Qualitätsjournalismus gilt als Grundpfeiler gerechter und transparenter Staatssysteme. Ein entsprechend geschulter Journalist prüft seine Quellen kritisch und glaubt nichts unbesehen. Er ordnet seine Themen in den historischen Zusammenhang ein und ist in erster Linie dem öffentlichen Interesse verpflichtet. Das gilt in besonderem Maße für die wissenschaftliche Berichterstattung. Obwohl die öffentlichen Medien in letzter Zeit viel Kritik1 einstecken mussten, da ihnen verschiedene Defizite nachgewiesen werden konnten – unter anderem, dass sie Sachverhalte trivialisierten –, galt der Wissenschaftsjournalismus bislang als unbescholten. Beklagenswerterweise – denn kein Land der Welt hat eine gesunde Wissenschaftspresse.
Krankheitsresistenter Gen-Reis – und das soll Wissenschaftsjournalismus sein?
Von der New York Times wurde gentechnisch modifizierter Xa21-Reis stets als Sensation gehandhabt,2 unter anderem im 1995 veröffentlichten Artikel „Genetic Engineering Creates Rice Resistant to Destructive Blight“3 (Gentechnik bringt Mehltau-resistenten Reis hervor) der Journalistin Sandra Blakeslee. Darin berichtet sie davon, dass „zum ersten Mal ein gegen Krankheiten resistent machendes Gen in Reispflanzen eingesetzt“ worden sei. Blakeslee zitiert Gary Toeniessen, den stellvertretenden Direktor der agrarwissenschaftlichen Abteilung am Rockefeller Institute in New York mit den Worten, dass sich „eine neue Ära in der Pflanzengenetik und Resistenzzüchtung“ ankündige.
18 Jahre später ist klar: Die Versprechen haben sich nicht erfüllt. Weder Xa21 noch ein vergleichbares Gen wurden je zur Marktreife gebracht. Im Handel ist keine einzige gentechnisch modifizierte Reissorte erhältlich. Die Forschungsergebnisse waren außerdem keineswegs so neuartig, wie von der New York Times behauptet. Blakeslee hatte – wie erwähnt – berichtet, dass „zum ersten Mal ein gegen Krankheiten resistent machendes Gen in Reispflanzen eingefügt“ worden sei. Der Leser erfuhr aber nicht, dass Reispflanzen das Gen bereits enthalten, weil es aus Reis gewonnen wird (Song et al., 1995). Der Artikel beschrieb also weder einen konzeptionellen, noch einen kommerziellen Durchbruch. Mit Sicherheit aber sorgte er dafür, dass die Biotechnik in die Schlagzeilen geriet.
Der erfundene Protein-Maniok
„Maniok mit Proteinkick aus Bohnengenen“4 titelte im Jahr 2011 der New Scientist. In dem Bericht wurde gentechnisch modifizierter Maniok beschrieben, den Dr. Claude Fauquet mit seinem Team am Danforth Plant Science Center in St. Louis, Missouri, erschaffen hatte. Die überwiegend von Monsanto finanzierte Einrichtung habe mit Geldern der Stiftung von Bill und Melinda Gates eine Variante entwickelt, die dank dem synthetischen Protein Zeolin viermal mehr Eiweiß enthalten sollte als normaler Maniok. Das sei genug, um vom Hunger bedrohte Kinder erheblich besser versorgen zu können.5
Trotz der enthusiastischen Meldungen im New Scientist, auf SciDev.Net6 und über viele weitere Pressekanäle7 wird kein solcher Maniok je hungrige Menschen in Afrika ernähren. Eine spätere Untersuchung in den Gewächshäusern des Danforth Centers ergab, dass die „modifizierten“ Maniok-Pflanzen gar kein Zeolin enthielten. Sie waren wider der Behauptungen der Abhary-Veröffentlichung5 nicht transgen. Der Artikel wurde daher zurückgezogen (was später auch im New Scientist und auf SciDev.Net vermeldet wurde). Dem Präsidenten des Danforth Centers Dr. James Carrington zufolge hatte der federführende Autor (Abhary) das Land verlassen, ohne eine sehr wichtige Information preisgegeben zu haben. Carrington gestand ein:
„Wir konnten nicht herausfinden, auf welche Weise sie [die Pflanzen] hergestellt wurden.“
Wie jemand vom Blog Retraction Watch herausfand,8 war damit das Ende des proteinreichen Maniok besiegelt:
„Laut Dr. Carrington konnte das Fauquet-Labor die Studie nicht fachgerecht wiederholen, da die Zuwendungen der Gates-Stiftung, aus denen sich das Projekt finanziert hatte, einige Jahre zuvor ausgelaufen waren.“
Die verschwundene virenresistente Süßkartoffel
Im Jahr 2001 flog der US-Sonderbeauftragte Dr. Andrew Young nach Kenia, um eine genmanipulierte, virenresistente Süßkartoffel vorzustellen. Sie war von Dr. Florence Wambugu in Zusammenarbeit mit Monsanto entwickelt worden. Nach Angaben des Forbes Magazines seien die Ernteerträge dank einer neuartigen Virenresistenz „beeindruckend“9 – doppelt so hoch wie bei normalen Süßkartoffeln. Dr. Wambugu, damals Projektleiterin in Kenia, sagte der kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail10 im Jahr 2003, dass die „modifizierte Kartoffel […] den Flächenertrag von vier auf zehn Tonnen pro Hektar steigern“ könne. Die kanadische National Post11 zitierte sie mit den Worten, dass die Gentechnik
„den afrikanischen Kontinent aus jahrzehntelanger wirtschaftlicher und sozialer Hoffnungslosigkeit herausholen“ könne.
Die Lobreden12 wurden gehalten, noch bevor irgendwelche wissenschaftlichen Beweise für die angeblichen Eigenschaften der Kartoffelsorte vorlagen.
Später, im Jahr 2004, wurde in kenianischen Zeitungen und auf der Website GMWatch13 berichtet, dass sich Monsantos Produkt in Tests als Fehlschlag erwiesen habe – es sei gar nicht virenresistent. In einem offiziellen Bericht hieß es sogar, dass die
„nicht-transgenen Pflanzen auf dem Vergleichsfeld viel höhere Erträge erbringen als die transgenen“.
Kenianische Wissenschaftler, die an dem Feldversuch teilgenommen hatten, sagten, dass„alle getesteten Zuchtlinien anfällig gegen Virenbefall“ gewesen seien und „das transgene Material der Virenlast auf dem Feld nicht wirklich standhalten konnte“.14
Trotz der negativen Berichte tauchte die Süßkartoffel weiter in der US-Presse auf.15 Die bekannte Forscherin Pamela Ronald16 schrieb in der New York Times vom 14. Mai 2010, dass
„virenresistente Süßkartoffeln und ertragreiche Perlhirse nur einige Beispiele für gentechnisch modifizierte Nahrungsmittel [seien], die das Leben der Armen auf der ganzen Welt verbessern“ könnten.
In Wahrheit hat sich nie eine virenresistente Kartoffel aus Kenia oder einem anderen Land durchgesetzt, und es wurden auch keine wissenschaftlichen Arbeiten dazu veröffentlicht. Die von kenianischen Zeitungen verbreitete Meldung, dass die Erträge keineswegs eine „erstaunliche“ Höhe erreichten, kam der Wahrheit vermutlich am nächsten.
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