Die Dezentralisierung des Geldes (1): Ethereum

bitcoSie können sich aussuchen, welchen Käse und welche Butter Sie kaufen. Sie können wählen, in welchem Geschäft Sie diese Produkte erwerben und wie sie produziert worden sein sollen – ob Bio oder Fairtrade, laktosefrei oder vegan. Vieles ist heutzutage möglich. Eines steht Ihnen jedoch nicht frei: mit welcher Währung Sie bezahlen. Sie sind gebunden an das gesetzlich vorgeschriebene Zahlungsmittel, den Euro. Unser Geldsystem ist zentralisiert. Doch erinnern Sie sich, dass es vor nicht allzu langer Zeit mit unseren Medien ganz ähnlich aussah?

Erst durch das Aufkommen des Internets wurde das Monopol der Massenmedien nach und nach aufgeweicht und der Anbietermarkt, auf dem Ihnen bestimmte Themen durch TV-Sender oder Tageszeitungen einfach vorgesetzt und Meinungen vorgekaut wurden, entwickelte sich mehr und mehr hin zu einem Nachfragemarkt, bei dem Sie selbst die Themen wäh- len. Es besteht kein Zweifel: Das Internet hat dazu beigetragen, unsere Medienlandschaft zu diversifizieren und zu dezentralisieren.

Nicht selten werden Kryptowährungen als das „Internet des Geldes“ bezeichnet. Können Sie sich vorstellen, dass Digitalwährungen auf unser Geldsystem eine ähnlich disruptive Wirkung haben könnten wie das Internet auf unsere Medienlandschaft?

Weltweit entstehen immer mehr Kryptowährungen mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften. Ähnlich wie jeder bestimmte politische Auffassungen über einen Blog oder eine Homepage an eine Vielzahl von Menschen bringen kann, so kann auch jeder mit ausreichenden IT-Kenntnissen seine eigene Kryptowährung programmieren. Wenn er dann noch genug Menschen davon überzeugen kann, dass seine Währung die optimalste ist, kann sich aus ihr das Geld der Zukunft entwickeln.

Nicht zuletzt deswegen herrscht in der Kryptoszene derzeit eine Art Wild-West-Stimmung. An allen Ecken und Enden entstehen neue Digitalwährungen.

Dies führt unweigerlich zu der Frage, mit welcher Währung wir in Zukunft handeln möchten … und warum. In Bereichen wie beispielsweise der Gesundheit, der politischen oder der spirituellen Ausrichtung ist es für viele Men- schen bereits eine Selbstverständlichkeit, mündige und informierte Entscheidungen zu treffen. Geldtheoretische Diskussionen jedoch finden in unserem Alltag mangels praktischer Alternativen kaum statt - der Euro wird so selbstverständlich hingenommen wie das Blut in unseren Adern.

Um diesen blinden Fleck auszu- leuchten, möchte ich mich in dieser und den kommenden Kolumnen mit anderen bekannten Kryptowährungen beschäftigen, die neben dem Bitcoin existieren. In dieser Ausgabe soll es um die Nummer zwei hinter Bitcoin gehen.

Auf der Seite CoinMarketCap.com findet sich eine Auflistung aller offiziell handelbaren Kryptowährungen. Dies sind alle Digitalwährungen, die auf einer entsprechenden Handelsplattform gelistet sind und somit entweder gegen Bitcoin oder direkt gegen Dollar oder Euro getauscht werden können. Sie werden nach ihrer Marktkapitalisierung angeordnet, die den Gesamtwert einer Kryptowährung in Dollar abbildet.

Den ersten Platz belegt erwartungsgemäß der Bitcoin mit einer Kapitalisierung von 90 Milliarden US-Dollar (Stand: Juli 2018). Die wohl zweitbekannteste Kryptowäh- rung belegt auch bei CoinMarketCap.com mit einer Kapitalisierung von 45 Milliarden US-Dollar seit geraumer Zeit Platz zwei: Ethereum. Doch was macht die Digitalwährung so populär, dass immer wieder behauptet wird, sie könne künftig sogar Bitcoin vom Thron stoßen?

Um Ethereum zu verstehen, müssen wir einen Schritt zurücktreten, um uns die Funktionsweise der Blockchain zu veranschaulichen. Die Blockchain ist eine dezentrale Datenbank. Das bedeutet, dass dieselben Inhalte auf mehreren Computern gespeichert sind, die sich ständig untereinander austauschen, korrigieren und aktualisieren. Dabei kann kein einzelner Computer aus der Reihe tanzen und beispielsweise Daten verändern oder über alle anderen bestimmen. Und wenn einer von ihnen ausfallen würde, übernähmen schlichtweg die anderen für ihn. Die Stabilität des Netzwerks wäre nicht gefährdet.

