Im britischen Vorstand der „Metall“ saß auch Oliver Lyttelton, der von 1939-40 Leiter des Bereichs Nichteisenmetalle sowie von 1942-45 britischer Minister für Produktion war und in Churchills Kriegskabinett saß. Zufällig gehörte Lytteltons Mutter der Oxforder Rhodes/Milner-Gruppe an. Der älteste Sohn des fünften Barons von Lyttelton war Lord Selbornes Privatsekretär, während dieser sich in Südafrika aufhielt. Lord Selborne sollte ab 1925, nach dem Tod Alfred Milners, die „Gruppe“ übernehmen. Zudem leitete er, wie ich schon an anderer Stelle angemerkt habe, während des Krieges die Special Operations Executive (SOE), das britische Pendant zur amerikanischen OSS.14
Die „Gruppe“ ist, wie bereits erwähnt, der britische Arm des Skull&Bones-Ordens – oder ist es etwa umgekehrt?15 So oder so handelt es sich bei dem Orden um die „Untergruppe einer deutschen Geheimgesellschaft“. Sowohl die „Gruppe“ als auch der „Orden“ sind, nach Ansicht von Professor Anthony Sutton, mit großer Wahrscheinlichkeit den verbotenen Bayerischen Illuminaten entsprungen.16
Das Treffen im „Roten Haus“
Es ist verständlich, daß dieselben Banken und Unternehmen, die hinter den Kulissen Hitlers Aufstieg und die darauffolgende militärische Aufrüstung gefördert hatten, alle nötigen Schritte zum Schutz ihrer Vermögenswerte unternahmen, als sich abzuzeichnen begann, daß Hitler und sein Deutschland dem Untergang geweiht waren. Die verheerende Niederlage der sechsten Armee unter Feldmarschall von Paulus vor Stalingrad im Januar 1943 besiegelte dies. Die letzten Zweifel wurden ausgeräumt, als die Alliierten am 6. Juni 1944, dem „D-Day“, in der Normandie landeten. Da die Deutschen nicht in der Lage waren, die Kräfte der Alliierten zurückzudrängen, war es offensichtlich, daß Hitlers Tage gezählt waren.
Zwei Monate nach dem Tag der Invasion wurde in einem Nobelhotel in Straßburg ein geheimes Treffen abgehalten, auf dem besprochen wurde, wie man den Reichtum der Nazis und ihrer loyalen Bankiers und Industriellen retten könne. Am Morgen des 10. August 1944 erreichte auch SS-Obergruppenführer Scheid, ein Generalleutnant der Waffen-SS wie auch Direktor des Industrieunternehmens Hermansdorff & Schenburg, das Straßburger Hôtel Maison Rouge in der Rue des France-Bourgeois.
Dr. Scheid sollte die Versammlung leiten, und zwar auf Geheiß von niemand Geringerem als Reichsleiter Martin Bormann – der zu diesem Zeitpunkt nach Hitler der mächtigste Mann im Deutschland der Nazis war.
Bormanns Aufstieg folgte dem Unglücksflug von Rudolf Heß, der 1941 mit dem Fallschirm über Schottland abgesprungen war, um sich im geheimen mit dem Herzog von Hamilton zu treffen. Nachdem er seinen Freund verloren hatte und sein Plan, eine geheime Allianz mit Großbritannien gegen Rußland einzugehen, in Trümmern lag, legte Hitler die Last von Heß’ Pflichten und Verantwortungen – mit Ausnahme des Postens als stellvertretender Führer, den er abschaffte – auf die massigen Schultern Bormanns. Bormann übernahm auch die Kontrolle über die AO.
