Am 20. Juli erschien ein gestochen scharfes zwölfkantiges Rad aus schiefgestellten Scherben, das an ein abstraktes Sonnensymbol erinnerte und nicht weit von dem berühmten Scharrbild eines weißen Pferdes in Westbury, Wiltshire, also in einer weiteren traditionellen Kornkreisregion, auftrat. Am 23. Juli folgte in Pepperbox Hill, West Grimstead, Wiltshire, ein noch auffälligeres Design, das ebenfalls an alten Sonnensymbolismus erinnerte. Sechs wellige Arme in dreifacher Strichführung anstelle von breitflächig umgelegten Getreideähren formten sich, trotz der anscheinenden Einfachheit, zu einem ausgeklügelten Bild, das man zu den Favoriten der Saison zählen kann.
Die leichte Ähnlichkeit mit der berühmten „Bänderformation“, die 2002 in Stonehenge aufgetreten war, blieb durchaus nicht unbemerkt. Dem Muster lag jedoch ein Geheimnis zugrunde. Es stellte sich nämlich heraus, dass bereits vorher, am 10. Juli, eine fünfarmige, aber ansonsten fast identische Version an einer nicht öffentlich bekannt gegebenen Stelle aufgetreten war. Das kam erst ans Licht, als offen über die Nachfolgeformation berichtet wurde. Am 6. Juli gab es eine Formation, die ein von einem Strahlenkranz umgebenes Gesicht eines Außerirdischen zeigte. Darüber berichteten die meisten Onlineplattformen allerdings nicht oder sie verschwiegen die Fundstelle. Die Thematik verschwiegener Formationen und nicht offengelegter Fundorte (vermutlich eine von den entsprechenden Kornkreis-Websites vereinbarte Taktik, um die betroffenen Landwirte bei Laune zu halten) wird von denen, die an Informationsfreiheit glauben, zunehmend kritisiert und stellt in einem Zeitalter, das von einer schleichend wachsenden Zensur gekennzeichnet ist, ein unangenehmes Dilemma dar. Könnte dies nicht letztlich dazu führen, dass man über Kornkreise nicht mehr zum Zeitpunkt ihres Auftretens berichtet und sie damit immer weiter dem Blick der Öffentlichkeit entzieht?
Das Mandala, das am 28. Juli in Barton Stacey, Hampshire, erschien, markierte eine Rückkehr zum „fragmentierten“ Stil. Die Formation zeigte eine Struktur aus einem ungewöhnlichen Dreieck und Blöcken, die wie Bauklötze aussahen (so wirkten sie optisch, wenn man sie als dreidimensional betrachtete). Dieses Dreieck war gegen ein weiteres Dreieck abgesetzt, das ein Sechseck überlagerte. Trotz der schlampigen Ausführung vermochte das ehrgeizige Design zu überzeugen. Im Gegensatz dazu war ein anderes Motiv, das am selben Tag in Warminster in der Nähe des berühmten Wahrzeichens Cley Hill (ein Lieblingsort des Kornkreisphänomens) auftrat, ein Meisterwerk an Präzision. Ein breiter Ring mit markantem Korbflechtmuster umgab drei brillant ausgeführte Kreise von abnehmender Größe und einen Halbmond, wobei im Zentrum zweier Kreise noch verschlungene Getreidehalme aufrecht standen. Besonders ansprechend war der große Kreis. Für dessen Gestaltung wurde eine altbekannte, aber zunehmend beliebte Technik eingesetzt, die darin besteht, radial ausgelegte Getreidehalme zu einem Band zu formen, um damit dem Hintergrundwirbel eine faszinierende Textur zu verleihen.
Das Finale im August
Das oft zitierte große Finale einer Kornkreissaison ist weitgehend ein Mythos. Die Leute betonen nur die letzten Formationen, von denen sie beeindruckt waren, und ignorieren oft die wenigen, die in den letzten Tagen vor der Ernte noch auftreten. Die meisten Abschlussformationen, die England 2019 beschert wurden, wiesen jedoch eine bemerkenswerte Qualität auf.
