Vor diesem Hintergrund war eigentlich geplant, nur eine Zusammenfassung in diesem Bericht zu bringen, doch habe ich mich nunmehr zu einer vollständigen Übersetzung20 entschlossen, ohne die der merkwürdige Beigeschmack des Dokuments verloren ginge. Merkwürdig insofern, als in eine anscheinend einleuchtende Beschreibung der Bestandteile und des Aufbaus wunderliche pseudobiologische Aussagen – manch einer würde sie als abergläubisch bezeichnen – eingestreut werden und Pioniere der Elektrophysiologie Erwähnung finden, deren Identität sich hinter dem Nebelschleier des orthografischen Grauens nur erahnen lässt.
Beispielsweise soll die Modulationsfrequenz des Magnetfeldes so gewählt werden, dass sie mit der Herzschlagfrequenz des Patienten übereinstimmt. Ferner ist die Rede davon, dass die bestmöglichen Ergebnisse erzielt werden können, wenn die Kathode, die einen Strom positiver Ionen hervorbringt, aus Molybdän besteht, dem Metall, dessen Valenz der durchschnittlichen Valenz der chemischen Moleküle, aus denen lebendes Gewebe besteht, am nächsten kommt.
Ich überlasse es den werten Lesern, sich eine eigene Meinung über die Erfindung zu bilden, die in der Patentschrift beschrieben wird, und beschränke mich darauf zu erwähnen, dass die wirksame Strahlung aus einer Röhre austritt, die ein rotierendes Ablenkelement enthält. Auf dieses Element treffen aus unterschiedlichen Quellen ein Strom positiver Ionen, der in einem Zyklotron beschleunigt wurde, Zentimeterwellen, die in einem Magnetron erzeugt wurden sowie ein Magnetfeld. Diese können – einzeln oder in ihrer Gesamtheit – in verschiedener Weise zerhackt beziehungsweise moduliert werden. Während meines Aufenthalts in Floirac war die Maschine in Betrieb.
Die Austrittsöffnung der Röhre, unter der die zu behandelnden Lebewesen positioniert werden, war einsehbar. Ich konnte ein Knacken und Knistern vernehmen, und das rosafarbene lumineszente Plasma schien sich durch Turbulenzen auszuzeichnen. Ich erkundigte mich nach der Rotationsgeschwindigkeit, wurde jedoch von einem Mitarbeiter Priores darauf hingewiesen, dass diese Information streng vertraulich wäre. Meine Schätzung belief sich auf deutlich unter 100 Umdrehungen pro Minute.
Das emergente Feld
Nachdem wiederholt irreführende Angaben über die Eigenschaften des biologisch wirksamen Feldes, das die Priore-Maschine erzeugt, gemacht worden waren (siehe Endnote 1), erschien in den Comptes rendus ein kurzer Artikel, der die Ergebnisse von Experimenten beschrieb, die zwei renommierte Physiker mit Priore, Pautrizel und deren Mitarbeitern durchführen durften. Berteaud und Bottreau19 gelang es, die Strahlung einigermaßen genau zu analysieren, bis hin zu Frequenzen von Röntgen- und Gammastrahlen.21 Ihre Ausführungen beschränken sich auf die Feststellung, dass sie gepulste elektromagnetische Wellen mit einer Frequenz von 9,4 Gigahertz, amplitudenmoduliert mit einer Frequenz von 17 Megahertz, sowie ein langsam moduliertes kontinuierliches Magnetfeld in der Größenordnung von einem Kilogauß nachweisen konnten. Falls weitere Komponenten entdeckt worden sind, so fanden sie keine Erwähnung. Wie ich erfuhr, existiert aber auch ein vertraulicher Bericht über die gesamte Untersuchung. Bottreau versicherte mir persönlich, dass es keinerlei Hinweise auf ionisierende Strahlung gab.
Berteaud und seine Mitarbeiter19 ermittelten zusätzlich die Intensitätsverteilung dieser Strahlung auf einer Ebene, die senkrecht zur Achse des Apparates stand. Nachdem sie in der Folge Mäuse, die mit T. equiperdum infiziert worden waren, als Zielorganismen verwendeten, konnten sie eine einfache Beziehung zwischen der Abnahmerate der Krankheitserreger im Blut der Versuchstiere und der relativen Intensität der UHF-Komponente22 demonstrieren. Allerdings stellten sie in davon unabhängigen Versuchen fest, dass die Letalität unter den infizierten Mäusen nicht sank, wenn die Tiere einem unmodulierten 9,4-Gigahertz-Feld von vergleichbarer Intensität ausgesetzt wurden. Sie folgerten, dass das durch die Priore-Maschine erzeugte UHF-Feld eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die beobachtete biologische Wirkung ist.
Makrophage (hellblau) verdaut Cryptococcus neoformans, einen pathogenen Pilz (hellgelber Kreis). (Foto: Carolina Coelho)
Die Ergebnisse von Berteaud et al. lassen einige Fragen offen. Falls es ihnen gelungen ist, das emergente Feld vollständig zu analysieren, muss die biologische Wirkung auf dem Zusammenspiel von UHF-Komponente und Magnetfeld beruhen. Aber welcher Einfluss kommt den exakten Werten der vielen beteiligten Parameter und deren Wechselbeziehungen zu, damit sich sein biologischer Effekt manifestieren kann? Waren die Methoden, die Berteaud und seinen Mitarbeitern zur Verfügung standen, möglicherweise ungeeignet, um eine vollständige Analyse zu liefern?