Der Bitcoin war der erste, der diese Technologie nutzte, um sensible Daten dezentral zu speichern, in seinem Fall Finanzdaten. Auf der Basis der Blockchain baute Bitcoin im Prinzip ein eigenes Geldsystem auf und umging somit die Notwendigkeit einer kontrollierenden Drittpartei – den Banken.

Doch natürlich lässt sich diese Technik nicht nur nutzen, um Finanzdaten dezentral zu speichern. Und hier kommt Ethereum ins Spiel. Ethereum ist ein Netzwerk, das eine Blockchain zur Verfügung stellt, auf die weitere Anwendungen programmiert werden können. Diese Anwendungen werden auf der Ethereum-Blockchain dezentral gespeichert und nennen sich Smart Contracts. Im Prinzip sind dies nichts anderes als Verträge, die automatisch abgewickelt werden. Doch welche Probleme könnten diese lösen?

Ein mögliches Beispiel wäre Crowdfunding für eine Hilfsorganisation. Nehmen wir mal an, Sie möchten einen Brunnenbau in einem Dorf in Afrika mitfinanzieren. Wenn Sie das Geld heute an eine Hilfsorganisation schicken, ist Ih- nen vielleicht nicht hundertprozentig klar, wie viel Finanzmittel diese Organisation für sich selbst einbehält und ob letztlich wirklich eine Firma mit dem Brunnenbau beauftragt wird.

In einem Smart Contract könnte all dies von vornherein festgelegt sein. Es könnte von Anfang an in der Blockchain gespeichert werden, dass, sobald ein gewisser Geldbetrag auf einem bestimmten Konto eingegangen ist, automatisch eine bestimmte, externe Firma mit dem Brunnenbau beauftragt wird.

Ein Smart Contract ist also im Prinzip nichts weiter als eine simple Wenn-Dann-Funktion. Nur dass diese Funktion eben aufgrund der Beschaffenheit der Blockchain jederzeit offen einsehbar und im Nachhinein nicht mehr veränderbar ist.

Ein anderes Beispiel wäre eine Bestellung im Internet. Sobald der Empfänger dem Paketboten den Erhalt der Ware bestätigt, könnte das entsprechende Geld mit einem entsprechenden Smart Contract automatisch von einem Konto abgezogen werden. Wenn der Empfänger die Ware jedoch nie erhält, gibt es auch keine Bezahlung.

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Ethereum ist also ein Netzwerk, das eine Blockchain zur Verfügung stellt. Bei den Smart Contracts, die auf diese Blockchain programmiert werden, wird vom Ethereum-Netzwerk die Währung „Ether“ genutzt. Die Bezahlung des erwähnten Paketboten oder der Brunnenbau-Firma würde also in Ether erfolgen. Genau genommen ist also Ether die Digitalwährung – nicht Ethereum. Trotzdem hat sich die – eigentlich falsche – Nutzung des Wortes Ethereum zur Beschreibung der Kryptowährung etabliert.

Bei einer Digitalwährung stellt sich immer die Frage: Welches Problem möchte sie lösen? Und so wie Bitcoin das „Vertrauensproblem“ in Bezug auf die Banken lösen möchte, kann Ethereum mit seinen Smart Contracts dazu beitragen, das „Vertrauensproblem“ in fast jedem Anwendungsbereich zu lösen, in dem Abhängigkeit von Mittelsmännern besteht. Sei es bei politischen Wahlen, Versicherungen, Finanzgeschäften oder Grundbucheinträgen: Überall könnten vorher eindeutig festgelegte Smart Con­tracts die Mittelsmänner ersetzen. Die möglichen Anwendungsbereiche der Smart Contracts sind quasi grenzenlos.

Aufgrund seiner endlosen Einsatzmöglichkeiten wird Ethereum auch oft als Weltcomputer oder riesiger dezentraler Computer bezeichnet. Ethereum versteht sich insofern nicht als Konkurrent zu Bitcoin, sondern eher als Ergänzung. Doch so groß das Potenzial von Ethereum auch ist: Bisher findet es in der Praxis noch so gut wie keine Anwendung.

Entwickelt wurde es von dem kanadischen Programmierer Vitalik Buterin, der mittlerweile eine Berühmtheit in der Krypto-Szene ist.

Ethereum ist die mit Abstand zweitgrößte Digitalwährung. Doch der Kryptokosmos ist noch wesentlich größer und bietet noch viel mehr. Daher möchte ich in der nächsten Ausgabe einige weitere Coins aus der „Top 20“ mit Ihnen anschauen.

Ihr Kryptokosmonaut

Max

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