Genauer gesagt geht es um einen Bericht des Sheffield Political Economy Research Institute (SPERI), der am 5. Oktober 2018 veröffentlicht wurde und in dem das Institut einige unfassbare Aussagen macht.
Im ersten Absatz heißt es:
„[Dieser Bericht] deutet darauf hin, dass dem Vereinigten Königreich durch den Verlust von Wachstumspotenzial, der zwischen 1995 und 2015 durch ‚zu viel Finanzwesen‘ verursacht wurde, ein finanzieller Schaden in Höhe von etwa 4.500 Milliarden britischer Pfund entstanden ist. Dieser Gesamtbetrag entspricht ungefähr zweieinhalb Jahren des durchschnittlichen Bruttoinlandsproduktes dieses Zeitraums.“
Um diese Angabe einordnen zu können, müssen wir sie etwas genauer betrachten. Wir sprechen hier von über 4,5 Billionen britischen Pfund in zwei Jahrzehnten, also 225 Milliarden Pfund pro Jahr. Damit saugt die Banken- und Finanzdienstleistungsbranche jährlich einen Geldbetrag aus Großbritanniens Wirtschaft, der 160 Prozent der gesamten Staatsausgaben für das Gesundheitswesen einschließlich des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) entspricht; oder 100 Prozent der Leistungen für die soziale Sicherheit, die alle Rentenzahlungen beinhalten; oder 700 Prozent der Staatsausgaben für die öffentliche Ordnung und Sicherheit; oder 230 Prozent der Bildungsausgaben.
Um noch einen weiteren Vergleich anzuführen: Diese Geldsumme entspricht einem Vermögensverlust von 67.500 britischen Pfund für jeden Einwohner Großbritanniens.
Andrew Baker, Professor für Politische Ökonomie am SPERI, sagte über die Ergebnisse des Berichts:
„Für Großbritannien sind das gewaltige Zahlen, und sie deuten auf ein schwerwiegendes grundlegendes Problem von Fehlallokation und einen ‚Verdrängungseffekt‘ hin. Die Wirtschaftsstrategie Großbritanniens nach dem Brexit muss das als zentrale Herausforderung angehen. Die Verantwortlichen müssen erkennen, dass, was das Finanzwesen betrifft, mehr manchmal weniger sein kann und weniger mehr sein könnte.“
Der Chef der Sicherheitsbehörde National Crime Agency warnt Jahr für Jahr vor den ökonomischen und politischen Gefahren, die sich aus der überbordenden Finanzkriminalität für Großbritannien ergeben.
Und dennoch sind Großbritanniens Wirtschaft und sein versagendes Steuersystem im Laufe der vergangenen 40 Jahre vollständig umgestaltet worden, damit sie den Interessen der Reichen dienen – jenen, die ihr Vermögen ins Ausland verlagert haben, damit es keinen Beitrag für das Land zu leisten braucht, aus dem es kommt. Es scheint aber, dass niemand bereit ist, die Macht der City of London herauszufordern. Dass die Leitmedien den SPERI-Bericht, der die Realität dieses monumentalen Verbrechens offenlegt, nicht veröffentlichen, ist gewiss ein Beleg dafür.
Die wegen ihrer Ausdehnung auch „Quadratmeile“ genannte City stellt ihre eigenen Regeln auf, macht ihre eigenen Gesetze und hat sogar ihre eigene Polizei. Sie ist das Epizentrum des weltweiten Verbrechens. Viele Menschen wissen gar nicht, welche Macht die City of London hat. Genauso wenig bekannt ist, dass durch die auf ihrem Areal durchgeführten weltweiten Finanzoperationen Großbritanniens demokratische Grundsätze infrage gestellt werden.
Die City ist ein Zentrum, in dem es Londoner Bankiers, Steuerberatern und Rechtsanwälten leicht gemacht wird, für die reichsten Leute auf dem Planeten eine Möglichkeit zu schaffen, ihr Vermögen zu verstecken, damit sie unter britischem Management und ohne angemessene Regulierungsaufsicht keine Steuern zu zahlen brauchen. Großbritannien hat sich immer wieder nahezu allen Reformvorschlägen seitens der EU widersetzt und von seinem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht, um sicherzustellen, dass alles beim Alten bleibt. Die Kronbesitzungen der britischen Krone [die Kanalinseln und die Isle of Man, Anm. d. Red.] und die [14] Britischen Überseegebiete sind heute die gefragtesten Adressen in der Bankenwelt. Dort wird ein Drittel der weltweit getätigten Offshore-Finanzdienstleistungen erbracht, und zwar an Personen, die keine Einwohner sind.
Im Jahr 2012 war bekannt, dass ungefähr 32 Billionen US-Dollar in Offshore-Zentren weltweit beiseitegeschafft wurden. Das Bruttoweltprodukt betrug 2018 etwas mehr als 80 Billionen US-Dollar – diese Zahlen geben einen Eindruck davon, welches Ausmaß das alles hat.
Der SPERI-Bericht und ein weiterer des Tax Justice Network rechnen vor, dass die Finanzkriminalität und die Kosten durch einen überdimensionierten Finanzsektor für Großbritannien mehr als doppelt so hoch sind wie für die Vereinigten Staaten. Es überrascht daher nicht, dass Amerika einen Handelsvertrag mit Großbritannien abschließen möchte – böte dieser den USA doch zusätzliche Möglichkeiten, ihre Finanzdelikte zu verschleiern.
Ein Bericht der Bank of England macht deutlich, was die Bankenbranche mit ihrem Geld tut. Nur 3,5 Prozent des gesamten Kreditgeschäftes der britischen Banken erfolgte mit dem produzierenden Gewerbe in Großbritannien, während 60 Prozent aller Kredite an die Finanzvermittlung gingen, das heißt Finanzvermittler, die Gelder von Kreditgebern an Kreditnehmer vermitteln.
Quelle: TruePublica.org.uk, 06.03.19, http://tinyurl.com/y6srhdly
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