Es muss irgendwann im Jahr 2004 gewesen sein, als ich das erste Mal von Remote Viewing (RV) hörte – doch damals blieb nur hängen, dass es eine Art Hellsehen mit Papier und Kugelschreiber war. Das sollte sich im Jahr 2009 ändern, als ich zum ersten Mal die Gelegenheit bekam, selbst eine Session mitzuerleben. Ich nahm damals an einem Planungstreff für ein Projekt teil, das an sich nichts mit RV zu tun hatte, doch einer der Teilnehmer hatte sich die Grundlagen der Technik kurz zuvor von ausgebildeten Remote Viewern zeigen lassen. Er bot mir sogleich an, selbst eine Session durchzuführen, doch ich zögerte, weil es sehr kompliziert und trocken wirkte. Daher ließ ich einigen anderen Teilnehmern den Vortritt. Als ich ihnen dann aber zuschaute, sah ich erstaunlich treffsichere Ergebnisse – so war eines der Targets ein auffällig grünes Rennmotorrad, das der Viewer in seiner Farbe, Form, den Motorgeräuschen bis hin zum Benzingeruch beschreiben konnte.
Nun wollte ich es doch selbst erleben, also schoben wir noch eine Session am nächsten Morgen ein. Die Bedingungen waren nicht ideal, da es bereits unser Abreisetag war und wir unter Zeitdruck standen. Ich beschrieb einige Sinneseindrücke korrekt – darunter dunkle, kantige Strukturen und kupferfarbene Elemente –, verlor mich dann jedoch in hartnäckigen Fantasiebildern einer Großstadt-Skyline bei Nacht. Nachdem auch noch mehrfach jemand ins Zimmer gekommen war, um uns an die Abreise zu erinnern, mussten wir die Session abbrechen. Doch selbst wenn wir genug Zeit gehabt hätten, wäre das Target wohl zu anspruchsvoll gewesen: Es handelte sich um eine Art Freie-Energie-Experiment, bei dem schwarze, kantige Bauteile und Kupferspulen in einer Kreisform angeordnet waren. Wesentliche Grundaspekte waren also richtig getroffen, doch die Fantasiebilder, die mein Verstand daraus machte, vereitelten weitere Treffer. Das hat mir klar veranschaulicht, worum es beim Remote Viewing geht: Man soll wertungsfrei Rohdaten liefern, ohne irgendwelche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, die zwangsläufig zu Fantasiebildern führen – auch „analytische Überlagerungen“ genannt.
So holprig verlief also meine erste Session im Jahr 2009. Inzwischen bin ich selbst Ausbilder und Seminarleiter und habe mit meinen deutschen RV-Kollegen knapp 80 Projekte geviewt, die ich zum Großteil auf meinem Blog Signallinie.info dokumentiert habe.1 Doch dazu gleich mehr – lassen Sie mich für die Leser, die noch nie von Remote Viewing gehört haben, kurz erklären, um was es sich dabei handelt und wie die Technik nach Deutschland gelangte.
Eine breite Öffentlichkeit erlangte das Remote Viewing vor allem 1995 in den USA, als das sogenannte „Project Stargate“ offengelegt wurde. Damals staunte die Welt nicht schlecht, als sie erfuhr, dass die US-Regierung über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren die Erforschung des Übersinnlichen finanziert hatte. Wie so viele kuriose Dinge während des Kalten Krieges ging diese Forschung aus dem Bedürfnis hervor, der Gegenseite in jeder Hinsicht ebenbürtig bis überlegen zu sein – und als die amerikanischen Geheimdienste erfuhren, dass die Sowjets an übersinnlichen Fähigkeiten zur PSI-Spionage forschten, wollte man so etwas auch haben.
Die Anfänge
Anfang der 1970er Jahre begann man am Stanford Research Institute (SRI) damit, natürlich begabte Medien – darunter Ingo Swann oder Pat Price – unter Laborbedingungen zu testen. Bei diesen Versuchen wurden Personen als „Sender“ zu geheim gehaltenen Orten geschickt, die dann ein „Seher“, der im Institut zurückblieb, per Fernwahrnehmung beschreiben sollte. Das Ganze funktionierte mit erstaunlicher Treffsicherheit: Physische Hindernisse und Entfernungen schienen keine Rolle zu spielen. Besonders eindrucksvoll zeigte sich das Potenzial der neu entdeckten Hellsehtechnik bei einem Fernwahrnehmungsexperiment des Astronauten Ed Mitchell mit Zenerkarten, als er sich während der Apollo-14-Mission auf dem Weg zum Mond befand.2
Im weiteren Verlauf der Experimente fand man heraus, dass ein „Seher“ oder eben „Viewer“ offenbar jeden beliebigen Ort auf der Erde (und darüber hinaus) beschreiben kann, auch wenn sich dort keine Sender-Person befindet. Es handelte sich also nicht um Telepathie, sondern um ein direktes Abrufen von Eindrücken aus dem Zielgebiet. Die Sitzungen wurden dabei stets blind durchgeführt: Der Viewer bekam nur eine zufällige Zahlenfolge und durfte keinerlei Vorannahmen über das Zielgebiet oder die Aufgabenstellung (Target) haben. Dieses verblindete Vorgehen sollte sich als einer der größten Vorteile der Methodik herausstellen.
Die Erfindung des RV-Protokolls
Schließlich hatte man also eine relativ saubere Vorgehensweise entwickelt, um begabte Medien für das Militär und die verschiedenen Geheimdienste spionieren zu lassen. Doch bald kam innerhalb des Militärs die Frage auf, ob es auch möglich wäre, jedem normalen Soldaten eine außersinnliche Wahrnehmung zu ermöglichen. Daraus ging Anfang der 1980er Jahre das „Coordinate Remote Viewing“- oder kurz CRV-Protokoll hervor.
Im Laufe der Jahre wurde das ursprüngliche Protokoll abgewandelt und erweitert, doch die grundlegenden Abläufe blieben bis heute gleich. Dazu zählt vor allem die Erstellung eines sogenannten Ideogramms, das der Remote Viewer zu Beginn der Session zu Papier bringt. Dieses Ideogramm wird dann auf eine spezielle Art vom Viewer entschlüsselt: Sein wertender Verstand wird dabei beschäftigt gehalten und dessen Vorurteile oder Schnellschüsse herausgeschrieben, während die außersinnlichen Eindrücke zu fließen beginnen. Durch dieses Wechselspiel wird der Remote Viewer im Verlauf des insgesamt sechsstufigen Protokolls in einen fokussierten Geisteszustand gebracht, bei dem sich die außersinnliche Wahrnehmung immer weiter öffnet. Genauere Informationen zum Ablauf des Protokolls finden Sie unter https://tinyurl.com/y7dcp3p6.
Kommentar schreiben