Atomkraft
Es ist erstaunlich, aber Tatsache: Atomkraftwerke sind wieder im Gespräch. Wegen der massiven öffentlichen Proteste wurden in den USA seit den 1970er Jahren keine Atommeiler mehr gebaut. Die Kosten für die Meiler waren so immens, dass der Bau beinahe das gesamte Investmentkapital der damaligen amerikanischen Wirtschaft verschlang.
Da die Atomkraftwerke inoffiziell deshalb gebaut wurden, um das amerikanische Militär im Rahmen verschiedener Waffenprogramme mit angereichertem Uran und Plutonium zu versorgen, erhielt die Atomindustrie Subventionen, vor denen selbst die der Erdölgesellschaften wie ein Taschengeld wirkten. Die Anlagen dienten der „nationalen Sicherheit“, und daher wurden sie nie in Frage gestellt, obwohl sie unrentabel waren und sich allein durch Steuergelder finanzierten. Bis zum Jahr 1980 waren bereits 50 Milliarden Dollar in die Atomkraftwerke geflossen – eine Summe, die heute ungefähr 100 Milliarden Dollar entspräche.
Unfall eines Atommülltransporters: Dieser umgestürzte Lastwagen hatte Fässer mit Atommüll geladen, die durch sein Dach brachen und auf eine stark befahrene Schnellstraße in Kansas stürzten.
In einem 1980 veröffentlichten Bericht kam die amerikanische Energieinformationsbehörde EIA, die zum Energieministerium gehört, zu dem Ergebnis, dass der Kostenaufwand für Atomenergie durch die 37 Milliarden Dollar an Subventionen (im Jahr 1979) stark verzerrt dargestellt worden sei. Ohne die finanzielle Unterstützung durch den amerikanischen Steuerzahler, so kalkulierte die EIA, würden die Rechnungen für Atomstrom heute um – vorsichtig geschätzt – 66 bis 100 Prozent höher ausfallen. Die Höhe der Subventionen entsprach 28 bis 42 Dollar an Subvention pro Barrel Erdöl. Dabei berücksichtigt diese Studie nicht einmal die Steuervergünstigungen, die die Atomindustrie genießt, und ließ auch die eingeschränkte Haftung im Falle eines Unfalls außer Acht (die auf den Price-Anderson Act von 1957 zurückgeht). Seit Veröffentlichung dieser Studie ist die Höhe der Subventionen drastisch gestiegen. Gleichzeitig wird die austretende Strahlung bereits seit Reagan und Bush nicht mehr überwacht, um jeden Versuch, einen Reaktorbetreiber wegen einer durch Strahlung verursachten Krebserkrankung zu verklagen, schon im Ansatz scheitern zu lassen. Die Bewohner von Pennsylvania, die rund um Three Mile Island leben, haben zu spüren bekommen, wie unmöglich es ist, Schadenersatz zu erlangen.
Jeder der höchst fehleranfälligen Reaktoren (oder vielmehr der Reaktoren, die aus Fehlern heraus entstanden sind) kostete mehrere Milliarden Dollar. Uran – ein begrenzt verfügbarer, nicht erneuerbarer Brennstoff – erlebt denselben exponentiellen Preisanstieg wie derzeit das Erdöl, allerdings um einiges schneller, weil das Material sehr rar ist. Mit der Förderung von Uran gehen zahlreiche Umweltrisiken einher, die hier aufzuzählen den Rahmen sprengen würde.
Aber vergessen wir einmal die problematischen Aspekte der Kernkraft in Form von Bauweise, begrenzter Leistungsfähigkeit und Unrentabilität. Vergessen wir einmal, dass Atomenergie sich für das Verkehrssystem nicht auszahlt (mehr dazu im weiteren Verlauf dieses Kapitels). Und vergessen wir – sofern möglich – für den Moment auch die Gefahr eines terroristischen Atomanschlags (knapp zehn Pfund Plutonium reichen aus, um eine Bombe zu bauen, die mehr Sprengkraft als die Hiroshima-Bombe besitzt) und das hohe Unfallrisiko. Dann bleibt unterm Strich immer noch, dass verbrauchter nuklearer Brennstoff entsorgt werden muss. Atommüll ist 250.000 Jahre lang extrem giftig und noch weitere vier Milliarden Jahre lang sehr gefährlich. Das ist ein ganz reales Problem. Über eine Million Tonnen an abgereichertem Uran haben Atomreaktoren bis heute produziert. Das ist eine schier unglaubliche Menge an hochgiftigem Abfall. Bislang kann dieser Müll allenfalls zum Härten von Munition verwendet werden.
Unbestreitbar hat die Atomkraft im Namen des Ölfördermaximums schon genug Leid angerichtet. Die 3.000 Tonnen an mit abgereichertem Uran gehärteter Munition, die die USA gegen den Irak eingesetzt haben, um an das irakische Öl zu gelangen, entsprechen von der Strahlungsmenge über 250.000 Hiroshima-Atombomben. Wobei sich die Strahlung in diesem Fall aber großenteils auf ein Land konzentriert, anstatt sich über die gesamte Erde zu verteilen. Der massive Anstieg an deformierten Säuglingen, die im Irak zur Welt kommen, ist schon jetzt ein kaum zu fassendes Gräuel.
