Doch kurz vor der Unterzeichnung fand der von den Vereinigten Staaten initiierte Militärputsch in Bolivien statt. Gleich darauf folgte die übliche einschüchternde, gewalttätige und mörderische Unterdrückung im US-Stil, die sich besonders gegen Proteste seitens der indigenen Bevölkerung richtete.
Die indigenen Einwohner, die immerhin zwischen 70 und 80 Prozent der bolivianischen Bevölkerung ausmachen, wollten ihren Präsidenten Evo Morales nicht verlieren. Mehr als jeder andere bolivianische Präsident seit der Unabhängigkeit von Spanien vor etwa 200 Jahren hat Morales zur Verbesserung ihrer Lebensumstände beigetragen, die Armut drastisch reduziert und den meisten Bolivianern Arbeit und ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Aufgrund von Morddrohungen gegen ihn selbst, seine Familie sowie politische Verbündete und Kongressabgeordnete, die seine Nachfolge antreten sollten, musste Morales in Mexiko Asyl beantragen. Die CIA, ihre Handlanger und deren bezahlte Spione agieren ungestraft und skrupellos.
Einen Tag nachdem Evo Morales Bolivien verlassen hatte, durchsuchte und plünderte die Opposition unter Führung der selbst ernannten neofaschistischen und rassistischen Präsidentin Jeanine Añez die Gold- und großen Bargeldreserven der Zentralbank. Die Beute wurde zum Flughafen transportiert, um außer Landes – vermutlich in die USA – gebracht zu werden. Añez gab an, das Geld für Waffenkäufe (selbstverständlich von den Amerikanern) zu benötigen, um die indigenen Protestierenden zu unterdrücken und zu töten.
Seit dem lange vorbereiteten und US-orchestrierten „zivil-militärischen“ Putsch am 10. November 2019 wird Bolivien von einer selbst ernannten, illegalen, (angeblich) vorläufigen, neofaschistischen Regierung angeführt. Sie wird nicht nur von den Vereinigten Staaten, den „Putschmachern“, sondern auch von der abgrundtief beschämenden Europäischen Union und der Organisation Amerikanischer Staaten OAS (die sich rühmt, zu 60 Prozent von den USA finanziert zu werden) unterstützt.
Die Bolivianer wurden in eine gewalttätige militärisch-polizeiliche Diktatur gestürzt, die keine Hemmungen zeigt, indigene Demonstranten zusammenzuschlagen und mit scharfer Munition zu attackieren. Mindestens 25 Menschen wurden bereits getötet, Hunderte verletzt. Añez hat einen Beschluss unterzeichnet, der Polizei und Militär für Verbrechen und Morde an Protestierenden von der strafrechtlichen Verfolgung freispricht und ihnen somit eine direkte Lizenz zum Töten gibt. Evo Morales wurde von hochrangigen Militärs, die heimlich von der School of the Americas (heute: The Western Hemisphere Institute for Security Cooperation – WHINSEC) ausgebildet wurden, zum Rücktritt gezwungen. Er wurde also von Offizieren bitter verraten, die von Washington ausgebildet und korrumpiert worden waren.
Ebenfalls zum Rücktritt aufgefordert wurden etwa 20 von Morales’ engsten Gefolgsleuten, darunter Kongressabgeordnete, die gemäß der bolivianischen Verfassung übergangsweise bis zu den nächsten Wahlen das Präsidentschaftsamt hätten ausüben können. Über Morales’ Vorschläge bezüglich seiner Nachfolge wurde in den westlichen Medien kaum berichtet. Allen betroffenen Kongressabgeordneten wurde Asyl in Mexiko gewährt. Die neue, illegale, selbst ernannte Regierung untersagte ihnen, bei den kommenden Wahlen für das Präsidentschaftsamt zu kandidieren. Das ist genau die Art von Demokratie, die Washington exportiert – eine treffendere Bezeichnung wäre Diktatur.
Die Kraft und Inbrunst der bolivianischen Proteste für Morales nehmen von Tag zu Tag zu. Er war der erste indigene Präsident des plurinationalen Andenstaates. Die indigenen Bolivianer, die die große Mehrheit im Land stellen, unterstützen Morales und seine MAS-Partei (MAS = Movimiento al Socialismo oder Bewegung zum Sozialismus).
US-Präsident Trump hat mehr als deutlich gemacht, dass er keine sozialistischen Regierungen in der Welt toleriert, erst recht nicht in seinem Hinterhof Lateinamerika. Er gratulierte den in den USA ausgebildeten Putschisten und äußerte Warnungen gegenüber Venezuela, Kuba und Nicaragua. Er lässt keine Gelegenheit aus, Drohungen gegen die Führer der Welt auszusprechen, die seinen Befehlen nicht folgen. Tatsächlich ist die CIA durch vor Ort ausgebildete und gekaufte Agenten für das Chaos und die blutigen Aufstände im Iran, in Hongkong und im Libanon verantwortlich. Im Namen des großartigen Herrn Trump, eines Präsidenten, der vom US-Parlament selbst wegen Korruption und anderer Vergehen angeklagt wird. Bravo.