Darüber kann man nur spekulieren. Es hat mich erstaunt, dass sich in keinem der Artikel ein Hinweis darauf finden lässt, dass irgendjemand den genauen Bedingungen, unter denen die Maschine funktioniert, nachgegangen wäre. Offensichtlich bringt die Maschine, so sie denn überhaupt funktioniert, stets Ergebnisse hervor. Man darf nicht vergessen, dass zwei verschiedene Modelle konstruiert und als Erfolg eingestuft worden sind. Eine Größe, die immer wieder erwähnt wird, ist die magnetische Flussdichte, die beim ersten Modell 620, beim zweiten 1.240 Gauß beträgt. Die Patentschrift scheint einen hohen Flexibilitätsgrad in der Funktionsweise nahezulegen. Darüber hinaus ist es praktisch unvorstellbar, dass Priore über ausreichende theoretische Grundkenntnisse verfügte, um im Hinblick auf eine Veränderung der biologischen Reaktion ein bestimmtes Strahlungsmuster einem anderen vorzuziehen – besonders da biologische Reaktionen an sich schon unglaublich komplex und vollkommen unvorhersehbar sind. Man muss zwangsläufig die Vermutung hegen, dass die genaue Strahlenkombination alles andere als wichtig ist und dass die beschriebenen biologischen Wirkungen – falls sie wirklich aufgetreten sind – möglicherweise auch mit viel einfacheren Mitteln hätten erzielt werden können. Es ist von gewissem Interesse, dass aktuelle biologische Experimente mit monochromatischen Mikrowellen – im Gegensatz zu der mehr oder weniger unterschiedslosen Reaktion, von der man in unserem Zusammenhang ausgeht – eine ausgeprägte Frequenzselektivität nahelegen.
Das elektromagnetische Spektrum mit den verschiedenen Arten elektromagnetischer Wellen, geordnet nach zunehmender Frequenz. Die Frequenz in Hertz ist auf der Skala im unteren Bereich angegeben. Die uns vertrauteste Form der elektromagnetischen Strahlung, sichtbares Licht (Mitte), befindet sich zwischen Infrarot- und Ultraviolettbereich. Hochfrequente elektromagnetische Wellen (rechts) wie Röntgen- und Gammastrahlen sind Beispiele für ionisierende Strahlung. Wellen (links) mit geringer Frequenz wie Licht, Infrarot (IR), Mikrowellen, Radiowellen und Strahlung im Niederfrequenzbereich sind Beispiele für nichtionisierende Strahlung.
Die Notwendigkeit einer Feinabstimmung könnte bei einer auf Robustheit und breite Anwendbarkeit angelegten Maschine natürlich umgangen werden, wenn man dafür sorgt, dass sie – was die entscheidenden Merkmale betrifft, zu denen die Frequenzmodulation und vielleicht auch ihre Ableitungen zählen – „weiße“ Energie produziert. Alternativ ließe sich eine Ausgangsstrahlungsleistung erzeugen, die in Echtzeit rasch innerhalb eines ausreichend großen Wertebereiches wechselt, und zwar systematisch oder nach dem Zufallsprinzip. Die biologische Wirkung einer derartigen Strahlung würde in diesem Fall auf der Summe von mehreren qualitativ und quantitativ verschiedenen, alternierenden Prozessen beruhen, zu denen auch die mögliche Aufhebung additiver Effekte wie Stimulation oder Hemmung zählt. Eine vollständige Aufhebung wäre allerdings auch nicht wahrscheinlicher als im Falle des Sonnenlichts und seinen alltäglichen Auswirkungen. Eine derartige Herangehensweise – ob sie nun von Priore bewusst gewählt wurde oder eher zufällig entstanden ist, als er bestimmte Komponenten nach anderen bekannten Prinzipien kombinierte und dabei unvorhergesehene Eigenschaften entdeckte – würde den exorbitant hohen Energieverbrauch der Maschine bei einem gleichzeitig sehr bescheidenen biologischen Erfolg erklären. Obwohl sich in den Stellungnahmen Berteauds und Bottreaus19 kein direkter Hinweis darauf findet, könnte eine etwaige „weiße“ Beschaffenheit auch andere als die von ihnen untersuchten Parameter betreffen. Die Möglichkeit, dass eine bislang unerkannte Strahlungseigenschaft des rotierenden Plasmas für den Priore-Effekt verantwortlich ist, sollte nicht von der Hand gewiesen werden, wenigstens nicht von Personen, die von Plasmen keine Ahnung haben, wie beispielsweise meine Wenigkeit.
Dr. John Carstoiu aus Brookline, Massachusetts, zu dessen wissenschaftlichen Errungenschaften eine Erweiterung der Maxwell-Gleichungen auf die Berechnung von ponderomotorischen Kräften zählt, bezeichnet die Priore-Maschine gerne als einen magnetohydrodynamischen Wellenleiter. Er erachtet die Beschleunigung des Plasmas als wesentlich und verweist auf die verschiedenen Schwingungsarten, die erzeugt werden könnten, sagt aber nichts darüber aus (und kann es vermutlich auch gar nicht), wie sie sich durch ein Fenster aus Quarzglas hindurch manifestieren können. Als unbefangener Betrachter muss man bezweifeln, dass die Beschleunigung, die mit einem Apparat, wie er in der Patentschrift beschrieben wird, erzielt werden kann, groß genug ist, um eine nennenswerte Gravitationswelle zu erzeugen. Falls sich jedoch ein Plasmaphysiker findet, dem dieses Ansinnen nicht als blanker Unsinn erscheint, wird jemand die Berechnungen ausführen müssen.
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