Teil 1
Auf der Grundlage von Thomas Kuhns Konzept des Paradigmenwechsels in der Wissenschaft, die er in seinem Hauptwerk „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ dargelegt hat, habe ich festgestellt, dass sich die Kosmologie gegenwärtig in einer Krise1befindet und unweigerlich auf eine Revolution2zusteuert. Wenn ein wissenschaftliches Modell in eine Krise gerät – erkennbar an einer zunehmenden Anzahl von Anomalien und Widersprüchen, die das Modell nicht zu erklären bzw. aufzulösen imstande ist –, kann es nicht mehr länger als zuverlässige Leitlinie zur Problemlösung dienen und wird schließlich durch ein anderes Modell ersetzt werden müssen.
Dies ist die Phase der Modell-Revolution im Paradigmenwechsel-Zyklus.3Sie beginnt mit dem Auftreten eines neuen Modells oder neuer Modelle, die eine grundlegend andere Sprache sprechen, wodurch das neue und das alte Modell unvereinbar und inkompatibel werden, das heißt dass sie nicht nebeneinander bestehen können.
Zum Zweck der Analyse verwende ich das Wort „Sprache“ hier im Sinne von „paradigmatischer“ Sprache, womit ich meine, wie ein Paradigma die Dinge beschreibt, die wir in der Natur beobachten. Ein Paradigmenwechsel ist im Endeffekt ein Wechsel der Weltanschauung.4Existieren also gegenwärtig kosmologische Modelle, die eine grundlegend andere paradigmatische Sprache mit einer anderen Weltanschauung sprechen?
Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir zuerst das Lexikon des Standardmodells der Kosmologie konsultieren. Da ich hier ein hochkomplexes Thema in zugegebenermaßen reduzierten Begriffen darstellen will, habe ich das Standardmodell auf die drei folgenden grundlegenden Konzepte (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung) eingedampft:
- Gravitation – als kosmologische Urkraft
- allgemeine Relativitätstheorie – als Definition der bzw. in Bezug auf die Gravitation
- der Urknall – ein expandierendes Universum, das durch den Urknall entstanden ist
Diese Konzepte ergänzen einander, sind miteinander verflochten und bringen zudem die meisten anderen Konzepte und Hypothesen hervor, die im Standardmodell enthalten sind und dazu dienen, die (oft widersprüchlichen) Beobachtungsdaten zu erklären, die mit einem oder mehreren der grundlegenden Konzepte zusammenhängen. Mit anderen Worten: Die paradigmatische Sprache oder das Lexikon des Standardmodells basiert auf einer oder mehrerer dieser Grundannahmen und ist in ihnen verankert.
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