Die sozialistische Regierung war sicherlich ein Auslöser für den Coup d’État, aber nicht der einzige, vielleicht nicht einmal der wichtigste. Wie Venezuela ist auch Bolivien reich an natürlichen Ressourcen wie Gas, Öl, Mineralien und Metallen – und Lithium, ein Leichtmetall, das in Autobatterien Anwendung findet, vor allem bei Elektrofahrzeugen. Das sind ausgezeichnete Wirtschaftsgüter, die von einer neoliberalen Regierung zum Nutzen einiger weniger lokaler Oligarchen und ausländischer (natürlich zumeist US-amerikanischer) Konzerne privatisiert werden können. Entwicklungsländer ihrer Ressourcen zu berauben ist ein Hauptziel des Imperiums bei seinem Versuch, eine monetäre und territoriale Welthegemonie aufzubauen.
Schon vor seinem Amtsantritt im Januar 2006 sicherte Morales den Bolivianern zu, dass die enormen und ergiebigen Bodenschätze des Landes dem bolivianischen Volk gehören. Eine seiner ersten Handlungen als Präsident war die Teilverstaatlichung der Kohlenwasserstoffindustrie – Gas und Benzin. Von seinen Vorgängern Goni Sanchez und Carlos Mesa hatte Morales ein absurdes Arrangement geerbt, durch das die ausländischen Konzerne durchschnittlich 82 Prozent der Gewinne aus der Kohlenwasserstofferschließung erhielten, während die restlichen 18 Prozent in Bolivien blieben. Aus ebendiesem Grund wurden sowohl Goni als auch Mesa 2003 (bzw. 2005) im Zuge blutiger Volksaufstände zum Rücktritt gezwungen.
Als Morales 2005 zum Präsidenten gewählt wurde und im Januar 2006 sein Amt antrat, kehrte er diese Anteile um: 82 Prozent für Bolivien und 18 Prozent für die transnationalen Unternehmen. Die westliche Welt schrie auf und drohte, dass alle ausländischen Investoren Bolivien den Rücken kehren würden, bis Bolivien allein dastünde und seine Wirtschaft zusammenbräche. Natürlich trat nichts davon ein. Denn selbst mit diesem neuen Abkommen erzielen die ausländischen Konzerne so viel Profit, dass es sich bis heute lohnt, an Bolivien festzuhalten.
Hier kommt Lithium ins Spiel, ein leichtes, weiches und leicht entzündliches Mineral, das von manchen als das Gold des 21. Jahrhunderts bezeichnet wird. Die bereits erschlossenen weltweiten Lithiumvorkommen belaufen sich auf etwa 15 Millionen Tonnen, mit einem Potenzial von bis zu 65 Millionen Tonnen. Bolivien ist im Besitz der wohl größten bekannten Lithiumeinzelvorkommen mit geschätzten 9 Millionen Tonnen, also 60 Prozent der bekannten Menge.
Boliviens Lithium wurde bislang kaum angetastet. Die aktuellen Hauptlieferanten sind Chile, Argentinien, Australien und China. Das bolivianische Lithiumvorkommen zentriert sich hauptsächlich auf die Salar de Uyuni, mit etwa 10.000 Quadratkilometern die größte Salzwüste der Welt, die 4.000 Meter über dem Meeresspiegel an der entlegenen Südspitze Boliviens liegt. Das Lithium befindet sich in der Sole unter der Uyuni-Salzpfanne.
Aufgrund der Höhe und der Abgeschiedenheit ist der Zugang kompliziert und der Lithiumabbau bringt zusätzliche Umweltprobleme mit sich. Zuletzt gab Evo Morales sein vielleicht wichtigstes Versprechen: dass diese wertvolle Ressource nicht einfach als Rohstoff exportiert, sondern vor Ort in Bolivien verarbeitet wird, damit ihr Wert und großer Nutzen Bolivien zugutekommen. Der Geschäftsführer des Staatskonzerns Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) versicherte, dass „Bolivien in vier oder fünf Jahren ein relevanter Akteur auf dem globalen Lithiummarkt sein wird“.
Lithium wird hauptsächlich für die Herstellung von Autobatterien, Mobiltelefonen und Elektronik in komplexen Waffensystemen verwendet. Im Zeitalter des wachsenden Umweltbewusstseins und der Elektroautos wird der Autobatteriemarkt in den nächsten Jahren voraussichtlich explodieren. Man erwartet, dass sich alleine die Verwendung von Lithium in Autobatterien in den kommenden fünf bis zehn Jahren mehr als verdreifachen könnte.
