Am Anfang war die Vivisektion: Eine Geschichte irregeleiteter Wissenschaft

vivisektionIn einem kleinen Park in London steht die Statue eines kleinen Terriers auf einem Pfeiler. Sie erinnert an ein Tier, das im Februar 1903 in den Laboren des University College starb, nachdem es mehr als zwei Monate lang von Sezierendem zu Sezierendem weitergereicht wurde, bis es schließlich der Tod erlöste. 232 Hunde teilten damals sein Schicksal.

Es ist nicht das einzige grausame Detail, das man ausgräbt, wenn man die Geschichte von Tierversuchen aufarbeitet. Man stößt auf noch viel mehr: etwa, dass schon von Anfang an die Belege dafür fehlten, dass Tierversuche überhaupt etwas anderes als Blutvergießen gebracht haben – und auf eine Mauer des Schweigens in der Medizin.

Am 22. August 1870 ließ sich Marie Françoise Bernard von ihrem Ehemann, dem Physiologen Claude Bernard, scheiden. Dieser Schritt kann für eine Frau in der damaligen Zeit, zudem noch Katholikin, nicht leicht gewesen sein – was mag sie also dazu bewogen haben?

Die Verbindung der Bernards war eine arrangierte Ehe und die Mitgift von Marie Françoise finanzierte einen guten Teil der Arbeit, die ihren Mann berühmt machen sollte: Versuche an lebenden Tieren. Marie Françoise war jedoch zutiefst unglücklich über die Aktivitäten ihres Ehemannes, die angeblich sogar im Keller des Familienwohnhauses stattfanden.1 Nach 20 Ehejahren hatte sie schließlich genug und verließ ihren Mann. Die beiden gemeinsamen Töchter nahm sie mit und wurde später leidenschaftliche Tierschutzaktivistin.

Claude Bernard hingegen wurde zu einer zentralen Figur in der Geschichte der Tierversuche, und sein Einfluss hält bis zum heutigen Tag an. Die Gründe, die Bernard und seine Kollegen zur Durchführung von Tierversuchen bewogen, erklären ebenso wie ihre Reaktionen auf Fragen ihrer Gegner, warum Experimente mit Tieren bis heute ein so einflussreicher Teil der biomedizinischen Wissenschaften sind. Denn dass es so ist, ist unbestreitbar. Forschung an Tieren ist heute Standard an medizinischen Universitäten und ihren Forschungslaboren, bei Pharmafirmen, kommerziellen Laboren und militärischen Forschungseinrichtungen weltweit. Jährlich werden geschätzte 192 Millionen Tiere für wissenschaftliche Experimente eingesetzt.2 Bei einer derart weitverbreiteten Nutzung und so etabliert, wie diese Methodik bei wissenschaftlichen Institutionen ist, könnte man geneigt sein zu glauben, dass Tierversuche unverzichtbar für das Verständnis menschlicher Biologie und die Entwicklung und das Testen lebenswichtiger Therapien sind. Leider wird dieser Standpunkt keinesfalls von wissenschaftlichen Beweisen gestützt. Warum also konnte sich diese Vorgehensweise so erfolgreich durchsetzen?

Wie die Tierversuche in Mode kamen

Vor dem 19. Jahrhundert wurden Tiere nur sehr sporadisch zu Versuchszwecken herangezogen. Der griechische Arzt Hippokrates, der im 5. Jahrhundert vor Christus praktizierte verließ sich beispielsweise lieber auf die genaue Beobachtung der Menschen. Etwa 100 Jahre später zählte jedoch der griechische Philosoph Aristoteles zu jenen bekannten Medizinern, die Tiere sezierten und an ihnen Versuche durchführten. Das führte dazu, dass auch der Mediziner Galen im 2. Jahrhundert nach Christus eine ähnliche Vorgehensweise entwickelte.3 Obduktionen an Menschen waren zur Zeit Galens verboten, sodass er sämtliche Erkenntnisse über die menschliche Anatomie aus der Sezierung von Tieren, hauptsächlich Affen, gewinnen musste. Dieser Umstand trug zur Überzeugung bei, die Anatomie von Menschen und Tieren sei weitgehend ähnlich.

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