Wenn Brad Warner über die jahrhundertealten Fundamente des Sōtō-Zen schreibt, dann können Sie sich das in etwa so vorstellen, als hätten Sie Frank Zappa per Anhalter aufgegabelt und er würde Ihnen zwischen zwei Schachteln Zigaretten erzählen, wie das mit der Musik damals eigentlich angefangen hat. Damit ist praktisch alles gesagt.
Für den Fall, dass Sie mit diesem Bild eher weniger anfangen können – bitteschön, hier kommt die lange Version.
Auch, wenn er es ungern an die große Glocke hängt: Brad Warner ist ordinierter Zen-Meister. Er war außerdem Bassist der Hardcore-Punkband 0DFx, arbeitete für Tsuburaya Productions (die Schöpfer von Godzilla und Ultraman), macht Filme, lehrt, schreibt Artikel und ist Autor einer Reihe von Sachbüchern mit erleuchteten Titeln wie „Hardcore Zen“ (siehe Review inNEXUS 29), „Sit Down And Shut Up“, „Sex, Sin, and Zen“ oder „There Is No God And He Is Always With You“.
Sein neuestes Buch heißt „Don’t Be A Jerk“, zu Deutsch: „Sei kein Arsch.“ Und glauben Sie’s oder nicht: Das ist die Essenz, die Brad aus einem Grundlagenwerk zum Buddhismus gezogen hat, dessen Urheber Dōgen Zenji vor 785 Jahren die Chan-Schule – und damit die Sitzmeditation Zazen – von China nach Japan brachte. Um es kurz zu machen: Dōgen ist ein ziemlich wichtiger Mann für nicht wenige Buddhisten, besonders für jene, die der von ihm begründeten Sōtō-Schule folgen.
Dōgen hat zu seiner Zeit – wer hätte das gedacht – einen anderen Titel für sein Buch gewählt als Brad heute, nämlich „Shōbōgenzō“, was man mit „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“ übersetzen könnte. Und sehen Sie: Da fängt es auch schon an mit den Problemen, für die Brad Warner nun endlich eine Lösung anbietet. Dōgens Buch nämlich wird zwar hochgelobt und steckt voller fundamentaler Weisheiten und Ratschläge – bloß, Hand auf’s Herz: Sie und ich, wir verstehen es nicht.
Brad schon, aber nicht ohne etwas dafür getan zu haben. Zunächst einmal praktiziert er seit über 30 Jahren das, was Zen ausmacht: Zazen, das „einfach nur Sitzen“, eine tägliche Übung, die er seinen Schülern der Einfachheit halber als Yogakurs mit nur einer Position beschreibt, die man dafür sehr lange halten müsse. Zum anderen hat er für seine Adaption des „Shōbōgenzō“ sämtliche zur Verfügung stehenden Übersetzungen und alle wichtigen Interpretationen strittiger Passagen zur Hand genommen, um dann etwas ganz Wunderbares zu tun: Brad übersetzt Dōgen nicht, er paraphrasiert ihn, macht ihn derart verständlich, und tut das mit einem so trockenen, nerdigen Humor, dass ich mehrmals pro Kapitel laut auflachen musste – sei es wegen der deplatzierten Begriffe, die Brad dem alten Meister Dōgen unverblümt in den Mund legt, oder ob seiner sturen und erschreckend einleuchtenden Erklärungen, warum er ebendies getan hat. Ein Beispiel. Brad übersetzt Dōgens durchlauchte Worte aus dem „Shōbōgenzō“ mit:
„We shouldn’t waste time with fleeting pleasures like watching reruns of The Flintstones.“
Und erläutert später seine eigene Wortwahl:
„And of course Dogen did not say anything about […] The Flintstones. What he did say is usually translated as, ‚Who would take wasteful delight in the spark from a flintstone?‘ But I have never once been able to read or chant that without thinking of Fred and Barney. Now you won’t be able either. I guess people in his day thought that watching sparks fly off flintstones was a cool thing to do. They had not yet invented World of Warcraft.“
Denken Sie aber nicht, „Don’t Be A Jerk“ wäre eine reine Spaßlektüre. Das Buch eröffnet einen wertvollen Zugang zu den zeitlosen Lehren Dōgens, dessen Anspruch es war, den ursprünglichen Buddhismus ohne Schnickschnack und Brimborium neu zu beleben. Brad Warner hat dieses Anliegen verstanden wie kaum ein Zweiter. Er ist einfach ein Typ, der das umsetzt, was Dōgen gesagt hat, ohne sich viel darauf einzubilden, ohne falsche Ehrfurcht und ohne sich selbst und das ganze Religionsgehabe um den Buddhismus allzu ernst zu nehmen. Einen authentischeren Führer durch die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges können Sie lange suchen. Wärmste Leseempfehlung!
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