Einleitung
Ein ausgesprochen komplizierter Generator, der von Antoine Priore (auch Prioré), einem ehemaligen Radartechniker, der über keinerlei akademische Ausbildung verfügt, erfunden worden ist, soll eine Strahlung hervorbringen, die im Tierversuch zu einem Rückgang bestimmter implantierter Tumoren und zur Heilung von Trypanosomiasis führt. Die Artikel, in denen diese biologischen Effekte beschrieben werden, zeichnen sich durch eine Reihe von Merkwürdigkeiten aus. Am frappierndsten ist dabei das Missverhältnis zwischen dem sorgfältigen Detailreichtum, mit dem die biologischen Daten präsentiert werden, und dem Fehlen von Informationen über den Generator, wenn man von durch und durch nebulösen und widersprüchlichen Angaben absieht. Beispiele für dieses Missverhältnis habe ich an anderer Stelle aufgezählt.1
Die Veröffentlichung dieser Aufsätze in den Comptes rendus de l’Académie des sciences (Paris) führte zu einer heftigen Polarisierung innerhalb der Akademie und anderer französischer Wissenschaftlerkreise.
Einige Forscher hätten das Phänomen, auch wenn es in vollem Umfang belegt gewesen sein mochte, am liebsten ignoriert oder geleugnet, weil die Methoden, mit denen es herbeigeführt wurde, unzureichend beschrieben worden waren. Sie hätten gegen die Präsentation der Berichte vor der Akademie aufbegehrt und diese auch erfolgreich verhindert, wenn nicht Professor Robert Courrier, der angesehene Secrétaire perpétuel (dt.: „Sekretär auf Lebenszeit“) die Präsentation entschieden befürwortet hätte. Andere wiederum äußerten die Ansicht, dass die Tragweite der Ergebnisse, falls sie denn bestätigt werden sollten, eine weitere Erforschung unabdingbar machten: Wenn möglich, sollte dabei das „Geheimnis“ des Erfinders aufgedeckt werden; wenn nicht, wäre dies auch kein Hinderungsgrund.
Dass Journalisten dieses Thema von überbordendem menschlichem Interesse ausschlachteten, war eine zweite Reaktion auf die Ereignisse. Die Berichterstattung2–5 reichte von einem Beitrag im Männermagazin Esquire, dessen Autor einmal mehr den Weg zu zweifelhaftem Ruhm eingeschlagen hat3, bis hin zu Lord (Solly) Zuckerman, der für seine populären Ausführungen bekannt ist.4 Keiner von ihnen konnte dem beklagenswerten Drang widerstehen, Priores Popularität zu mehren, indem man wissenschaftlich unerhebliche biografische Details einstreute, um zu verdeutlichen, dass sich Priore der politischen Gunst würdig erwies, die ihm wahrhaft nicht zu knapp zuteilwurde. Doch davon abgesehen war die Berichterstattung erfreulich ausgewogen und bewegte sich zwischen Sympathie mit dem Opfer einer Vorverurteilung und gesunder Skepsis gegenüber seinem Schaffen.
Anlässlich eines Vortrages an der Lovelace Foundation in Albuquerque5 wies Zuckerman Priore einen ehrenwerten Platz in seiner Liste von Persönlichkeiten zu, deren innovative Leistungen aufgrund konservativer Vorurteile und Ignoranz nicht anerkannt wurden und die von Babbage bis hin zu Peyton Rous reichte – allerdings nicht, ohne sich ein Hintertürchen offenzuhalten, sollte sich das ursprüngliche Versprechen als unhaltbar erweisen. Der springende Punkt sei, behauptet Zuckerman beharrlich, dass sich Menschen, die von ihrem Tun überzeugt seien, nicht durch eine dummdreiste, feindselige Atmosphäre entmutigen lassen sollten.
Priores Labor in den 1960er Jahren (Bild: Priore-Cancer.com).
Der vorliegende Bericht ist das Ergebnis einer Besichtigung von Priores Einrichtung, die den Teilnehmern einer Schulung über die Gefahren der Mikrowellenbelastung von der Organisation ADERA ermöglicht worden ist.6 Zuerst werde ich die angeblichen biologischen Effekte skizzieren und im Anschluss Priores Erfindung sowie die Eigenschaften der biologisch wirksamen Strahlung ansprechen. Subjektive Eindrücke und private Gespräche, die sich auf unseren Gegenstand beziehen, finden Erwähnung, sofern sie als belastbare Belege oder Indizien zum Gesamtbild beitragen.
