Rauchen ist schlecht für die Gesundheit. Oder nicht? Immer wieder erscheinen Bücher und Artikel, in denen das Gegenteil behauptet wird. Und geraucht wurde doch schon in grauer Vorzeit – ist das lieb gewonnene Ritual bloß Opfer des Regulierungs- und Gesundheitswahns moderner Bürokraten geworden?
„Hier, guck mal, das ist doch der Wahnsinn!“ Thomas knallt mir ein Buch auf den Tisch. „Es geht um die Gesundheitsvorzüge von Tabak, hab’s gerade gelesen. Vielleicht ist das mit den Kippen doch nicht so schlimm, wie alle sagen.“ Grinsend steckt er sich eine an. Ich habe zu dem Zeitpunkt schon Jahre keine Zigarette mehr angefasst und bin skeptisch. „Hm“, sage ich, während ich durch das Büchlein blättere, „meinst du echt, da ist was dran?“ Thomas zuckt mit den Schultern: „Macht zumindest ein besseres Gewissen. Kannst es dir gern mal ausleihen.“
Das habe ich zwar nie getan, aber seither gibt es dieses seltsame Fragezeichen in meinem Kopf, wenn ich an Tabak denke. Es ist ja nicht nur der Zweifel an der gesundheitsschädlichen Wirkung des Qualmens, der immer wieder durch die Raucherzimmer geistert. Tabak ist gleichzeitig eine bedeutende Kulturpflanze und gehört zu den wichtigsten Heilpflanzen der indigenen Völker Nord- und Südamerikas. Kann das Rauchen ihrer Blätter dann wirklich so schlimm sein, wie die Ekelbilder auf den Schachteln uns glauben machen wollen?
Was macht krank?
Mit dem Rauchen verknüpfe ich auch ein anderes Ereignis aus meinem Leben: Ein Freund der Familie war starker Raucher und entwickelte im höheren Alter eine Lungenfibrose. Dabei baut sich die Lunge um: Das Binde- und Stützgewebe, das die Lungenbläschen, -blutgefäße und die kleinen Bronchien umgibt, verhärtet und vernarbt, was die Lungenfunktion zunehmend einschränkt. Zu den ersten Symptomen zählen trockener Reizhusten und Atemnot, im fortgeschrittenen Stadium verformen sich Fingerspitzen und -nägel und laufen blau an, später leiden Betroffene infolge der chronischen Sauerstoffunterversorgung häufig an Atemwegs- und Lungeninfekten, an Abgeschlagenheit, leichtem Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen und schließlich an Schädigungen des Herzens und Wasseransammlungen in Bauch und Beinen.1
Lungenfibrosen können die Folge verschiedener Faktoren sein: das Einatmen diverser Schadstoffe, die Einnahme bestimmter Medikamente, begünstigende Vorerkrankungen und eine genetische Veranlagung – es gibt nicht den einen Auslöser.2 Die Untersuchung der diversen Faktoren und ihrer Wechselwirkungen wird als multifaktorielle Epidemiologie bezeichnet. Sie liegt nicht nur Lungenfibrosen zugrunde, sondern auch verbreiteten Leiden wie Diabetes mellitus, Schuppenflechte, Paradontitis oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der „einzige zweifelsfrei nachgewiesene exogene Risikofaktor“ bei Lungenfibrosen ist das Aktivrauchen.3 Und das war wohl auch bei besagtem Freund die Hauptursache seiner Krankheit – nicht der einzige, aber der ausschlaggebende Faktor. Das zumindest war das Urteil seiner Ärzte, basierend auf dem Stand der Forschung.
Es gibt Gruppierungen, die sind da völlig anderer Meinung: FORCES International etwa hält die gesamte multifaktorielle Epidemiologie für Quatsch – reine Junk-Wissenschaft, deren „Denunzierung, Bekämpfung und/oder Zerstörung“ qua Satzung die oberste Pflicht jedes Menschen ist, der Verantwortung in der Organisation übernimmt.4
FORCES ist ein Akronym für Fight Ordinances and Restrictions to Control and Eliminate Smoking. Die Gruppe macht sich seit Jahrzehnten gegen Rauchverbote und ähnliche Einschränkungen stark und teilt die Auffassung, Rauchen und Passivrauchen seien weit weniger schädlich als „die Propaganda“ es darstellen würde: Die Risiken des Rauchens wären übertrieben und der Diskurs von Desinformation geprägt. FORCES hält es für falsch, das Rauchen als Co-Faktor diverser Erkrankungen zu benennen. Sie sagen: Entweder ist Tabak allein schuld an einem Leiden – oder eben gar nicht. Monokausalität statt multipler Faktoren. Der Rauchadvokat Gordon Vick bringt das Argument auf den Punkt, indem er in einem Artikel dazu auffordert, auch nur einen einzigen Menschen zu finden, bei dem Tabak nachweislich die alleinige Ursache seiner Krankheit wäre. Da das ganz gewiss unmöglich sei, müsse man sich fragen:
„Wenn Sie also nicht einmal sicher behaupten können, dass EINER der Millionen Raucher durch das Rauchen stirbt (oder krank wird), wie können Sie dann sicher sein, dass Tabak dafür verantwortlich ist?“5
Was stimmt denn nun? Ich dachte, dass Rauchen stark gesundheitsschädlich ist, sei wissenschaftlicher Konsens – immerhin lässt sich die zersetzende Langzeitwirkung von Zigarettenrauch doch beobachten. Oder nicht? Ich wollte es schon immer genauer wissen und beschließe, mir einen Weg durch den Nebel zu bahnen.
The Health Benefits of Tobacco
„An alle bedrängten, verfolgten und gedemütigten Raucher der Welt: Keine Sorge, Sie töten keine Menschen mit dem Passivrauchen.“
Mit diesen Worten beginnt Dr. William Campbell Douglass II sein Buch „The Health Benefits of Tobacco“– eine Verteidigung des Rauchens und gleichzeitig ein Angriff auf die, die es diffamieren und verbieten wollen.6 Es ist das Buch, das mir mein Freund Thomas vor Jahren unter die Nase gehalten hat. Irgendwie möchte ich ja auch glauben, dass das mit dem Rauchen gar nicht so schlimm ist – dann müsste ich mir weniger Sorgen um einige lieb gewonnene Menschen in meinem Leben machen. Aber einfach macht es mir der Autor nicht: Die ersten Seiten sind eine einzige Tirade gegen Nichtraucher und all jene, die der vermeintlichen Propaganda der Gesundheitsfanatiker Glauben schenken. Das eigentliche Problem sei nämlich, dass dieses Lemmingverhalten nicht nur die gesellschaftliche Freiheit „töten“ würde, sondern auch den kollektiven gesunden Menschenverstand und die verfassungsmäßigen Rechte jedes Einzelnen – alles im Namen einer korrumpierten Wissenschaft.
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