Bevor er Dr. Scheid nach Straßburg entsandte, vertraute Bormann ihm an, daß „die Schritte, die als Folge dieses Treffens unternommen werden, über die Zukunft Deutschlands nach dem Krieg bestimmen“ würden, und er fügte hinzu, es gelte, einen Plan zum letztlichen „Wiedererstarken der deutschen Wirtschaft“ aufzustellen.17 Anwesend auf diesem Treffen waren, neben Dr. Scheid, auch Stellvertreter von Krupp, Messerschmitt, Rheinmetall, Bussing und Volkswagen sowie Ingenieure, die verschiedene Unternehmen in Posen und Polen vertraten, darunter Brown Boveri – ein wichtiges deutsches Energieunternehmen, das sich zum Teil im Besitz zweier amerikanischer Unternehmen, General Electric und International Telephone & Telegraph, befand. Heute nennt Brown Boveri sich Asea Brown Boveri und ist ein multinationaler Großkonzern mit knapp 200.000 Mitarbeitern weltweit, der noch immer enge Verbindungen zu den USA pflegt. Bevor Donald Rumsfeld von George W. Bush zum Verteidigungsminister berufen wurde, saß er im Vorstand dieses Konzerns.18
Bormann wollte, daß die Industriellen neue Kontakte und Bündnisse mit ausländischen Unternehmen knüpften sowie alte Bande stärkten, ohne aber dabei Verdacht zu erregen. Von gleicher Wichtigkeit war das auf Bormanns Geheiß hin erfolgende Kapitalfluchtprogramm, um Staats- und Unternehmenswerte außer Landes zu schaffen und an sicheren Plätzen weltweit zu horten. So begann die „Aktion Adlerflug“. Einen kritischen Punkt stellte Bormanns Einschätzung dar, man brauche neun Monate, um das geplante Kapitalfluchtprogramm erfolgreich abzuschließen.19 Das bedeutete, daß die deutschen Truppen den Vorstoß der Alliierten über den gesamten Winter 1944 und bis Anfang bzw. Mitte Mai 1945 würden hinauszögern müssen. Wie durch einen Wink des Schicksals endete der Krieg in Europa am 8. Mai 1945, zwei Tage vor Ablauf der von Bormann veranschlagten neun Monate.
Hoppla!
Nur knapp zwei Wochen nach dem Treffen im Roten Haus stellte der britische Feldmarschall Bernard L. Montgomery einen waghalsigen Plan auf, der, wäre er erfolgreich verlaufen, Bormanns entscheidendes Neunmonatsprogramm hätte scheitern lassen.
Als General Dwight D. Eisenhower, der Oberkommandierende der Alliierten, am 23. August 1944 zum Mittagessen in Montgomerys Hauptquartier kam, versuchte dieser ihn später in einer privaten Konferenz davon zu überzeugen, daß die deutschen Truppen völlig unkoordiniert seien und man mit einem entscheidenden Vorstoß ins Ruhrgebiet den Krieg noch vor Weihnachten 1944 würde beenden können. General Walter Bedell Smith, Eisenhowers Stabschef, wurde auf Montgomerys Geheiß hin aus dem Raum geschickt, weil er seinem Unmut über diesen Plan Luft machte.20 Auch Eisenhower war unentschlossen, als er Montgomerys Hauptquartier verließ.
Als sich der Kessel von Falaise schloß, war Montgomery entschlossen, Eisenhower keine derart günstige Gelegenheit verspielen zu lassen und den Krieg noch 1944 zu beenden. Am 4. September ließ Montgomery General Eisenhower eine verschlüsselte Botschaft mit dem Vermerk „Nur für General Eisenhower persönlich“ zukommen, in der er einen kühnen Plan darlegte, der vorsah, zunächst strategisch wichtige Brücken in den Niederlanden einzunehmen und dann mit Panzern durch das Ruhrgebiet quasi durch die Hintertür in Deutschland einzufallen. Das Ruhrgebiet stellte das Herzstück der deutschen Industrie dar und war zufällig auch die Heimat vieler der Unternehmer, die Dr. Scheid auf seiner großen Kapitalfluchtkonferenz einen knappen Monat zuvor versammelt hatte.
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