Das Kornkreisjahr 2019: Eine geografische Verlagerung

kornkreisDas Jahr 2019 brachte zwar nicht allzu viele Kornkreise hervor, doch diese zeigten sich mysteriöserweise vermehrt in Frankreich, obwohl auch das traditionelle englische Kernland – und nicht nur dieses – mit faszinierenden, ausgeklügelten Designs aufwarten konnte.

Mit einem sechsarmigen Schneeflockenmuster in der Nähe von Parçay-Meslay, Indre-et-Loire, dessen Arme aus komplexen Strukturen von Kreisen verschiedener Größen bestanden und dessen Zentrum ein Kleeblatt zierte, kehrte am 26. Juni die Qualität zurück. Zwei Tage später sprang das Phänomen auf Lidon in der Nähe von Chauvigny, Vienne, über und präsentierte sich als eine Anordnung von petroglyphenartigen Gruppierungen von Kreisen, Linien und Ringen und in der Nähe entstandenen kleineren Ringen, die von merkwürdig mäandernden Linien durchzogen waren. Am 29. Juni hatte die Kornkreistour ein neues Ziel erreicht: Saulx-Marchais, Yvelines. Dieses Mal zeigte sich eine sehr ungewöhnliche s-förmige Fläche, die um eine rückgratähnliche Linie aus Kreisen und Halbkreisen gewickelt schien. Am darauffolgenden Tag ging die Reise weiter in die Region Pas-de-Calais, und wieder gab es aneinandergereihte Kreise und Halbkreise mit einem s-förmigen Gebilde in der Mitte zu sehen, ganz in der Nähe der zwei eindrucksvollen Abraumhalden nahe Houdain und Haillicourt. Eine weitere Formation in Nielles-lès-Ardres erinnerte wieder an das erste französische Piktogramm, wies aber zusätzlich einige merkwürdige Formen auf, beispielsweise ein karottenartiges Anhängsel.

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Im darauffolgenden Monat setzte sich die Aktivität unvermindert fort und erreichte am 3. Juli sowohl Pouilloux, Saône-et-Loire, mit einem kompakten Muster der üblichen Art von bescheidener Größe, als auch Louans, Indre-et-Loire, mit aufgereihten Kreisen und einem kleinen Sägeblattmotiv in der Mitte. Sundhoffen, Haut-Rhin, fügte dem am 7. Juli eine eigene thematische Variante hinzu, dieses Mal mit einem ungewöhnlichen ovalen „Auge“ an einem Ende. Das vielleicht ungewöhnlichste Design unter den französischen Erscheinungen präsentierte sich am 16. Juli in Auchy-les-Mines, Pas-de-Calais. Um ein diamantenförmiges Zentrum gruppierten sich vier geschwungene „Flügel“ oder Segel, jeweils geteilt durch Flächen umgelegter Halme, die auf eine zentrale Achse zeigten und einen schönen Effekt erzeugten. Der gleiche Tag brachte in Treuzy-Levelay, Seine-et-Marne, eine Variante des klassischen Yin-Yang-Symbols hervor, das statt des geschlossenen Rings weiterführende Arme aus anwachsenden Kreisen besaß. Vielleicht lag darin eine abschließende Botschaft, die ein außergewöhnliches Jahr zum Abschluss brachte – für ein Land, das nie zuvor eine so reiche Entfaltung des Phänomens erfahren hatte.

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Warum jetzt? War der neue Schwerpunkt ein ironischer Seitenhieb wegen des chaotischen Brexit-Prozesses, den England erlebt, und wegen des möglichen Zerfalls des europäischen Projekts? Wenn ja, warum gab es dann in diesem Jahr keine Formation in Deutschland? Oder hatte die geografische Verlagerung mit veränderten Erdenergien zu tun? Manifestierte sich hier ein Phänomen des Gruppenbewusstseins, das in einem Land, das Anfang des Jahres von den Protesten der Gelbwesten-Bewegung aufgerüttelt worden war, etwas Dampf abließ? Auch mit ihrer breiteren geografischen Streuung wichen die Formationen von denen in England ab, wo tendenziell offenbar bestimmte Regionen bevorzugt werden. Wie auch immer die Antwort lauten mag, es war interessant zu beobachten, wie in Frankreich Forscher und Presse in einem einzigen Sommer einige der Stadien von Faszination, gesteigertem Interesse, Meinungsverschiedenheiten, Leugnung und Skepsis durchliefen, für die England Jahre gebraucht hatte. Erstaunlicherweise entnahmen manche lokale Reporter einige grundlegende Fakten über Kornkreise ganz einfach aus der Wikipedia, einer Quelle, die sich für dieses Thema als notorisch unzuverlässig erwiesen hat. Damit zeigte sich einmal mehr, dass menschliches Wissen allzu oft nicht auf verlässlichen Ansichten von historischer Tiefe beruht, sondern auf voreingenommenem Hörensagen, das man den neuen Generationen oktroyiert.