Oft wird das Argument angebracht, dass der CO2-Ausstoß verringert würde, wenn die kohlebetriebenen Kraftwerke durch Atomreaktoren ersetzt würden. Doch dieses Argument ist nicht stichhaltig. Mark Diesendorf, Hauptdozent am Institut für Umweltstudien an der University of New South Wales in Australien, weist darauf hin, dass der Bau eines Tausend-Megawatt-Atomreaktors mindestens drei Milliarden Dollar koste – doppelt so viel wie ein mit Kohle betriebenes Kraftwerk – und auch im Unterhalt sehr viel kostspieliger als ein Kohlekraftwerk sei. Der Bau zahlreicher Atomkraftwerke über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg würde so viel Treibhausgas produzieren, dass es 40 Jahre dauern würde, dieses mit der „CO2-Einsparung“ wieder wettzumachen.16 Und 40 Jahre übersteigen die vorgesehene Laufzeit eines solchen Kraftwerks.
Wenn wir die drei Milliarden Dollar stattdessen in 3.000 Anlagen (etwa eine Anlage pro US-County) zur Produktion von Alkoholkraftstoff investierten, von denen jede 3,8 Millionen Liter Treibstoff pro Jahr liefern könnte, würden wir meinen Berechnungen zufolge in 20 Jahren den Austritt von über 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre verhindern – eine Menge, die für gewöhnlich innerhalb der gleichen Zeitspanne durch Erdöl-Treibstoff freigesetzt würde. Außerdem könnten wir ein Vielfaches dieser Menge in den verbesserten Böden organisch sequestrieren.
China – Fahrräder oder Zweitakt-Motorräder, und warum uns dies betrifft
Mitte der 1990er Jahre las ich einen Artikel, in dem es um die massiven Auswirkungen ging, die jeder größere Beschluss Chinas auf die Welt hat. Es handelte sich um ein Interview mit einem Sinologen von der University of California in Berkeley, der zunächst über die größte Massenmigration der Geschichte sprach, die von den ländlichen Gebieten Chinas in die Städte stattfinde. Dann schweifte er ab und kam auf Fahrräder zu sprechen.
Wenn jede Familie (nicht jede Person) an der chinesischen Küste nur eines ihrer Fahrräder durch ein Zweitakt-Motorrad ersetzte, sagte dieser Sinologe, wären die Folgen deutlich zu spüren. Danach gefragt, wie genau die Folgen aussähen, antwortete er: „Zunächst einmal könnten wir in den fünf westlichsten Staaten der USA nicht mehr atmen.“
Im Jahr 2004 wurde geschätzt, dass zehn Prozent der Luftverschmutzung in Kalifornien ihren Ursprung in China haben. Bis 2010, so die Prognose von Wissenschaftlern, werden zwei Drittel des für Smog verantwortlichen Ozons in dieser Gegend aus der boomenden Industrie Asiens stammen.28 Viele Familien in den relativ wohlhabenden Küstenstädten Chinas streben danach, ein Motorrad zu besitzen.29 Mit Alkohol betriebene Zweitakträder, die als Schmierstoff Biodiesel verwenden, würden diese Umweltkatastrophe verhindern.
Eine Exkursion in den Wahnsinn: Die Scheibenerde-Fraktion
Einige neue Bücher verkünden in überoptimistischem Ton, Erdöl sei unerschöpflich; die Autoren dieser Bücher gehören einer Gruppierung an, die ich als Scheibenerde-Fraktion bezeichne. Im Folgenden wollen wir uns einige der von dieser Gruppe vorgeschlagenen Alternativen zur Energiegewinnung ansehen, die jede für sich genommen dermaßen haarsträubend ist, dass ihre Verfechter noch jenseits der Fraktion anzusiedeln sind, die auf fossile Brennstoffe setzt.
Abiotisches Erdöl
Die Gründungsmitglieder der Scheibenerde-Fraktion behaupten, dass uns das Erdöl nie ausgehen werde, weil Öl nicht etwa aus abgestorbenen Meeresorganismen entstehe, die hohen Temperaturen ausgesetzt sind, sondern auf abiotische Weise und ohne biologische Faktoren in 4,5 Kilometern Tiefe. Dass das Öl so tief in der Erde steckt, ist angeblich auch der Grund dafür, dass wir all die Lagerstätten noch nicht entdeckt haben.
Die Studien, die die Existenz dieses abiotischen Öls proklamieren, stammen aus der Sowjetunion, wo politisch unpopuläre Studien der Gesundheit des Autors schaden konnten. Bevor also ihre Köpfe rollten, verfassten sowjetische Petrogeologen im Auftrag Stalins wissenschaftliche Studien, in denen sie die Theorie vertraten, Erdöl könne in großer Tiefe aus nicht biologischen Kohleeinlagerungen entstehen. Diese Theorien sind völlig haltlos.