Biologische Beobachtungen
Wenn wir uns ein Bild davon machen wollen, wie es zu Priores Erfindung gekommen ist, sind wir auf mündliche Überlieferungen und Klatschgeschichten angewiesen. Nachdem Priore beobachtet hatte, dass Obst und Gemüse durch die Bestrahlung mit UHF-Feldern haltbar gemacht werden konnten, soll er ein Interesse an möglichen medizinischen Anwendungsformen von elektromagnetischen Wellen3 entwickelt haben. Überschüssige Finanzmittel der US-amerikanischen Armee ermöglichten die Konstruktion einer Maschine, und schließlich wurden erkrankte Personen dem erzeugten Strahlenfeld ausgesetzt.3 Ein US-Wissenschaftler, der interessiert daran gewesen war, einige von Priores Experimenten zu wiederholen, berichtet etwa von einer Dame aus Bordeaux. Diese verfüge über gute politische Kontakte, sei mit der Maschine vom Krebs geheilt worden und erfreue sich nach wie vor bester Gesundheit, obwohl ihr ein frühzeitiger Tod prognostiziert worden war.
Delmon und Biraben führten die ersten Tierversuche durch, bei denen die Wirkung der Priore-Strahlung auf Krebs untersucht wurde, verzichteten aber auf eine Veröffentlichung, nachdem sie ein ungünstiges Gutachten eines Komitees erhalten hatten. Außerdem war zu befürchten, dass eine Veröffentlichung die bevorstehende Habilitation eines der beiden Wissenschaftler gefährden würde.7 Die Forscher verwendeten Ratten, denen ein gut erforschtes Uteruskarzinom, der sogenannte T8-Guerin-Tumor, subkutan eingepflanzt worden war. Zuvor hatten sie die Auswirkungen von Röntgenstrahlen und gepulsten Magnetfeldern auf die Nagetiere untersucht, ohne dass auffällige Beobachtungen gemacht worden wären. Die Magnetfelder hatten weder einen Einfluss auf das Tumorwachstum noch auf die Bildung von Lymphknotenmetastasen gehabt, und die durch die Röntgenstrahlen herbeigeführte Remission war nur von kurzer Dauer gewesen. Als die Tiere aber der Strahlung aus der Priore-Maschine ausgesetzt wurden, konnte das Tumorwachstum für drei Monate gehemmt werden. Der Gesundheitszustand der Tiere verbesserte sich wieder, Lymphknotenmetastasen traten nur mehr selten auf.8
Auch Rivière und seine Kollegen9 von Guérins Labor im Krebsinstitut in Villejuif untersuchten den T8-Tumor bei Ratten. Nach der Behandlung stellten sie eine sichtbare Rückbildung des Tumors sowie der Metastasen fest, Rückfälle blieben bis zu drei Monate nach der Behandlung aus. Rivière et al. kamen mit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse Delmon und Biraben zuvor.
In der Folge arbeiteten Rivière und seine Mitarbeiter mit Ratten, denen ein lymphoblastisches Lymphom implantiert worden war, das sich ohne Behandlung innerhalb von 11 bis 15 Tagen ausnahmslos als letal erwies, wobei es allgemein zu einem Lymphknotenbefall und einem leukämischen Verlauf kam. Die Behandlung mit der Priore-Maschine ermöglichte die vollständige Rückbildung des transplantierten Tumors und der davon ausgehenden metastatischen und leukämischen Erscheinungen.10 Die Experimente wurden zum Teil an Tieren aus Courriers Labor unter ständiger Aufsicht von Rose Colonge, Courriers Assistentin, durchgeführt. Die dabei erzielten Resultate, die mit den früheren übereinstimmten, publizierte Courrier im Anhang zu einem weiteren Artikel von Rivière et al.11, der vergleichbare Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit einem Lymphosarkom bei Mäusen zum Gegenstand hatte. Weitere Studien an Ratten12 ließen erkennen, dass es bei Individuen, bei denen das Lymphosarkom nach der Behandlung klinisch nicht mehr nachweisbar war, nach einer syngenen Transplantation zu einer Resorption des Tumors kam, während sie nach einer allogenen Transplantation eines histologisch unterschiedlichen Tumortyps starben.
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