Alkohol als Treibstoff-Alternative – Aufräumen mit den Vorurteilen

Die bösartige Verunglimpfung des Treibstoffs Alkohol ist gänzlich fehl am Platze. Wenn wir Ethanol mit Weitblick und unter Einsatz der biologischen Landwirtschaft verwenden – wenn wir also die industriellen Anbaumethoden vollständig durch nachhaltige Methoden ersetzen –, dann kann es unsere Energieprobleme lösen. Und zwar alle – wenn wir es nur wollen.

Mythos Nr. 3: Ethanol ist ein ökologischer Albtraum

Der Lauf der Geschichte zeigt, dass die mechanisierte Landwirtschaft eine Vereinfachung der Bewirtschaftungsmethoden erforderlich gemacht hat: Menschen wurden durch hirnlose Maschinen ersetzt, um den Arbeitsaufwand so gering wie möglich zu halten, auf dass das Kapital der Konzernelite steige. So war die Monokultur geboren – der Anbau einer einzigen Sorte.

Bei der industriellen Landwirtschaft geht es nicht darum, mehr Menschen zu ernähren, sondern die Nahrungsmittelproduktion mit möglichst wenig menschlicher Arbeitskraft zu betreiben und möglichst viel Profit für die Großunternehmen dabei herauszuschlagen. Wie ich in Mythos Nr. 4 noch ausführen werde, handelt es sich bei Nahrungsmitteln in diesem System nicht um eine menschliche Notwendigkeit, sondern um eine Ware.

Für die Alkoholproduktion wird weltweit vor allem Zuckerrohr verwendet. Im Gegensatz zu Mais, einer einjährigen Pflanze, ist Zuckerrohr mehrjährig und wird nur alle fünf bis zehn Jahre gesetzt, wobei es aber jährlich geerntet werden kann. Da brasilianische und indische Alkoholhersteller einen Großteil der bei der Produktion anfallenden Nebenprodukte wieder auf den Feldern ausbringen, brauchen sie nur wenig Dünger. Zudem wird der Boden dadurch stetig fruchtbarer, anstatt auszulaugen. In Brasilien orientiert man sich beim Anlegen der Ackerfurchen auf Zuckerrohrfeldern an den Konturen des Landes, um Erosion zu vermeiden. (Auch beim Maisanbau wird dies teilweise praktiziert; wo nicht so vorgegangen wird, erodiert der Boden.)

Wenn die Alkoholproduktion auf Zellulosebasis (siehe Mythos Nr. 4) erst einmal alle anderen Methoden abgelöst hat, werden mehrjährige Gräser, Sträucher und Bäume den Anbau von energiereichen Nutzpflanzen dominieren – sowohl in Mono- als auch in Polykultur. Denn dieses Verfahren reichert den Boden an, anstatt ihm Nährstoffe zu rauben.

Die Auswirkungen von östrogenartigen Pestiziden und Herbiziden – insbesondere denen, die in der industriellen Landwirtschaft verwendet werden – auf die Menschheit sind die vielleicht verheerendste Umweltkatastrophe von allen. Der Einsatz solcher Chemikalien wird durch die Monokulturen der Agrarindustrie erst erforderlich. Der wohl erschreckendste Effekt geht gerade von den geringen Mengen dieser östrogenartigen Substanzen aus, die der Körper nicht als gefährlich erkennt und stattdessen wie das körpereigene Hormon Östrogen behandelt.

