Editorial Ausgabe 114

Daniel Porträt 2022„Aufwachen!“ … Schlaftrunken blinzele ich mit den Augen – und bin mit einem Schlag wach. Mitten in meinem Schlafzimmer stehen mehrere Vermummte mit Sturmgewehren im Anschlag. Einer hat sich vor mir aufgebaut und hält mir einen Wisch vor die Nase: „Ihr Magazin wurde verboten!“ Ich bin immer noch nicht ganz da. „Äh, was? Wer? Warum?“ – „Anweisung von oben. Sie verbreiten Informationen, die als Gedankenverbrechen eingestuft sind. Darauf steht die Todesstrafe. Vollzug sofort!“ Der Mann setzt an – ich hechte zur Seite – er schießt. Verdammt! Ich fasse mich ans Ohr: Blut. Während mir die Sinne schwinden, zerrt der Frontmann seine Sturmmaske vom Gesicht – es ist RKI-Chef Lothar Wieler: „Diese Maßnahme darf nie hinterfragt werden … hehehe ...“

Ich schrecke hoch. Ein Albtraum, gute Güte. Trump-Attentat, Compact-Verbot und RKI-Leak – die letzten Wochen haben mir arg zugesetzt. Benommen schlurfe ich in die Küche. Als ich beim Kaffee routinemäßig durch die Telegramkanäle scrolle, halte ich inne: Täusche ich mich, oder wird auch das Weltgeschehen immer surrealer?

Trump ist an sich schon ein Phänomen, denn mit seinem dadaistischen Stil tanzt er völlig aus der Reihe; gleichzeitig schafft er es trotz dauernder Tatsachenverdrehungen und erzkonservativer Allianzen, einen Gutteil der Wahrheitsbewegung hinter sich zu bringen. Er scheint genauso mächtige Gegner wie mächtige Helfer zu haben, gepaart mit einem untrüglichen politischen Instinkt. Nichts demonstriert das besser als das gescheiterte Attentat: Die Fehlleistungen des Secret Service sind gut dokumentiert – aber selbst wenn der tote Einzeltäter nur vorgeschoben wurde: Wie hat Trump es geschafft, seinen Kopf just in dem Moment wegzudrehen, als die Kugel an ihm vorbeischoss? Eine Sekunde früher oder später, und das wärs gewesen. Dann reckt er mit blutverschmiertem Gesicht die Faust gen Himmel – und ein Fotograf fängt das direkt vor der amerikanischen Flagge ein. Also, bessere Werbung für den Wahlkampf kann man nicht machen, und alle seine angehäuften Sünden wirken wie ausradiert. Von welcher Ebene auch immer da eingegriffen wurde: Der Mann ist auf dem besten Weg, ein Mythos zu werden.

Beim Compact-Verbot habe ich als Verleger natürlich die Antennen auf volle Sendeleistung gestellt, denn wenn der Staat Fakten schafft und regierungskritische Zeitschriften aus dem Verkehr zieht, müssen hierzulande die Alarmglocken bimmeln. Die Begründung steht laut Verfassungsrechtlern auf dünnem Eis, denn Frau Innenministerin „Ich habe das Compact-Magazin verboten“-Faeser beruft sich in der Verfügung auf das Vereinsrecht – auf diese Art kann natürlich nicht nur jede missliebige Publikation, sondern jede „Vereinigung“ eliminiert werden, und mit den Grundgesetzen hat es die Regierung schon seit Corona ja nicht so. Gut, Elsässer hat den Bogen womöglich überspannt – aber selbst „extreme“ Positionen waren im Rahmen der Meinungsfreiheit bisher erlaubt. Und ist es nicht schräg, dass der Staat seine Karl-May-Bücher beschlagnahmt, Karl Marx aber im Regal stehen lässt? Elsässer kommt eigenen Angaben nach aus der extremen Linken und redet seit Jahren vom „Sturz des Regimes“ der Einheitsparteien, die in ihrem Antifaschismuswahn gar nicht merken, wie faschistisch sie eigentlich geworden sind. Ihm wird von Staatsseite vorgeworfen, „kämpferisch-aggressiv“ vorgegangen zu sein – zugeschlagen hat aber der Staat … Und welch seltsame Ironie liegt eigentlich darin, dass Putin bei seiner „militärischen Sonder­operation“ gegen die „Faschisten“ in der ukrainischen Regierung kämpft – die wir wiederum mit Waffen unterstützen, um den „neuen Hitler“ Putin zu verhindern? Mal abgesehen davon, dass ich Gewalt grundsätzlich ablehne und primitiv finde: Wer biegt sich hier seine Realität zurecht? Wer lügt aus Kalkül, und wer belügt sich selbst?

Ein gewisses Maß an Surrealität konnte ich auch beim Leak der RKI-Sitzungsprotokolle aus der Coronazeit feststellen: Ist es nicht seltsam, dass die vollständigen geleakten Protokolle in Teilen einen völlig anderen Wortlaut als die geschwärzten Protokolle haben, die von Paul Schreyer und dem Multipolar Magazin freigeklagt wurden? Was hat das zu bedeuten? Hat da jemand mehrere Versionen verfasst oder kommen die aus einem Paralleluniversum? Und, mit Verlaub – was ist denn so neu daran, dass Politiker die Fakten frisieren? Prust …

Nun gut. Ambivalenz bin ich als NEXUS-Herausgeber ja gewohnt, und ich halte mich aus gutem Grund aus der Politik raus. Allerdings nimmt mir gerade die Geschwindigkeit überhand, in der Fiktionen zu Fakten erklärt und daraus Realitäten für Millionen deklariert werden. Und damit meine ich nicht nur die Politik: Inzwischen sind da draußen Horden von Welterklärern unterwegs, die alle am Süppchen der Deutungshoheit köcheln und dabei vorlaut mit dem Suppenlöffel der „Wahrheit“ schwingen.

Da halte ich mich besser zurück, denn die Wahrheit ist ja bekanntlich ein scheues Weib, dem allzu oft Gewalt angetan wurde. Lieber koche ich hier mein eigenes Süppchen, mit Zutaten und Gewürzen, die mir auch in diesem Heft zeigen: Wir leben inmitten einer unfassbaren Sur-Realität – die Realität ist das, was wir draus machen.

Die biege ich übrigens nicht für Sie zurecht: Unsere Inhalte dürfen Sie nicht nur, die sollen Sie hinterfragen.

Herzlich,

Ihr Daniel Wagner

PS: Wir schaffen hier im Hintergrund ebenfalls Fakten – wir ziehen um. Wenn Sie uns in den kommenden zwei Monaten nicht am Telefon erwischen, dann schreiben Sie uns eine E-Mail an office@nexus-magazin.de … oder fragen Sie im Innenministerium nach.

Kommentare

08. August 2024, 15:16 Uhr, permalink

ms

nice :)

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