Zuletzt stand die bolivianische Regierung kurz vor der Unterzeichnung eines Vertrags mit ACI Systems Alemania (ACISA), einem kleinen deutschen Unternehmen für nachhaltige Energieproduktion. Am 4. November 2019 wurde dieser Vertrag wegen lokaler Proteste gegen die Gewinnbeteiligung aufgekündigt. Die örtliche Bevölkerung forderte eine Erhöhung der Lizenzzahlungen von drei auf elf Prozent. Der Vertrag hätte im Laufe der Zeit zu einer Investition von 1,3 Milliarden US-Dollar in Form einer Fahrzeugbatteriefabrik und eines Lithiumhydroxidwerks in der Salar de Uyuni geführt. Ähnliche Deals mit Tesla und anderen US-amerikanischen und kanadischen Batterieherstellern scheiterten ebenfalls an inakzeptablen Gewinnbeteiligungen.
China verfügt über den mit Abstand größten Lithiummarkt der Welt – und den mit dem größten Wachstumspotenzial. Angesichts einer Million verkaufter chinesischer Elektroautos allein im Jahr 2018 wird ein exponentieller Anstieg der Nachfrage erwartet. Einem chinesischen Thinktank zufolge werden im Jahr 2040 alle neuen Fahrzeuge auf Chinas Straßen Elektroautos sein; schon heute handelt es sich bei fast 100 Prozent aller Motorroller in den Großstädten um elektrisch betriebene Fahrzeuge.
Wie eingangs erwähnt, handelten im Februar 2019 das chinesische Unternehmen Xinjiang TBEA Group Co. Ltd. und der bolivianische Staatskonzern Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) einen Vertrag zur Lithiumgewinnung aus, der Bolivien 51 Prozent und China 49 Prozent der Erlöse zugebilligt hätte. Das anfängliche Investment von 2,3 Milliarden US-Dollar hätte der Nachfrage auf dem Markt angepasst werden können. Ein Teil des Projekts wäre auf die Herstellung von Fahrzeugbatterien (und mehr) entfallen, was in Bolivien zu einer Wertschöpfung und Tausenden neuen Arbeitsplätzen geführt hätte.
Mit den offiziell bekannten Ressourcen in der Salar de Uyuni von 9 Millionen Tonnen Lithium, die in etwa einem Viertel der weltweit bekannten Vorkommen entsprechen, wäre mit dem Vertrag ein großer Teil dieses Multi-Milliarden-Dollar-Markts in chinesische Hand gelangt. Daher ist die Annahme nicht weit hergeholt, dass der von den USA initiierte Militärputsch und vor allem der Zeitpunkt etwas mit Boliviens Lithium und dem Partnerschaftsabkommen mit China zu tun haben.
Seit Anfang 2019 verhandelt Bolivien mit China über die Anbindung an die chinesische Belt and Road Initiative (BRI). Die Lithiumgewinnung und industrielle Entwicklung waren ein Teil dieser Verhandlungen. Unter Morales’ Führung hätte das noch immer am meisten verarmte Land Südamerikas aus der Armut herausgeholt werden können, bis hin zu einem Niveau, auf dem die meisten Bolivianer hätten „gut leben“ können. China, das mit der weltweiten Expansion der BRI und bilateralen Geschäften, wie es der Lithiumdeal in und mit Bolivien hätte werden können, einen Win-win-Ansatz verfolgt, hätte maßgeblich zu der Verbesserung der Lebensbedingungen dieses Binnenstaats in den Anden beigetragen.
Dass China bei jeder Gelegenheit Prügel bezieht und verbal angegriffen wird, lässt darauf schließen, dass die wahre Achse des Bösen (die Vereinigten Staaten, ihre europäischen Vasallen, Kanada und Australien) ein so langfristiges Abkommen in Milliardenhöhe nicht zulassen, sondern den Markt lieber für sich beanspruchen will. Daher mussten Präsident Evo Morales und seine engen Verbündeten (sowie potenziellen Nachfolger) der MAS-Partei gehen.
Es ist absehbar, dass die derzeitige „Interimsregierung“ den Ausnahmezustand verhängen wird, was auf eine De-facto-Diktatur durch Polizei und Militär hinausläuft. Der natürliche Reichtum eines armen Landes, das seine Ressourcen zum Wohle seines Volkes nutzen will, kann ein Fluch sein, insbesondere, wenn in diesem Land ein sozialistisches Regime herrscht. Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: Das bolivianische Volk ist dafür bekannt, eigenwillig und standhaft für seine Rechte einzutreten. Mit der Unterstützung und Solidarität der Menschen in den Nachbarländern, die für ihre verlorenen Bürgerrechte protestieren (Chile, Ecuador, Argentinien und vielleicht bald auch Brasilien), ist vielleicht nicht alles verloren.
Quelle: GlobalResearch.ca, 21.11.19, https://tinyurl.com/ql2sgz7 (Übersetzung redaktionell bearbeitet)
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