Zellulose
Die ganze Diskussion um „Nahrung kontra Treibstoff“ wird hinfällig, wenn wir einen ganz neuen Rohstoff für die Alkoholproduktion ins Spiel bringen: Zellulose. Zellulose ist ein von Pflanzen produziertes Kohlenhydrat, mit dem diese Halme, Wurzeln und Blätter „bauen“. Zwar bestehen Pflanzen auch aus zahllosen Zuckermolekülen, doch stellt Zellulose die Grundfaser dar, aus der die Pflanze zum Großteil besteht; Früchte, Körner und Knollen machen nur einen vergleichsweise geringen Teil der Pflanze aus.
Zellulose als Rohstoff lässt die Alkoholmenge, die sich aus Zucker und Stärke gewinnen lässt, vergleichsweise unbedeutend erscheinen. Jedem Pfund Korn stehen beispielsweise zweieinhalb Pfund zellulosereicher Getreidehalme und über vier Pfund zellulosereicher Wurzelmasse gegenüber.
Der Biologe Jeffrey Dukes schätzt, dass jährlich weltweit fast fünfmal mehr Pflanzenmasse produziert wird, als wir brauchen, um fossile Brennstoffe vollständig zu ersetzen.25 Buckminster Fuller, wie immer seiner Zeit voraus, sagte mir schon 1982, er denke, dass die weltweit produzierte Zellulose sechsmal so viel Energie liefern könnte, wie die Menschheit brauche. Andere Schätzungen zur jährlich produzierten Biomasse (organisches, als Treibstoff verwendetes Material) kommen auf das bis zu 15-Fache unseres derzeitigen Energieverbrauchs.
Alle diese Schätzungen orientieren sich an der gegenwärtig weltweit auf natürlichem Wege produzierten Zellulosemenge. Durch eine gezielte Förderung der Zelluloseproduktion ließe sich die verfügbare Menge um das Zehnfache steigern. Hier eignen sich Methoden, durch die sich die Umwandlung von Sonnenenergie in Kohlenhydrate verbessern lässt, wodurch gleichzeitig die Fruchtbarkeit des Bodens gesteigert würde. In der Weiterentwicklung und im Anbau von zellulosereichen Nutzpflanzen in Polykultur sowie in deren anschließender Bioraffination zu Alkohol und zahllosen Nebenprodukten liegt also ein schier unerschöpfliches Potential.
Nun, da die Alkoholproduktion auf Zellulosebasis allmählich kommerzialisiert wird, könnte der Gesamt­alkoholertrag aus verschiedenen faserreichen Pflanzen zwischen 5.600 und knapp 20.000 Litern pro 0,4 Hektar jährlich betragen.26 Nutzpflanzen wie Hanf, Sorghum, Rutenhirse und viele schnell wachsende Baumarten ergeben einen hohen Alkoholertrag pro Hektar, und dies selbst auf minderwertigem Land. Bei bis zu 20.000 Litern Alkohol pro 0,4 Hektar müssten die USA nicht einmal 15 Prozent ihres hochwertigeren „Croplands“ verwenden, um ihren Kraftstoffbedarf vollständig zu decken.
Zudem zählen auch Papierabfälle, Holzabfälle und Sägemehl als Zellulose; auch aus ihnen ließe sich effizient Alkohol gewinnen. Sollte Zellulose sich tatsächlich zum bedeutsamsten Kohlenhydratrohstoff für die Alkoholproduktion entwickeln – und viele halten dies für unausweichlich –, dann würde die Hefe, die nach der Destillation aus der fermentierten Zellulose zurückgewonnen werden kann, ein Alleinfuttermittel darstellen, das durch seine Proteine und Fette Getreidefutter vollständig ersetzen könnte.

Östrogen ist ein weibliches Hormon. Eine der Hauptbotschaften, die von diesem Hormon ausgehen, lautet: „Sei weiblich!“ Eine alarmierende Botschaft, wenn man männlicher Natur ist. Seit Chemikalien in der Landwirtschaft Fuß gefasst haben, ist die Spermienfertilität auf unter 50 Prozent gefallen. Mitte der 1990er Jahre veröffentlichte das National University Hospital in Kopenhagen mehrere Studien, aus denen hervorgeht, dass die Spermienzahl drastisch gefallen und die Unfruchtbarkeit unter Männern in Dänemark ebenso drastisch gestiegen ist.9 Diese Studien bewirkten, dass die meisten anderen Länder ebenfalls ihre Samenbanken untersuchten und dort denselben Rückgang der Spermienzahl seit 1940 feststellten. Bei einer um 50 Prozent verminderten Spermienfertilität gilt ein Säugetier praktisch als unfruchtbar.10

Die östrogene Wirkung von Pestiziden und Herbiziden ist seit den 1940er Jahren bekannt. Damals entwickelte die Wissenschaft die Methode der „chemischen Kastration“, bei der Hähne Pestizide unter das Futter gemischt bekamen. Die Pestizide, die heute eingesetzt werden, sind 3.000 Mal giftiger als die damals gebräuchlichen Chlorkohlenwasserstoffe und Organophosphate, die alle aus Rohöl hergestellt wurden.

In den USA werden jährlich mehr als eine Milliarde Pfund an aus Öl gewonnenen Pestiziden versprüht. Die Menge an eingesetzten Herbiziden liegt sogar bei über vier Milliarden Pfund, wobei sie sich seit Einführung genetisch modifizierten Saatguts (das so verändert wurde, dass die Pflanze dem direkten Kontakt mit dem Herbizid standhält) vervierfacht hat. Das bedeutet, dass die Nahrungsmittel eines jeden Amerikaners pro Jahr mit etwa 15 Pfund dieser Chemikalien in Kontakt kommen.

