Editorial Ausgabe 116

Daniel Porträt 2022Als ich vor gut zwei Jahrzehnten zum frisch gepflanzten deutschen NEXUS stieß, hatte ich einen Wow-Moment nach dem anderen. Bitte was hat dieser Steven Greer da für Insider in den Presseclub von Washington gekarrt, die unter Eid aussagen, dass uns das US-Militär in Sachen Ufos zum Narren hält? Die Herren Gerson, Becker oder Rife – die konnten tatsächlich Krebs und andere schwere Krankheiten heilen, und kein Arzt kennt deren Namen? An was bitte basteln Bearden, Hutchison oder Bedini da – Energieempfänger, die uns ohne Stromnetz autark versorgen können? Und welche okkulten Sperenzchen treibt da eigentlich ein Teil unserer Führungsriege hinter verschlossenen Türen?

Wenn ich mir so überlege, was seitdem passiert ist … äh, wow! Das, was man vor 20 Jahren noch aus ein paar Spezialblättern klamüsern musste, rattert inzwischen aus Tausenden Kanälen. Wasserstruktur, hochdosiertes Vitamin C und D, DMSO – alles kein Thema mehr, kennt doch jeder. In den Garagen tüfteln Hobbyforscher an Plasma-, Wasserstoff- und Frequenzgeräten, und die satanische Symbolik, die uns via Olympia- oder Superbowl-Shows entgegenschlägt, wird live kommentiert und abgewatscht. Heute hat auch Nachbar Meier schon von Ufos gehört, denn es gibt Anhörungen dazu vorm US-Kongress, und der US-Präsident setzt einen Impf- und Pharma­kritiker als Gesundheitsminister und einen Bitcoinfan als Finanzminister ein. In mir kommt angesichts dieser Entwicklungen, die ich längst nicht mehr alle auf dem Schirm behalten kann, verstärkt die Frage auf, wo unser NEXUS-Bäumchen eigentlich hinwachsen will.

Ein Teil der Antwort ist mir bewusst geworden, während ich die Artikel aus dem aktuellen Heft in den Fingern hatte: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Wahrheit eine andere ist als die, die uns die Faktenchecker schmackhaft machen wollen, daher liebäugele ich weiter mit Querulanten und Eigenwilligen – aber die Zeit gebietet mir, kein weiteres Öl ins Feuer der Polarisierung zu gießen und auch die eigenen Standpunkte auf den Prüfstand zu stellen. Mir kochen da gerade die Emotionen zu hoch – und wenn wir an den Punkt kommen, andere Menschen als Idioten, Lügner, Systemlinge oder Schwurbler zu bezeichnen, weil nur wir im Besitz der seligmachenden Wahrheit sind, mufft mir das verdächtig nach Teile-und-Herrsche. Nee, nee, das hatten wir schon – und morgen schnappen wir uns wieder die Mistgabeln und knüpfen uns an Bäumen auf?

Renan Cengiz, der Autor unseres Leitartikels zur Causa Tabaki, hat mir einen Gedanken mitgegeben, über den ich noch nicht ganz hinweg bin: Haben wir nicht längst das Zeitalter des Mainstreams verlassen – und sind Hals über Kopf in das des Me-Streams gestürzt? Heute brauchen wir nur unsere Smartphones aufklappen und – zack! – schon finden wir Bestätigung für das, was wir sowieso denken.

Mich hat es immer schon weitergebracht, den Kopf aus meiner Blubberblase herauszustecken und zu lunschen, was sich hinter meiner Phasengrenze für Perspektiven tummeln. NEXUS ist beredtes Zeugnis für diesen Ansatz – und obwohl ich kaum einem Autor alles abkaufe, ja zuweilen völlig anderer Meinung bin, finde ich doch immer bereichernde Einsichten. Man muss ihn eben ausreden lassen … aber dazu kommt man heute ja kaum noch, falls man sich überhaupt noch traut, den Mund aufzumachen. Ich meine aber, dass wir nur so in eine wirklich haltbare Zukunft gelangen: indem wir alle Positionen integrieren, Alternativen wie Mainstream, Globalismus und Nationalismus, technische Entwicklung und Naturschutz, Verstand und Herz, Esoterik und Wissenschaft, soziale Sicherheit und Wirtschaftswachstum. Wie so eine Welt aussehen kann … hey, das wissen wir noch gar nicht!

Mir fällt gerade ein Spruch ein, der seit Jahren durch die Redaktion spukt: Will der im Editorial schon wieder die Welt retten? Ja, verflixt noch eins: Ich bin eben ein verdammter Idealist, der sich nichts sehnlicher wünscht, als dass die Menschheit endlich aus den Kinderschuhen kommt, sich ihrer Rolle im Kosmos bewusst wird und beherzt die nächsten Schritte geht. Aber das scheint gar nicht so einfach – irgendwie stehen wir da immer gleichzeitig auf Gaspedal und Bremse, weil wir auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Dabei können sich die vielen Perspektiven doch wunderbar befruchten.

Wollen wir uns nicht schon wieder im Dualismus verzetteln, sondern zu einem echten Synergismus gelangen, hilft nur eins: Wir müssen miteinander reden, einander wirklich zuhören, nicht nur auf Bildschirmen übereinander zetern. Wir müssen wieder das Herz einschalten, uns von Mensch zu Mensch austauschen. Ich habe schon Pläne, wie unser NEXUS-Bäumchen in dieser Hinsicht noch mehr Früchte tragen kann – aber die nehme ich mal mit in die Rauhnächte. Worauf Sie sich auf jeden Fall freuen können, sind lebensechte Begegnungen in unseren Seminaren, mit Referenten, die mit Herz und Verstand für ihr Thema brennen – siehe die Ankündigungen auf der Umschlagseite.

Apropos Weltrettung: Ein Blick aufs Konto sagt mir, dass wir beim derzeitigen Inflationskarussell den Abopreis nicht mehr halten können. Das heißt, wir müssen nachfassen – die Abos kosten ab kommendem Jahr 55 Euro fürs Inland und 66 Euro fürs Ausland. Einzelhefte, E-Paper- und Kombi-Abo bleiben davon unberührt. Empfehlen Sie uns gern weiter oder beziehen Sie uns direkt, wenn Sie uns unterstützen wollen.

Von den anderen Plänen, die mir im Kopf geistern, erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal.

Ein lichtvolles Weihnachtsfest,

Ihr Daniel Wagner

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