden können wie ihre natürlichen Gegenstücke. Folglich werden viele Substanzen vom Darm aufgenommen und in den Blutkreislauf geleitet, die nicht durch normale Körperfunktionen verarbeitet werden können. Fettleibigkeit ist eine Kombination der Anhäufung dieser unverdaulichen Materialien, gepaart mit aufgebrauchten Körperenergien, ausgelaugten endokrinen Reserven und erschöpfter Verdauungskapazität. Als Endresultat verliert das System an Komplexität; der Körper wird zu einem Müllbeutel, gefüllt mit Dingen, die er weder braucht noch fähig ist aufzubrechen oder zu entsorgen. Äußerlich können wir die Dinge klar unterscheiden. Wir nennen es schon gar nicht mehr Fett, weil wir wissen, dass es etwas anderes ist. Zellulitis, „Rettungsring“, „Bierbauch“: Sogar der Volksmund weiß, dass es mehr als nur einfache Fettablagerungen sind. In einer fettleibigen Person hat das Fett selbst einen anderen chemischen Aufbau als das Fett in einer gesunden Person.
Alle Zellen im Körper des Menschen (egal, ob fettleibig oder nicht) beinhalten Fett. Die Zellmembran, die die Grenze zwischen zwei Zellen bildet, nennt man Lipid-Doppelschicht, und sie besteht aus Fett – etwa 50 Prozent gesättigtes und 50 Prozent ungesättigtes Fett beispielsweise in einer typischen Blutzelle. An der Oberfläche jeder Zelle existiert demnach eine Schicht Fettmoleküle. Wie ein Ballon Luft enthält, befindet sich innerhalb der Zellmembran der Inhalt der Zelle. Jede Zelle des Körpers ist so aufgebaut. An der Zellmembran finden viele Prozesse statt. Hormone und andere Moleküle binden sich an die Zellmembran und lassen die Zelle so alle essentiellen Lebensfunktionen ausführen. Alles, was die Zelle zum Funktionieren und Überleben braucht, muss die Membran durchqueren. Sie muss als eine „selektive Grenze“ agieren, d.h. sie muss bestimmte Moleküle hindurchlassen, während unerwünschten Materialien der Zugang verwehrt wird. Die Zellmembranen benötigen eine konstante Versorgung mit neuen Fettmolekülen, um diejenigen zu ersetzen, die durch verschiedene Prozesse verloren gegangen sind. Die richtige Mischung aus gesättigten und ungesättigten Fetten in guter Qualität ist nötig, um die korrekte Funktionsweise dieser verbundenen Strukturen zu gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, wird der Körper andere verfügbare Fettmoleküle einbauen.
Bei fettleibigen Menschen enthält die Zellmembran eine entartete Mischung von Fettmolekülen.12 Die kurzfristige Folge davon ist, dass die Zellen nicht länger korrekt arbeiten. Die Membran kann nicht mehr als selektive Grenze agieren und lässt alle möglichen Stoffe, die im Blutkreislauf zirkulieren, in die Zelle hinein. Werden die Fettzellen größer, erlauben sie eine noch größere Anhäufung der falschen Lipide. Gesunde Komponenten wie das Enzym Lipase, das Fettmoleküle abbaut, sind nicht mehr vorhanden. Das Fett selbst kann als Speicherareal für fettlösliche Substanzen fungieren, und viele Umweltgifte, denen wir ausgesetzt sind, sind fettlöslich: sie sind „ölig“ im Gegensatz zu „wässrig“. Folglich reichert sich dieser giftige Abfall im Fettgewebe an und wird auf unbestimmte Zeit eingelagert. Das Fett hat die Fähigkeit, seine eigenen potentiell giftigen Substanzen zu synthetisieren: Östrogen beispielsweise wird im Fettgewebe von Männern und Frauen produziert. Während ein gesundes Gleichgewicht von Östrogen für die Gesundheit unabdingbar ist, kann eine Überproduktion im Körper alle möglichen Schwierigkeiten verursachen. Östrogen unterstützt das Wachstum und die Bildung von Gewebe, daher bindet es das Fett eher im Körper. Es fördert aber auch das Wachstum von Tumoren.