Dauerhaft schädliche Auswirkungen des Östrogens auf die Entwicklung von Föten können schon bei unglaublich geringen Blutanteilen im ppq-Bereich [Teile pro Billionen] auftreten. Bei höheren Dosen können diese Chemikalien direkt oder auch indirekt Krebs auslösen oder das Wachstum von bereits vorhandenem Krebs beschleunigen. Die Häufigkeit von Prostata- und Brustkrebs ist proportional zum Auftreten dieser landwirtschaftlich verwendeten Chemikalien in Nahrung und Trinkwasser gestiegen. Als ich selbst noch Landwirtschaft betrieb, kamen dutzende Menschen zu mir, denen Onkologen zu Biogemüse geraten hatten.

Giftig sind diese Chemikalien auch für die Mikroorganismen, die den Boden fruchtbar machen, und natürlich auch für Tiere, die sich von Schädlingen ernähren. So schmoren wir also in einem Schlamassel vor uns hin, den wir selbst angerichtet haben und der vor allem aus der Kombination von Rohölprodukten und Landwirtschaft entstanden ist.

Ein Übergang zur Methode des Fruchtwechsels, bei der im ökologischen Anbau jedes Jahr eine andere Pflanzensorte gesetzt wird, würde den Energiebedarf eines Hofes um ein Drittel oder mehr senken,11 da sich der Einsatz von Herbiziden, Pestiziden und chemischen Düngemitteln erübrigen würde. Als Dünger können stattdessen die Nebenprodukte aus der Alkoholherstellung verwendet werden, die entweder direkt auf den Boden aufgebracht oder an das Vieh verfüttert werden. In letzterem Fall durchläuft der Dünger einen Vorgang namens Methanfermentation, wobei eine Art Flüssigdünger entsteht, der auf das Land gegeben wird, aus dem die Nutzpflanzen hervorgegangen sind. Dies geschieht entweder mit Hilfe landwirtschaftlicher Maschinen oder mittels kostengünstiger Pipelines. Auch kann der Flüssigdünger für eine spätere Verwendung kompostiert werden.

In Indien ist dieses Pipelinesystem inzwischen Standard. Eine einzige Pipeline genügt, um nachts Flüssigdünger und tags Kohlendioxid (ein Nebenprodukt der Alkoholfermentation) aufzubringen. Durch diese Methode kann die Ernte verdreifacht werden. Das System eignet sich für kleine Alkoholfabriken (bis zu zwei Millionen Liter pro Jahr) sehr viel besser als für große, da bei Letzteren Weiterverarbeitung und Anbau räumlich getrennt sind.

Es dürfte schwerfallen, einen eleganteren Weg der Problemlösung zu finden, als den, seine Energiequelle selbst anzubauen. Anstatt Boden und Ökoklima zu zerstören, verbessert die permakulturelle Ethanol-Gewinnung die Bodenbeschaffenheit sogar von Jahr zu Jahr.

Ein Eintopf aus Zellulose und Stärke
Wie hoch mag der jährliche Ertrag aus in Polykultur erzeugten Kohlenhydraten – inklusive Zellulose – ausfallen, wenn man Maische und Kohlendioxid (CO2) aus der Produktion wieder den Pflanzen zuführt? Als Antwort ein Beispiel: Im Süden der USA herrschen auch im Winter moderate Temperaturen (nicht kälter als minus acht Grad Celsius) bei einer moderaten Niederschlagsmenge. Die Ernte des Oberholzes vom Hülsenfruchtbaum Tipuana tipu ergibt 24 Tonnen pro Acre (gut 16.000 Liter pro 0,4 Hektar). Hinzu kommt im Sommer ein gemischtes Unterholz aus langhalmigem Sorghum (4.500 bis 9.000 Liter pro 0,4 Hektar), Kürbissen (gut 2.000 Liter) und Steckrüben (1.900 Liter); im Winter ein Unterholz aus Futterrüben (5.700 Liter und mehr); und, als langlebige mehrjährige Pflanzen parallel zu den Bäumen, dornlose Opuntien-Kakteen (gut 2.000 Liter).
Ein Anpflanzungsbeispiel, bei dem Sumpf bzw. Wasser die Grundlage bildet und das auch Temperaturen von minus 17 Grad Celsius übersteht, besteht aus schnell wachsenden Weiden- oder Bambusbermen, die lange, mit Rohrkolben bewachsene Kanäle trennen. Die Kanäle werden mit der Maische und dem Kohlendioxid aus der Alkoholproduktion angereichert. Ein derart gestaltetes System würde regelmäßig bis zu 40.000 Liter auf einem knappen halben Hektar ergeben.

Kommentare

04. Dezember 2008, 18:54 Uhr, permalink

winne

gute seiten ,bin erstaunt

16. Juli 2011, 17:39 Uhr, permalink

sissi brautkleider

Dann kann es unsere Energieprobleme lösen. Und zwar alle – wenn wir es nur wollen.
Awesome!

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