Das schlagende Argument der Physik gegen diese Behauptungen lautet, dass organische Materie in 4,5 Kilometern Tiefe einem solch enormen Druck ausgesetzt ist, dass aus der Flüssigkeit zwangsläufig Erdgas wird.17 Somit entspringt die Behauptung, wir müssten nur tiefer graben, um so viel Öl zu finden, wie wir brauchen, der reinen Phantasie. Erdölgesellschaften bohren bereits seit 1938 routinemäßig tiefer als 4,5 Kilometer,18 und genau das hat zu der Erkenntnis geführt, dass Erdöl ab einer bestimmten Tiefe zu Gas wird.
Kommentare
20. Oktober 2008, 00:34 Uhr, permalink
Ludwig
Bleibt nur die sehr reale Gefahr, dass im großen Maßstab Treibstoff-Landwirtschaft die Landwirtschaft zur Nahrungsherstellung besonders in armen Ländern verdrängt.
23. Oktober 2008, 11:11 Uhr, permalink
Oliver Berger
Zitat: "... Solange die Temperatur dort unten eisig kalt bleibt und sich die Schlammschicht, die das Eis unten hält, nicht verändert, liegt das hochexplosive Treibhausgas relativ sicher.
Aber nicht ewig. Was bedeutet „zu warm“ im Hinblick auf die Freisetzung von Methan? In den vergangenen hundert Jahren hat sich das Meereswasser entlang der Kontinentalplatten bereits um drei Zehntel Grad Celsius erwärmt. Schon ein Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius würde eine zusätzliche 250 Meter dicke Schlammschicht nötig machen, damit das Hydrat nicht freigesetzt würde."
Ich denke mit dieser Aussage disqualifiziert sich der Autor selbst.... Als Kinder haben wir schon gelernt, daß am See-/Meeresboden um die 4° C herrschen, da das Wasser durch seine Anomalie hier am schwersten ist. Also selbst wenn es oben wärmer/kälter wird, wird unten immer 4° C herrschen, es sei denn, die gesamte Menge Wasser würde über 4° C erwärmt, dann gäbe es kein solch kaltes Wasser mehr, was nach unten sinkt - aber ich glaube nicht, daß die (angeblich) vom Menschen verursachte Erwärmung das leisten kann!
31. Dezember 2009, 01:16 Uhr, permalink
Hasi
Öl ist sowieso bald alle bzw. wird im Preis stark steigen, weil es knapper werden wird. Da braucht man sich um Öl schon gar keine Gedanken mehr zu machen: Es ist ein Produkt, das über kurz oder lang verschwinden wird.
Alkohol als Treibstoff wird neben Gas z.B. in Brasilien schon seit Langem als Treibstoff für Autos verwendet. Ich denke, dass multiple, d.h. verschiedene Energiequellen als Treibstoff für Fahrzeuge eine sinnvolle Sache sind, so wie es schon heute in Brasilien praktiziert wird.
31. Dezember 2010, 21:53 Uhr, permalink
Tino Knaak
Zu den Ausführungen des Autors bezüglich Erdöl:
Bei seiner "Scheibenerde-Fraktion" wirft er alle in einen Topf und verallgemeinert sehr stark. Er schreibt polemisch und läßt eine wissenschaftliche Seriosität vermissen.
"...auf abiotische Weise und ohne biologische Faktoren..." - weiß der Autor nicht, dass das ein und dasselbe ist und er sich hier wiederholt?
Er stellt die 4,5 Kilometer Tiefe hin, als würden die "Verschwörer" behaupten, dass man nur in dieser Tiefe Öl findet.
Die Studien kamen anfangs hauptsächlich aus der Sowjetunion, wurden aber bis auf den heutigen Tag stark präzisiert und das nicht nur von Wissenschaftlern aus der UdSSR. Der Autor schreibt so, als wären das alte russische Schinken, die in irgendwelchen Regalen ranzig werden. Tatsächlich ist das Thema aber aktueller denn je. Das zeigt ein Essay von Dr. Tischler aus dem Jahre 2006, in dem wesentlich stichhaltiger und gründlicher argumentiert wird als bei Herrn Blume. Er ist auch beim Nexus-Magazin erschienen:
www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/der-grosse-oelschwindel?context=blog
Dass Öl in Tiefen über 4,5 km instabil wird, ist bekannt. Darum geht es aber nicht. Die Frage ist, warum die Ölindustrie überhaupt in solchen Tiefen bohrt, wenn doch in den Lehrbüchern steht, dass Erdöl in Verbindung mit Sedimenten entsteht? In dieser Tiefe gibt es aber keine Sedimente und auch keine organischen Ablagerungen aus Tieren und Pflanzen. Dennoch behauptet dies der Autor: "Das schlagende Argument ... lautet, dass organische Materie in 4,5 Kilometern Tiefe ..."
Wenn die Ölindustrie in diesen Tiefen bohrt, so nimmt sie die herrschende Lehrmeinung vom Öl aus fossilen Stoffen nicht ernst!
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