Ein Blick in die Welt

Auch in anderen Ländern zeigten sich 2019 Kunstwerke in Getreidefeldern, vier davon in der Schweiz. Zwei wurden zu Anfang des Sommers aus so großer Höhe gefilmt, dass sich keine Details erkennen ließen, ein Motiv in Zollikofen zeigte ein Mandala mit floralem Zentrum, und eines in Neuenegg präsentierte einen dicken Ring mit unregelmäßigen erhabenen Flächen im Innern. Am 1. Juli erregte in Büren an der Aare, Bern, eine komplexe sechsgliedrige Blume, die wie ein Rosettenfenster wirkte, die Aufmerksamkeit, und am 23. Juni erschien in Lüsslingen, Thun, ein kleines, aber hübsches dreigeteiltes, kleeblattähnliches Design.

In Italien traten drei Formationen auf. Am 25. Mai erschien in Osimo, Ancona, eine sechsgliedrige Blume aus dünnen Linien, und in geringer Entfernung in Padiglione konnte man eine bizarr geschwungene Hantel mit merkwürdigen Proportionen sehen. Die dritte Formation, die am 30. Juni in Poirino, Piemont, auftauchte, gehörte einer ganz anderen Liga an. Sie erinnerte an die Muster, die hier im Laufe der Jahre immer wieder erschienen waren, und stellte eine große, fein ausgearbeitete siebengliedrige Blume dar. (Manche haben dieses Bild offen als das Werk des Künstlers Francesco Grassi bezeichnet.) Auch die Felder der Niederlande brachten drei Formationen hervor – also weniger als in den Jahren davor. Sie alle waren klein, relativ einfach und in dem lokalen „naiven“ Stil gehalten, den Forscher heute berechtigter- oder unberechtigterweise grundsätzlich nicht anerkennen.

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Im Gegensatz zu den USA, in denen die Kornkreis­aktivitäten offenbar zum Erliegen kamen, brachte Russland zwei Formationen hervor. Eine zeigte ein ansprechendes Piktogramm aus dünnen Linien und Kreisen, das man am 19. Juni im Fastowezkaja, Krasnodar, fand, und eine zweite in Form einer doppelten „Schriftrolle“ mit einem etwas davon entfernten kleineren Kreis erschien am 23. Juni in Sokolowskoje, Krasnodar. Polen konnte mit einem einzigen Motiv aufwarten, einer gut konzipierten Variante des Yin-Yang-Themas, umkreist von einem Satelliten, die sich am 29. Juni in Wolka Orchowska, Wielkopolska, präsentierte. Und auch der Tschechischen Republik wurde am 5. Juli an einem nicht bekannt gegebenen Ort eine Ansammlung von petroglyphenähnlichen Symbolen zuteil.

Resümee

Mit 25 Formationen behält England eindeutig seine Position als traditionelles Zentrum des Phänomens, dicht gefolgt von Frankreich mit 15 Formationen. Man darf gespannt sein, ob der dort eingekehrte Einfallsreichtum ein neues stabiles Zentrum bilden oder wieder in Vergessenheit geraten wird. Mit nur 14 Formationen bleiben im Rest der Welt die Ereignisse sporadisch, auch wenn einige Orte florieren.

Nach wie vor sind wir weit davon entfernt, über dieses rätselhafte Phänomen abschließende Schlussfolgerungen treffen zu können. Irgendwie ist es nie richtig greifbar, nie konkret zu erfassen und gerade deshalb so ansprechend und faszinierend. Fest steht nur eines: Diese merkwürdigen, wunderschönen Gebilde sorgen weiterhin für Inspiration und Frustration und regen zu tiefschürfenden Überlegungen an – und das in einer Zeit, in der man die Menschen unbedingt davon abbringen will, Fragen zu stellen und unkonventionell zu denken. Das alleine dient als hinreichende Rechtfertigung für die beharrliche Existenz der Kornkreise. Lange mögen sie leben!

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