Roboter besteuern?
Die obigen Überlegungen gehen davon aus, dass die Gesellschaft mehr oder weniger ihre derzeitige Form beibehält. Sollte es aber tatsächlich zu Massenarbeitslosigkeit im Technologiesektor kommen, lautet der Vorschlag von Bill Gates und einigen anderen, Roboter zu besteuern.
Gates steht, wie gesagt, dem Grundeinkommen skeptisch gegenüber und betrachtet eine solche Steuer als Möglichkeit, „den Technologisierungsprozess etwas zu bremsen und uns zu überlegen: ,Gut, was tun wir mit den Bevölkerungsgruppen, auf die das eine ziemlich große Auswirkung hat? Welche Übergangsregelungen haben funktioniert und welche Unterstützungen benötigen sie?‘“
Diese Steuereinnahmen könnten theoretisch ein Grundeinkommen finanzieren, wie auch der Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten Benoît Hamon vorschlug.
Hören die Menschen auf zu arbeiten?
Am Nächsten kommen empirischen Daten über die Auswirkungen eines allgemeinen Grundeinkommens die Ergebnisse des „Mincome“-Experiments, bei dem von 1974 bis 1979 zwei Bevölkerungsgruppen im kanadischen Manitoba ein garantiertes Mindesteinkommen erhielten. Eine der „Gruppen“, die Stadt Dauphin, war die sogenannte „Durchdringungsgruppe“, in der jedermann eine Zahlung erhielt. Politiker störten sich zwar massiv an dem ohne Abschlussbericht beendeten Projekt, doch ermittelten in den 1980er Jahren Wirtschaftsforscher anhand dieser Daten, dass Zweitverdiener weniger arbeiteten, während die Hauptverdiener ihr Verhalten kaum änderten.
2011 machte sich Evelyn Forget von der University of Manitoba auf die Suche nach einer Erklärung und verglich in einer Studie die Ergebnisse aus den 1980er Jahren mit Gesundheitsdaten. Wie sie herausfand, arbeiteten besonders zwei Gruppen weniger: verheiratete Frauen und junge Männer. „Verheiratete Frauen neigten dazu, die Zeitspanne, die sie nach der Geburt eines Kindes daheimblieben, zu verlängern“, sagte Forget im Februar gegenüber Investopedia. „Sie erkauften sich mit dem Grundeinkommen quasi eine verlängerte Elternzeit.“ Zu den jungen Männern sagte sie: „Wir fanden in diesem Zeitraum in Dauphin einen deutlich gestiegenen Prozentsatz an Highschool-Abschlüssen junger Männer im Vergleich zum übrigen ländlichen Manitoba.“ Familienversorger gaben keineswegs ihre Arbeitsplätze auf, um dem Alkohol oder anderen außerplanmäßigen Aktivitäten zu frönen; tatsächlich nahmen diese Verhaltensweisen möglicherweise ab. Klinikaufenthalte verringerten sich um 8,5 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe, speziell die Unfälle, die laut Forget „Arbeitsunfälle, Agrarunfälle, Autounfälle und häusliche Gewalt“ umfassten.
Andererseits ergaben vier etwa zeitgleich in den USA durchgeführte Experimente zur negativen Einkommenssteuer, dass die Hauptverdiener für ein Drittel der um 13 Prozent verringerten Arbeitsleistung der Gesamtfamilie zuständig waren. Diese Ergebnisse trugen maßgeblich zum Rückgang der politischen Unterstützung für ein garantiertes Grundeinkommen bei; eine gestiegene (und, wie sich später zeigte, gefälschte) Scheidungsrate in afroamerikanischen Familien erledigte den Rest.
Gäbe es weniger Armut?
Das bereits erwähnte Bolsa-Família-Programm in Brasilien macht dahin gehend Hoffnung. Das Programm gewährt seit 2004 armen Familien eine geringe Bargeldsumme, wenn diese ihre Kinder in die Schule und zum Arzt schicken. Die Armutsquote des Landes fiel von 26,1 Prozent im Jahr 2003 auf 14,1 Prozent im Jahr 2009; der Anteil der sehr Armen fiel von 10 Prozent auf 4,8 Prozent. Schätzungen zufolge warBolsa Famíliazwischen 2007 und 2009 für 59 Prozent des Rückgangs der Armutsquote und 140 Prozent des Rückgangs der extremen Armut verantwortlich (diese Quoten wären sonst gestiegen). Der Gini-Koeffizient, ein Maß für soziale Ungleichheit, fiel zwischen 2003 und 2009 von 0,580 auf 0,538, unter anderem wegenBolsa Família.
Im Bereich Entwicklungshilfe werden Bargeldzahlungen mittlerweile Sachleistungen vorgezogen. Dachte man früher, die Empfänger würden das Geld verschwenden, mussten die wohlmeinenden Gönner feststellen, dass sie selbst nicht viel besser waren. Afrika ist voller kaputter Wasserpumpen, deren Spender keine Vorkehrungen für eventuelle Reparaturen getroffen hatten.
Geldspenden scheinen dagegen erstaunlich gut zu funktionieren. In einer Studie von 2013 fanden Johannes Haushofer und Jeremy Shapiro vom MIT heraus, dass nicht an Bedingungen geknüpfte Bargeldzahlungen an kenianische Familien die Hungertage der Kinder um 42 Prozent verringerten. Gleichzeitig wurden um 51 Prozent mehr Nutztiere gehalten.
Manche Ziele sind jedoch durch Bedingungen besser erreichbar. So besuchten beispielsweise in Malawi mehr heranwachsende Mädchen die Schule, wenn eine Geldbeihilfe ohne Bedingungen gewährt wurde – den Schulbesuch zur Voraussetzung für die Beihilfe zu machen zeigte aber eine deutlich größere Wirkung.
Eine einfache Lösung?
Mit etwas Glück sind Fragen über die Auswirkungen des Grundeinkommens in naher Zukunft einfacher zu beantworten, denn das erste Mal seit den 1970er Jahren sind die politische Mitte und Gelehrte von der Idee begeistert und Experimente geplant. Zusätzlich zu Finnland, Indien, Oakland (USA) startet nun auch Ontario (Kanada) einen Versuch.
Bis die Ergebnisse verfügbar sind, bleibt ein allgemeines Grundeinkommen jedoch eine unsichere, aber verlockende Vorstellung. Jedem Geld in die Hand zu drücken – kann es tatsächlich so einfach sein, Armut und Behördenwillkür zu beenden, die Gefahren der Massenarbeitslosigkeit zu neutralisieren und den gesellschaftlichen Wert von sinnvollen, aber unrentablen Bestrebungen zu steigern?
Der brasilianische Autor und frühere Senator Eduardo Suplicy zitierte dazu aus den „Gesprächen“ des Konfuzius: A saída é pela porta – „Der Weg hinaus führt durch die Tür.“
Quelle: redaktionelle Überarbeitung eines Investopedia.com-Beitrags vom 24.04.2017, http://tinyurl.com/llq88wb
Kommentare
11. Oktober 2017, 19:13 Uhr, permalink
Anouschka Nitzlnader
Ihre Kommentare oder Artikel sind sehr gut weiter so
Kommentar schreiben