Am 4. August zeigte sich in Tufton, Hampshire, ein ausgeklügeltes sechseckiges Mandala mit vier inneren Bändern aus immer enger zusammenlaufenden, geschwungenen Dreiecken. Am 11. August erhielt Preston Candover, Hampshire, offenbar eine umfassende Lektion über Geometrie mit Kreisen, einem Quadrat und einem Dreieck, die weitgehend in einem Korbflechtmuster ausgeführt waren. Die dünnen erhabenen Linien, aus denen sich die Formation zum Teil zusammensetzte, und die abgeflachten Ecken des ansonsten erhabenen Dreiecks in der Mitte machten dieses Bild äußerst ansprechend und verliehen ihm fast das Flair eines Logos. Am 18. August tauchte in Uffington, Oxfordshire (dem Fundort einer weit berühmteren Ritzung, die ebenfalls ein weißes Pferd zeigt), ein weiteres Dreieck auf – oder besser gesagt eine Speerspitze mit abgerundeten Ecken, umgeben von kleinen Kreisen. Die vorletzte Formation des Sommers, die sich am 20. August in Etchilhampton, Wiltshire, präsentierte, zeigte ein attraktives, präzise ausgeführtes Mandala aus ineinander verschachtelten Kreisen, umgeben von einem Kreis mit Glyphen, die an Maya-Muster erinnerten.
Das letzte Ereignis in England bis zur Niederschrift dieses Artikels taugte zwar nicht unbedingt als unvergessliches großes Finale, brachte aber dennoch eine ordentliche Formation hervor, die eine durchaus eindrucksvolle Saison ausklingen ließ. Sie zeigte ein Emblem aus drei erhabenen Halbmonden, dekoriert mit kleinen Kreisen und geraden Linien. Das Ganze war umgeben von einer im Korbflechtmuster ausgeführten Umrandung. Damit endete ein weiterer Sommer grafischer Darstellungen auf südenglischen Getreidefeldern, in dem etablierte Genres mit frischen Ideen erweitert wurden.
Vive la France
Wenngleich sich die Aufmerksamkeit nach wie vor auf England richtet, lässt sich doch feststellen, dass sich das Kornkreisphänomen geografisch ausgeweitet hat. In den letzten Jahren war die Aktivität weltweit etwas zurückgegangen, während England vergleichsweise stabil geblieben war. Doch 2019 sah es eine Zeit lang so aus, als dürfte sich ein anderes Land die Krone aufsetzen, was die Zahl der Erscheinungen anbelangt. Bereits früher waren Formationen in Frankreich aufgetaucht, doch trotz all der heiligen Stätten (wie Carnac) und ausgedehnten Felder des Landes – Eigenschaften, die einigen zufolge der Grund dafür sind, warum England traditionell im Zentrum des Phänomens steht – war es nie ein Brennpunkt von Kornkreisaktivitäten gewesen. Doch dieses Jahr erlebten die französischen Felder eine Häufung von stilsicheren Formationen.
Zum Auftakt zeigte sich am 1. Juni in Moisselles, Val-d’Oise, ein erstaunliches Piktogramm aus einer Reihe von Halbmonden und Kreisen in verschiedenen Größen. Jeder Kreis wies ein kleines erhabenes Zentrum auf. Das Muster schien ein Kruzifix aus Bäumen zu ergänzen, das auf dem Gelände der nahe gelegenen katholischen Kirche gepflanzt worden war. Das nächste Ereignis am 13. Juni zeigte Ähnlichkeiten mit dem Vorgängerbild, wenngleich die dargestellten Ringe und Halbkreise dünner waren. Allerdings trat es viel weiter östlich auf, nämlich in Saint-Hippolyte, Haut-Rhin. Diese lebhafte und sehr lange Formation, die sich insgesamt über 200 Meter erstreckte (was sie zur größten Erscheinung dieses Jahres machte), setzte sich tatsächlich aus zwei unterschiedlichen Komponenten zusammen. Eine dritte unverbundene Komponente zeigte sich auf einem dritten Feld.
Am 14. Juni waren zwei ganz unterschiedliche Regionen betroffen. Ein kleineres Muster in Giéville, Manche, in der Normandie zeigte ein beeindruckendes Arrangement von mehreren aufgereihten Kreisen und Halbmonden und zwei geschwungene Arme mit weiteren Kreisen. Am gleichen Tag erschien in Menetou-Salon, Centre-Val de Loire, ein leicht verschwommenes Motiv aus Ringen, Kreisen und Halbkreisen (allerdings weist einiges darauf hin, dass es schon eine Weile vorher da war).
Ein ausgefeiltes, zwar kleines, aber wiederum ziemlich eindrucksvolles Sechseck aus Blütenblättern der „Blume des Lebens“ wurde am 17. Juni ebenfalls im Osten, und zwar in Saint-Jean-de-Bassel, Moselle, entdeckt, womit sich die Tendenz zur geografischen Streuung weiter fortsetzte. Inspiriert von der neuerdings explodierenden grafischen Kreativität in ihrem Land schuf eine Gruppe von Studenten am nächsten Tag ein eigenes Piktogramm in Blaesheim, Bas-Rhin, in der Nähe von Straßburg.
Kommentar schreiben