Für sie ist Hodgkinson ein Halbgott in der Hängematte, der nichts weiter zu tun braucht als Ukulele zu spielen, Partys zu organisieren und ab und an ein Buch zu schreiben. Denkste. In seinem jüngsten Werk „Business für Bohemiens“ lässt Hodgkinson die Hosen runter und berichtet von den vielen Stationen des Scheiterns auf seinem Weg, den Lohn-und-Brot-Jobs den Rücken zuzukehren und als freier Unternehmer seine eigenen Kekse zu backen.
Vor allem eines ist ihm dabei bewusst geworden: Shisha paffend auf einer Ottomane herumzulümmeln und über Oscar Wilde zu philosophieren trägt wenig bei zum schnöden Unternehmeralltag mit seinen Cashflowprognosen, Kalkulationstabellen und SWOT-Analysen. Hat also der Bohemien, der Künstler, der Flaneur von vornherein verloren im Ringen um Geld und Kundschaft? Hodgkinson war mehr als einmal so weit, das zu glauben. Doch zum Glück ist der Ire ein ausgemachter Sturkopf; und wer regelmäßig Guinness-Kater übersteht, eignet sich wohl auch eine gewisse Resilienz gegenüber geschäftlichen Hundstagen an. Hodgkinsons Regenbogenstraße bestand darin, eine Möglichkeit zu finden, die verhassten Zahlen und Geschäftsabläufe lieben zu lernen; sich seine persönliche Freiheit und seine Ideale zu bewahren, aber kleine Kompromisse einzugehen; sich auf die Spielregeln der Geschäftswelt einzulassen und die volle Verantwortung für sein Unternehmen zu übernehmen.
Wenn Sie jetzt meinen, dieser Punkt stelle im Buch ein Happy End dar, dann irren Sie – wir haben es höchstens bis zur Mitte geschafft, denn die Transformation vom unbedarften Guckindieluft zum integren Geschäftsmann fordert Geduld und Tribut. Hodgkinson hat seine Fehlschläge, Katastrophen und Erkenntnisse aber in typisch humorvoller und selbstironischer Art dokumentiert, um Ihnen, die Sie vielleicht Ähnliches vorhaben, ein paar der ärgsten Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.
Ein Geschäftsratgeber von einem Müßiggänger? Für viele eingefleischte Hodgkinson-Fans bedeutete „Business für Bohemians“ die schmachvolle Zertrümmerung eines Ideals. Und wenn Sie mich fragen, ist das gut so. Denn wer nicht zufällig als Millionär auf die Welt gekommen oder Lottogewinner ist und sein Leben dennoch selbstverantwortlich organisieren möchte, muss auch am Spiel ums Geld teilnehmen. Viele arme Tröpfe lernen die Regeln dieses Spiels hinter dem Schalter einer amerikanischen Imbisskette oder am Steuer eines Taxis kennen, weil die Mietnachforderungen irgendwann den Raum einnehmen, der vorher der schöngeistigen Literatur und den Champagnerpartys vorbehalten war. Hodgkinson zeigt einen anderen Weg auf, der nicht mehr und nicht weniger erfordert als eine Handvoll Entschlossenheit und einige Stunden Arbeit am Tag. Er nimmt den gewillten Schöngeist an die Hand und führt ihn durch Businessplan und Buchführung, den Verkauf, die Außenwerbung und die Kunst des Verhandelns bis hin zur Personalakquise, den Umgang mit Feinden und vielem mehr.
Bei aller Geschäftigkeit schließt das Buch mit vier Kapiteln aus Hodgkinsons Leib- und Magen-Disziplin:
„Warum Sie sich niemals überarbeiten sollten“, „Die Vorzüge des Faulenzens“, „Wie man Stoiker wird“ und „Die Freuden des Aufgebens“.
Tom Hodgkinson ist ein reflektierter, erwachsener und dennoch heiterer Ratgeber gelungen, der sich an alle richtet, die sich als Künstler und Bohemiens verstehen, aber dennoch in der Lage sein möchten, unabhängig ihr eigenes Geld zu verdienen. Wenn Sie sich darin wiederfinden, lesen Sie das Buch, und legen Sie es irgendwo hin, wo Sie es schnell zur Hand haben, wenn es brennt.
Tom Hodgkinson
Kein & Aber
287 Seiten
ISBN:978-3-036957-59-3
€ 22,-
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