Entartung der Nahrungsmittelversorgung
Wir können das Fast Food nicht für alle unsere Übel verantwortlich machen. In den heutigen Supermärkten sind Nahrungsmittel die Norm, die vollständig aus industriell erzeugten Stoffen bestehen. Künstlich hergestellte Zutaten wie gehärtete und teilweise gehärtete Öle, die in vielen Studien mit verschiedenen chronischen Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wurden, befinden sich in fast allen vorgefertigten Nahrungsmitteln.13 Hinzu kommen Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker und Süßstoffe. Man kann im Supermarkt nur schwer Erzeugnisse finden, die keinen Zucker oder hochkonzentrierten Maissirup enthalten. Genetisch veränderte Organismen sind mittlerweile weit gebräuchlich und in schätzungsweise 70 Prozent aller verarbeiteten Nahrungsmittel enthalten.
Die Landwirtschaftsindustrie scheint trotz der endlosen Manipulation unserer Nahrungsmittelversorgung keine Gewissensbisse zu empfinden, denn für die Zukunft ist noch mehr geplant. Solange wir uns dieser Tatsachen nicht bewusst sind und uns nicht damit beschäftigen, wird die Industrie weiterhin die Produkte verkaufen, mit denen sie den meisten Gewinn macht. Dabei scheint die Gesundheit des Konsumenten überhaupt keine Rolle zu spielen, sondern nur die Marketingstrategien, die uns diesen Müll als gesund verkaufen wollen.
Viele Personen, die Nahrungsmittel aus der Landwirtschaftsindustrie kaufen und verzehren, scheinen sich nicht darüber im Klaren zu sein, wie diese Nahrung tatsächlich hergestellt wird. Es ist kein Zufall, dass diese Informationen vor der Öffentlichkeit zurückgehalten werden.
Tiere aus Massentierhaltungen der Landwirtschaftsindustrie werden in einem grausam beengten Lebensraum gehalten. Sie bekommen das billigste Futter, wozu auch „recycelte“ Tierkadaver gehören. Sie werden mit Medikamenten, Hormonen und Antibiotika vollgestopft, damit sie ja nicht sterben, bevor sie groß genug sind, um gegessen zu werden. Alle diese unnatürlichen Verfahren und Belastungen verändern die Struktur des Fleisches auf unterschiedliche Weise. Sie verlagern das Gleichgewicht der Fettsäuren auf ein ungesundes Übermaß von Omega-6 und eine Unterversorgung mit Omega-3. Toxine und chemische Belastungen kommen hinzu. Die Tiere fressen ungesunde Abfallprodukte, Mais und Sojabohnen. Normalerweise fressen Kühe Heu und Gras. Werden sie jedoch anormal ernährt, verändert dies drastisch die Qualität des Fleisches, so dass die darin enthaltenen Fette und Proteine nicht mehr so gesundheitsfördernd sind, wie sie es einst waren.
In den letzten Jahren hat sich allerdings das Interesse an regional gewachsenen Produkten, die unter Berücksichtigung der Konsumenten hergestellt werden, verstärkt, so dass Sie nicht lange suchen müssen, um diese zu finden. In vielen Städten gibt es „Bauernmärkte“, auf denen lokale Produzenten ihre Lebensmittel direkt weiterverkaufen.
Der jetzige Trend in der Behandlung von Fettleibigkeit geht auf breiter Ebene in die Richtung, alle Verantwortlichkeit für das Problem auf die zu schieben, die davon betroffen sind. Auf eine Art ist das eine berechtigte Herangehensweise. Wenn die Menschen aufhören würden, Nahrungsmittel aus dem Supermarkt zu kaufen, würde die Nahrungsmittelindustrie aufhören, diese zu produzieren und die Supermärkte würden sie nicht mehr verkaufen. Die Frage, ob die Nahrungsmittelproduzenten allerdings überhaupt irgendeine Verpflichtung gegenüber den Konsumenten verspüren, führt über diesen Artikel hinaus.
Obwohl wir alle dem Sozialisationsprozess ausgesetzt sind, der uns zu einem Massenkonsum orientierten Leben führt, hat jeder von uns die Fähigkeit, diese Verhaltensweisen jederzeit zu verändern. Vielleicht ist der erste Schritt dazu, sich darüber bewusst zu werden, was hier vor sich geht.
Kommentar schreiben