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Canyon der Rockstars

Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars

David McGowan
Omnivers Verlag
367 Seiten
ISBN: 978-3-03972-001-9
€ 27,–

Hinweis der Redaktion: Das Buch ist bei uns im Shop erhältlich.

Laurel

Für Menschen, die sich als wahre Musikfans bezeichnen – und das gilt nicht nur für solche im Alter von 70 Jahren oder mehr –, ist der Hippie-Sound der Sixties und frühen Seventies nach wie vor unerreicht. Sie trauern der damaligen psychedelischen Musik (und allen anderen Genres, die damals erfunden wurden) sowie der bis heute quer durch alle Boomer-Medien zelebrierten „Gegenkultur“ nach und versuchen, deren angebliche Werte nach wie vor hochzuhalten.

Das Buch „Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars“ des amerikanischen Autors David McGowan ist bestens dazu geeignet, sämtliche Illusionen, die sich um die Musik dieser Zeit ranken, zu zerstören. McGowan führt uns in seinem Werk – dessen erste drei Kapitel übrigens in NEXUS 34 – 36 erschienen sind – in den Laurel Canyon, eine Wohngegend von Los Angeles, in der sich plötzlich und „ganz zufällig“ in den 1960er-Jahren junge Männer und Frauen aus der ganzen Welt zusammenfanden, um aus dem Nichts zu Stars der Musikszene zu werden. Und das, obwohl der Laurel Canyon damals bereits seit 40 Jahren eine exklusive Kolonie für Prominente aus Hollywood war, die dort ihren nicht für die Klatschspalten bestimmten Neigungen nachgehen konnten. Macht nichts … weil die erwähnten jungen Herrschaften trotz der begehrten Immobilien des Canyons bald in Häusern und großzügigen Anwesen unterkamen, um dort ihre Karrieren zu beginnen.

Wie der Autor aus durchweg öffentlichen Quellen ermitteln konnte, beherrschten viele dieser künftigen Stars nicht einmal oder bestenfalls rudimentär ihre Instrumente; manche von ihnen waren sogar so arme Schlucker, dass sie nicht einmal ein Instrument besaßen. Aber auch das macht nichts … weil sie dennoch bald Plattenverträge in der Tasche hatten und ihre Songs die Charts anführten. Da störte es auch niemanden, dass die ersten Platten der Bands aus dem Laurel Can­yon von bewährten Studiomusikern eingespielt wurden – wenn man der Formation The Monkees (deren Mitglieder übrigens auch im Laurel Canyon wohnten) vorwirft, eine synthetische Band gewesen zu sein, gilt das daher genauso für Musikgruppen wie The Doors, The Mamas & The Papas, Buffalo Springfield, Love und wie sie alle heißen.

Letztlich ging es – auf diese Vermutung steuert David McGowan in seinem Werk zu – vor allem da­rum, eine Pseudo-Gegenkultur ins Leben zu rufen, die mit Love & Peace, psychedelischen Sounds, jeder Menge Drogen und Mystik bzw. Okkultismus das politische Poten­zial der Protestgeneration schwächen, pervertieren oder gleich zerstören sollte (was ja auch gelungen ist).

Die bedeutenden Vertreter dieser Szene, so weist der Autor nach, hatten über ihre Eltern oder in ihrem eigenen Lebenslauf beste Verbindungen zum berüchtigten militärisch-industriellen Komplex der USA. So war Jim Morrison beispielsweise Sohn jenes Admirals, der wahrscheinlich den Tonkin-Zwischenfall – Auslöser des US-Engagements im Vietnamkrieg – inszenierte; Frank Zappa Sohn eines Spezialisten für chemische Kriegsführung; John Phillips (Mamas & Papas) Sohn eines hochdekorierten Marines und selbst Zögling einer Militärakademie; David Crosby Waffenfetischist und (ebenso wie Jimi Hendrix) nach eigenen Aussagen für Spezialeinheiten des Militärs tätig usw.

Dass sich diese Leute, die in vielen Fällen der besseren US-Gesellschaft entstammten, plötzlich so gegen das Establishment wandten, deutet darauf hin, dass hinter der „spontan entstandenen“ Szene eine unsichtbare Hand steckte, möglicherweise die CIA, die ja auch für die massenhafte Verbreitung von LSD sorgte. Andere von McGowan angeführte Indizien dafür, dass nicht alles so eitel Wonne war, wie wir es immer noch von Pop-Historikern vorgesetzt bekommen, sind der Hang zu Okkultismus und Satanismus – der eventuell auch hinter der unverhältnismäßig hohen Anzahl von Todesfällen im Laurel Canyon stand, die verdächtig oft als Selbstmorde oder Unfälle zu den Akten gelegt wurden.

Außerdem wäre da noch die Verbindung vieler der erwähnten Musiker und der mit ihnen befreundeten „Young Turks“ aus Hollywood (u. a. Peter Fonda, Jack Nicholson, Dennis Hopper, Sharon Tate) mit der „Family“ des berüchtigten Charles Manson. Der Autor erwähnt auch, dass sich auf dem höchsten Hügel des Laurel Canyon, dem Lookout Mountain, schon Jahrzehnte vor der Invasion der späteren Hippie-Idole eine streng geheime Militärbasis der Air Force befand, dass es im Canyon jede Menge brutaler Morde, eine rege Kinderporno-Szene und Mafia-Aktivitäten gab, und dass das Ausmaß der Laster und Perversionen, die sich dort ausbreiteten, mit den degeneriertesten Auswüchsen Hollywoods mithalten konnte. Aber das, wie er nicht müde wird zu betonen, ist wahrscheinlich „alles nur Zufall“.

Man muss nicht alle von McGowan hergestellten Zusammenhänge nachvollziehen können, um „Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars“ als hochinteressante Lektüre zu empfinden, die den Leser in eine bisher verborgene Alternativwelt der Popkultur entführt. Daher: unbedingte Empfehlung!

ph

Tanja Gräff: Ein ungeklärter Fall

Claire Sandberg
tolino media
556 Seiten
ISBN: 978-3-75791-123-2
€ 29,99

Tanja Graeff

Seit Jahrzehnten gehört zum Standardprogramm des öffentlichen Fernsehens die Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“, mit deren Hilfe unzählige Kriminalfälle im deutschsprachigen Raum gelöst werden konnten. Doch was ist, wenn trotz mehrmaliger Thematisierung ein Verbrechen nicht aufgeklärt werden kann? Das war bei der vermissten Tanja Gräff der Fall, deren Geschichte bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ im September 2007 und im März 2011 behandelt wurde, ohne eine verwertbare Spur zutage zu fördern.

Nach Auffassung der Autorin des vorliegenden Buchs wurden bei der Suche mittels nachgestellter Film­szenen fahrlässig oder gar bewusst falsche Angaben über Örtlichkeiten, Uhrzeiten und personelle Konstellationen gemacht. Ihre Vorwürfe über die gezielte Täuschung des Fernsehpublikums belegt die Privatermittlerin mit langen Zitaten aus der 900 Ordner starken Verfahrensakte sowie zahlreichen Zeugengesprächen.

Am 7. Juni 2007 verschwand die rothaarige Studentin Tanja Gräff nach dem Besuch des Sommerfestes der Trierer Fachhochschule spurlos. Umgehend begann eine beispiellose Such­aktion mit einer regen Beteiligung der Bevölkerung. Trotz des Einsatzes von mehreren Polizeihundertschaften, Spürhunden, Hubschraubern und Wärmebildkameras konnte Tanja Gräff nicht aufgefunden werden. Noch Jahre später hingen in Trier und Umgebung Plakate und Straßenbanner mit dem Konterfei der jungen Frau.

Im Januar 2015 wurde der Leserbrief eines pensionierten Kripobeamten der Soko FH in einer regionalen Tageszeitung veröffentlicht, der öffentlich behauptete, dass eine Handvoll Verantwortlicher die Ermittlungen zur „Spur 38 Spitzbart“ verhinderten. Wie Recherchen der Autorin belegen, handelt es sich bei diesem „Spitzbart“ um den Sohn eines Richters, der in der Tatnacht als letzter Mann mit Tanja Gräff gesehen wurde und in Begleitung eines „FDPlers“ war. Interessanterweise wurde dieses Duo jedoch bei den folgenden Ermittlungen auffällig umgangen und ein Phantombild des Spitzbarts nicht veröffentlicht.

Durch Zufall wurden Tanjas sterbliche Überreste am 11. Mai 2015 bei Rodungsarbeiten entdeckt, an einem Plateau am Fuß des Roten Felsens, rund einen Kilometer vom Festgelände. Unvorstellbar: Der frei zugängliche Fundort befand sich keine 20 Meter von einem bewohnten Hochhaus entfernt und in unmittelbarer Nähe zum Parkplatz einer Studentenverbindung. Damit war das Polizeiversagen bei der inszenierten Suche offenkundig. Doch schnell wurde das Tatgeschehen in Richtung Unfall respektive Suizid ohne Fremdeinwirkung gedreht und das Verfahren 2017 offiziell eingestellt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang die Aussagekraft eines psychologischen Gutachtens, das rund zehn Jahre nach dem Tod des gesuchten Opfers nur anhand der Ermittlungsakten erstellt wurde. Bezeichnenderweise wurde der am Fundort aufgefundene zerrissene Gürtel von Tanja Gräff von der Trierer Staatsanwaltschaft gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen. Und für einen angeblichen Sturz aus 40 Metern Höhe entlang einer schroffen Felswand blieben die Knochen von Schädel, Armen und Beinen untypischerweise unversehrt.

Mit ihrer umfangreichen Recherchearbeit verfolgt die Verfasserin drei Ziele: Während das Buch eine Anklageschrift gegen das fehlerhafte Vorgehen der Trierer Ermittlungsbehörden ist, dient die Arbeit auch der Ehrenrettung von Tanja Gräff und liefert ein Plädoyer für die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens. Weiter regt die Dokumentation dazu an, über den konkreten Fall hinaus über den Verbleib verschwundener Kinder und junger Frauen nachzudenken. Nach der beunruhigenden Lektüre drängt sich der unangenehme Verdacht auf, dass einige vermeintlich unaufklärbare Fälle in der Bundesrepublik von den zuständigen Verantwortlichen in Wirklichkeit gar nicht aufgeklärt werden sollen.

Hinter dem Pseudonym Claire Sandberg verbirgt sich die saarländische freie Journalistin Beate Lehr-Metzger, die mit ihrem Team seit Jahren an diesem Skandal dran ist. Eine geraffte Einführung in die Kriminalgeschichte gibt es auf der von der Autorin betriebenen Internetseite Tanja-Gräff.de, auf der bis heute Hinweise eingereicht werden können.

sb

Notizen aus der Pathologie: Das imperial-suizidale Syndrom der Deutschen

Knut Kleesiek
Manuscriptum
365 Seiten
ISBN: 978-3-948075-47-7
€ 26,–

Pathologie

Ausländische Beobachter haben sich oftmals über den widersprüchlichen Volkscharakter der Deutschen gewundert: Einst strotzten sie vor nationalem Pathos und erklärten anderen Ländern kurzerhand den Krieg, heute verleugnen sie ihre nationalen Interessen und öffnen ihre Grenzen schrankenlos. Mal wollen die Deutschen die ganze Welt erobern, mal wollen sie die ganze Welt bei sich zu Hause aufnehmen. Beide überzogenen Reaktionen haben indes den Untergang des politischen Gemeinwesens zur Folge. In seinem vorliegenden Werk seziert Knut Kleesiek die gesellschaftliche Struktur Deutschlands – seine Diagnose fällt unerbittlich aus: Für Kleesiek leiden die Deutschen als Kollektiv an einer bipolaren Psychose, die der Autor als „imperial-suizidales Syndrom“ bezeichnet. Dieses zweiphasige Syndrom zieht sich seit 1871 durch die deutsche Geschichte.

Im Grunde genommen kann man die ideellen Grundlagen des desillusionierten Pathologen als synthetische Mutation bezeichnen, denn hier übernimmt ein im Kern Nationalkonservativer den ideologischen Werkzeugkasten der sogenannten antideutschen Linken. Beklagt Kleesiek den meta­physischen Materialismus und den mangelnden Widerstand der Deutschen gegen den drohenden nationalen Exitus, so erkennt er auch, dass die bundesdeutsche Politik und ihre Wähler naiv davon ausgingen, dass die Einwanderer „so werden würden wie sie selbst“. Doch die vermeintlich grenzenlose Toleranz gerät schnell an ihre Grenzen.

Seine Kritik an der Migrationspolitik, die mittlerweile den Staatshaushalt mit 50 Milliarden Euro im Jahr belastet, bewegt sich im rechtskonservativen Rahmen. Eindringlich warnt der Verfasser vor der Aufgabe des Nationalstaates und vor dem ethnisch-kulturellen Untergang des deutschen Volkes infolge der sukzessiven Verdrängung durch nichteuropäische Massenzuwanderung. Die heutigen Hybridformen zwischen Christentum und Kulturmarxismus sowie das ideologische Bündnis zwischen radikalen Linken und Großkonzernen werden analytisch erfasst.

Doch in manchen Passagen fällt der Autor hinter seinen selbst gewählten wissenschaftlichen Anspruch zurück. Denn weder wurde der autoritäre Sozialismus der DDR nach der Wiedervereinigung zur Staatsideologie der Bundesrepublik, noch lässt sich ein Siegeszug des trotzkistischen Bolschewismus in der westlichen Hemisphäre feststellen. Das wäre in etwa so falsch, als würde man rechtskonservative AfD-Wähler pauschal als Nationalsozialisten titulieren. Werden jedoch die gegenwärtigen Prozesse unter unpassenden historisierenden Oberbegriffen subsumiert, gerät die Analyse unweigerlich in eine Schieflage und mögliche Lösungsansätze können nicht eruiert werden.

Knut Kleesiek ist Professor für klinische Chemie respektive Pathobiochemie im Ruhestand und war zeitweilig Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin. Aufschlussreich ist daher das längere Kapitel zur Coronapolitik, die nach seiner Auffassung von tiermedizinischen und irrationalen Vorgaben geleitet war. Nicht der Schutz besonders anfälliger Bevölkerungsgruppen habe im Fokus der staatlichen Zwangsmaßnahmen gestanden, sondern die Durchsetzung eines globalen moralischen Narrativs. Während die geforderte Impfung von gesunden Menschen selbst aus schulvirologischer Sicht unsinnig war, wurde die Verteilung des in Deutschland hergestellten Impfstoffs aus dem Drang nach nationaler Unterordnung der Europäischen Union überlassen.

In seinem Fachbereich gilt Kleesiek als Koryphäe, der sich mit Hunderten publizierten medizinischen Beiträgen profilierte. Welche Konsequenzen aus Kleesieks psychiatrischem Befund zu ziehen sind, muss die Leserschaft selbst entscheiden. Lakonisch versichert der emeritierte Professor: „Mit dem Patienten stirbt die Krankheit.“

sb

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